Ein Stück koreanischer Geschichte
Zuallererst: Am liebsten würd ich dies Buch gar nicht bewerten, da das Buch auf verschiedenen Ebenen betrachtet und bewertet werden kann. Legt man den Fokus auf eine Ebene, wird man womöglich den anderen ...
Zuallererst: Am liebsten würd ich dies Buch gar nicht bewerten, da das Buch auf verschiedenen Ebenen betrachtet und bewertet werden kann. Legt man den Fokus auf eine Ebene, wird man womöglich den anderen Ebenen nicht gerecht.
Tatsächlich tat ich mich mit dem Aufbau des Romans zunächst sehr schwer. Die erzählende Autorenfigur, die Koreanerin Gyeongha, leidet unter Depressionen und Albträumen, resultierend aus den Recherchen zu einer früheren Arbeit. Das war für mich nicht greifbar, mir fehlten die Ursachen, welche vielleicht derart angedeutet wurden, dass ich diese Andeutungen nicht verstand.
In Verbindung mit ihrer verunglückten Freundin Inseon kommt sie in Kontakt mit deren Recherchen zu früheren Geschehnissen, welche Abertausenden das Leben kostete, Familien auseinander riss und Menschen mental zerstörte. Hierbei bedient sich Han Kang der Vorstellung, dass dem Tode nahe Personen als Geist ihnen nahestehenden Menschen erscheinen können. Als verbindendes Element nutzt sie den Schnee, welcher in diversen Zeitebenen ebenso vorkommt wie als sinnbildliches Symbol.
Die historischen Geschehnisse, welche sich nach und nach herauskristallisieren, lassen sich mit einer alten koreanischen Erzählung umschreiben, welche Inseon erzählt: Auf der Flucht vor dem Grauen in ihrem Ort dreht sich die Flüchtende um und erstarrt bei dem sich ihr bietenden Anblick zu Stein. Auch ich habe mich beim Lesen des Grauens, welches mir dargeboten wurde, wie zu Stein erstarrt gefühlt. Und ich habe NUR darüber gelesen.
Dies ist ein Buch, zu welchem ich mir gern ein erläuterndes Nachwort gewünscht hätte. Leider habe ich mich nach der letzten Seite wie mit dem Grauen allein gelassen gefühlt. Ein traumatisches Grauen, welches scheinbar auf historischen Geschehnissen fusst (zumindest verstehe ich die Buchbeschreibung so), welche derart mit Gewalt über die Menschen rollten, dass sie den Abschied von geliebten Menschen unmöglich machten.
Vielleicht ist mein Dilemma, das Buch nicht mal eben so bewerten zu können, verständlich. Der Anfang war für mich recht zäh, das anschließende Freilegen der Vergangenheit war auch ohne große emotionale Einschübe sehr bewegend, das Grauen kaum zu ertragen. Mein Dank gilt der Autorin für den Einblick in dieses Kapitel koreanischer Geschichte.