Im August 1869 passiert in dem Bauerndorf Culduie an der Westküste Schottlands ein Dreifachmord, verübt vom siebzehnjährigen Roderick Macrae. Macrae hat den Constable Lachlan MacKenzie und zwei seiner Kinder auf brutalste Weise erschlagen.
Das Dorf Culduie besteht nur Häusern, in denen 25 Menschen leben und als Kleinbauern (Crofter) ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Familie Macrae lebt unter ihnen mit zwei Kühen, sechs Schafen und einem gepachtetem Feldstück, dass sie bewirtschaftet. Entbehrungsreich, voller harter Arbeit und mit sehr wenigen Kontakten zu den anderen Bewohnern ist das Leben der Familie, weshalb zunächst unverständlich ist, wie es zu solch brutalen Mehrfachmorden kommen konnte.
Für einen Thriller ungewöhnlich ist von Anfang an klar, dass Roderick die Morde begangen hat, die Spannung bezieht das Buch aus der Frage nach dem Warum und daraus, ob die Verteidigung in der Lage ist, ihn vor dem Tod am Galgen zu bewahren.
Graeme Macrae Burnet versetzt den Leser sehr gekonnt ins 19.Jahrhundert, mitten nach Schottland. Mit Spannung verfolgt man beim Lesen die Anfänge der Kriminalpsychologie, streift durch Gerichtsakten und medizinische Gutachten, Befragungen von Zeugen und die Berichtserstattung zum Prozess und wird dabei oft an der Nase herumgeführt. Erst während des Prozesses selbst kommen Hintergründe der Tat ans Licht.
Der Roman besteht aus drei Teilen, beginnend mit den Aufzeichnungen des inhaftierten Roderick Macrae, die dieser auf Anraten seines Rechtsbeistandes anfertigte, folgt Teil zwei als Bericht des Gefängnisarztes und Kriminalanthropologen James Bruce Thomson. Der letzte Teil besteht aus einem ausführlichen Prozessbericht, während dem die Verteidigung versucht, durch den Tatbestand der geistigen Verwirrung ihren Schützling von dem Tod durch den Strang zu bewahren.
Wahrheit oder Fiktion?
Der Autor Graeme Macrae Burnet schafft mit diesem ungewöhnlichen Thriller ein raffiniertes Puzzle und verwirrt den Leser zum einen mit den Berichten selbst, zum anderen damit, dass er sich selbst im Vorwort in die Geschichte einbringt, indem er behauptet, er sei zufällig bei Recherchen auf Dokumente zu diesem Fall gestoßen. Es werden von ihm sehr gekonnt Zweifel an der Echtheit geschürt, sowohl bei den Aussagen und Niederschriften der am Fall Beteiligten als auch am gesamten Fall selbst.
Sehr gut lesbar, unglaublich spannend und absolut ungewöhnlich und unkonventionell hat Burnet über das Verbrechen geschrieben. Neben der vereinnahmenden Geschichte der Morde und des Prozesses hat er eine Konstruktion geschaffen, die über Realität auf äußerst raffinierte Weise reflektiert und den Leser letztlich fragend zurücklässt. Bravo dafür!
Graeme Macrae Burnet, geboren 1967 in Kilmarnock, Schottland, studierte Englische Literatur in Glasgow. Er schreibt seit seiner Jugend und wurde 2013 mit dem Scottish Book Trust New Writer’s Award ausgezeichnet. Er lebt und schreibt in Glasgow.