Auf meiner Wunschliste hatte ich »Ein wirklich erstaunliches Ding« von Hank Green schon etwas länger stehen, genau genommen so ziemlich seit es auf englisch erschienen ist. Der Aufhänger des Buches klingt einfach total cool finde ich, irgendwie ein wenig anders als so vieles, das ich in letzter Zeit gelesen habe. Das liegt zum einen daran, dass ich sehr wenig Sci-Fi lese und zum anderen habe ich noch nie ein Buch in der Hand gehabt, das sich so viel mit Social Media und unserer heutigen Gesellschaft beschäftigt. Warum ich es trotzdem erst jetzt gelesen habe? Gute Frage. »Ein wirklich erstaunliches Ding« hat mich immer irgendwie gereizt, aber gleichzeitig nicht genug, da ich doch recht durchwachsene Meinungen dazu gehört habe, etwas, das sich fortgesetzt hat, als das Buch jetzt auch im Deutschen erschienen ist.
Eigentlich nehme ich mir ja immer wieder vor nicht zu viel auf die Meinungen anderer Rezensenten zu geben, aber gerade wenn Blogs, deren Meinung man vertraut, das Buch eher mittelmäßig bewerten kommt man doch ins Grübeln. Umso froher bin ich, dass ich »Ein wirklich erstaunliches Ding« dennoch (endlich) gelesen habe, denn – und ich weiß nicht ob das daran liegt, dass ich mit niedrigeren Erwartungen heran gegangen bin – mir gefiel Hank Greens Debüt meistbietend sehr gut. Ich kann die Kritik die viele an der Geschichte üben nachvollziehen, aber nichtsdestotrotz hat »Ein wirklich erstaunliches Ding« es geschafft mich von sich zu überzeugen.
Wie gesagt bin ich eher etwas skeptisch an »Ein wirklich erstaunliches Ding« heran gegangen und das erste Kapitel war ich mir ziemlich sicher, dass ich diese Geschichte nicht mögen würde, einfach weil ich ein paar Seiten gebraucht habe um mich an den Erzählstil von Hank Green zu gewöhnen, denn man liest aus der Ich-Sicht von April, wie sie aus der (für den Leser) Zukunft auf die Geschehnisse rund um die Carls blickt und aus ihrer Perspektive berichtet. Für mich war das ein wenig gewöhnungsbedürftig zunächst, da April dadurch viele Gedanken einbringt und teilweise anfängt zu philosophieren, was einen wiederum aus der eigentlichen Handlung etwas rausreißt, mich aber, nachdem ich mich erstmal daran gewöhnt habe, gar nicht mehr gestört hat. Eher im Gegenteil, nach ein paar Kapiteln steckte ich mittendrin und mochte April als Erzählerin richtig gerne, eben weil es sich fast so anfühlt als würde sie einem tatsächlich ihre Geschichte erzählen.
Wenn ich jetzt sage, dass ich April als Erzählerin mochte, dann müssen wir einmal zwischen April als Charakter und April als Erzählerin separieren, denn den Charakter April May, wie sie sich selbst darstellt, fand ich stellenweise alles andere als sympathisch. April ist sehr Ich bezogen, handelt oft übereilt und ohne nachzudenken und allgemein dreht sich gefühlt die ganze Welt um sie. Was so besonders an ihr ist? Keine Ahnung. April ist ein ziemlich normaler Mensch, sie trifft ab und an Entscheidungen, die schwer nachvollziehbar sind und ist in mancher Hinsicht etwas verkorkst, was noch schwerer nachzuvollziehen war, weil sie teilweise zwar sehr selbstreflektiert auf die Vergangenheit blickt, teilweise aber eben auch nicht. Ergibt das Sinn? Ich hoffe. Also: Ich fand April nicht unbedingt sympathisch – im echten Leben wäre sie jemand mit dem ich nicht würde befreundet sein wollen -, aber ich mochte dennoch die Art wie sie ihre Geschichte erzählt und sich selbst dargestellt hat; ich habe ziemlich gerne aus ihrer Sicht gelesen, auch, wenn ich sie als Charakter nicht unbedingt mochte. Eine ungewöhnliche Kombination, aber irgendwie hat Hank Green es geschafft, dass eben diese Kombi sehr gut für mich funktioniert hat. Ich fand es irgendwie fast schon erfrischend, dass ich April nicht mochte, dass sie Fehler macht und das zur Genüge. April ist herrlich menschlich und das war wohl das, was mir am meisten an ihr gefiel.
Aber genug von unserer Erzählerin, machen wir noch einen kleinen Abstecher zu den Nebencharakteren. Ich muss sagen, dass mir die meisten der Nebencharaktere sympathischer waren als April selbst, obwohl ich mich bei manchen wirklich gefragt habe, was sie an April finden, denn wie gesagt, sie ist nicht unbedingt die Definition einer guten Freundin. Was die Nebencharaktere angeht fand ich vor allem großartig wie divers Hank Green schreibt, so ist Aprils ehemalige Mitbewohnerin (und Ex-Freundin) Maya zum Beispiel schwarz und lesbisch, April selbst bisexuell und Miranda, eine Wissenschaftlerin die April im Laufe der Geschichte kennenlernt, bewegt sich ebenfalls irgendwie im queeren Bereich. Das tolle dabei ist, dass Hank Green es schafft, dass die Nebencharaktere nicht durch die Minderheit der sie angehören charakterisiert werden (ich will ja kein Negativbeispiel nennen, wo das so ist, aber… wir wissen alle wovon ich rede, oder? hust Someone New hust) , sondern sie alle davon abgesehen eine wichtige Rolle für April und die Geschichte haben. Allerdings muss ich auch sagen, dass dadurch, dass man rein aus Aprils Sicht liest die Nebencharaktere teilweise doch recht wenig Screentime bekommen, dafür ist April einfach zu Ich-bezogen, und deshalb teilweise etwas flach bleiben, beziehungsweise hätte ich von ein paar, weil ich sie so gerne mochte, einfach gerne mehr gesehen… okay, ich gebe es zu, hauptsächlich geht es mir um Aprils persönlichen Assistenten Robin, der mir gegen Ende etwas Leid tat, weil er April sehr loyal gegenüber ist und ihr das Leben so viel leichter macht und sie ihn einfach nicht zu schätzen weiß. Aus irgendeinem Grund fand ich Robin jedenfalls ziemlich interessant, vielleicht gerade weil man so wenig über ihn weiß, aber ich hätte definitiv gerne noch mehr von diesem Charakter gesehen, da er doch recht eng mit April zusammenarbeitet.
Wie gesagt, ich kann die Kritik an »Ein wirklich erstaunliches Ding« stellenweise gut nachvollziehen, aber für mich hat das Konzept des Buches halt funktioniert. Zwischen »Ein wirklich erstaunliches Ding« und mir hat es irgendwie Klick gemacht. Das wird denke ich nicht bei jedem so sein, kommt vielleicht aber auch ein bisschen darauf an mit welchen Erwartungen man an die Geschichte heran geht. Ich habe mit keinem Buch voller Spannung und Sci-Fi Elementen gerechnet, trotz, dass die Carls in irgendeiner Art außerirdisches Leben sind. Ich würde sagen die Handlung ist gerade zu Anfang eher gemächlich, hat mich aber gleichzeitig sehr neugierig gemacht. Ohne dass sonderlich viel passiert hat Hank Green es geschafft, dass ich am Ball blieb und unbedingt wissen wollte, was es mit den Carls auf sich hat. April selbst tut nämlich zwar so, weiß aber tatsächlich auch nicht viel mehr als der Rest der Menschheit, obwohl sie von den Medien quasi als Carl-Botschafterin dargestellt wird. Okay, zugegeben stellt auch sie selbst sich so dar und nimmt diese Rolle dankend an. Jedenfalls tappt man zusammen mit April im Dunkeln und versucht das Rätsel um die Carls und was sie auf der Erde und von den Menschen wollen zu lösen. »Ein wirklich erstaunliches Ding« ist – zumindest die ersten zwei Drittel – nicht spannend im eigentlichen Sinne, hat auf mich aber dennoch eine gewisse Sogwirkung ausgeübt. Ich gebe da wie gesagt dem Erzählstil die Schuld, der dafür gesorgt hat, dass ich das Buch nicht so wirklich aus der Hand legen wollte.
Was mir an »Ein wirklich erstaunliches Ding« aber wohl am meisten gefallen hat, ist, wie Hank Green unsere heutige Gesellschaft porträtiert. Der Fokus dieses Buches liegt neben dem Rätsel um die Carls auf sozialen Medien und dem Umgang damit. April wird quasi über Nacht weltberühmt und es war definitiv interessant zu verfolgen was diese plötzliche Reichweite, die sie durch das Video und die darauf folgenden Besuche in Talkshows mit ihr gemacht haben. Hank Green stellt wunderbar die schönen, aber auch die nicht so schönen Seiten von Social Media dar, angefangen damit, dass April von ihrer Agentin dazu angehalten wird sich in der Öffentlichkeit als lesbisch und nicht als bisexuell auszugeben, über Trolle, den Drang immer alles sofort zu erfahren, der Erste und Schnellste zu sein und schlichtweg die Angst all diese vielen, vielen Follower wieder zu verlieren. Ich denke wir wissen alle wie viel Arbeit darin steckt Social Media Accounts ordentlich zu pflegen und April dabei zuzusehen, wie sie quasi süchtig danach wird eine höhere Reichweite zu erzielen, mehr Menschen zu erreichen mit dem was sie macht und dabei auch noch gut dazustehen war gleichermaßen erschreckend wie auch… relatable? Denn ja, April trifft einige, wirklich einige nicht ganz so tolle Entscheidungen, aber irgendwie konnte ich ihr das auch immer wieder verzeihen, weil ich bis zu einem gewissen Grad verstehen kann, warum sie tut was sie tut, sei es manchmal auch noch so dämlich.
Fazit?
Schließlich bleibt mir jetzt eigentlich gar nicht mehr so viel zu sagen, außer, dass »Ein wirklich erstaunliches Ding« für mich, obwohl es nicht perfekt ist und ich dem Buch „nur“ 4 Sterne gegeben habe, irgendwie gleichzeitig auch ein bisschen ein Jahreshighlight ist. Für mich war das Buch erfrischend anders; ich fand es toll wie divers dieses Buch war, wie treffend es in vielerlei Hinsicht unsere heutige Gesellschaft beschreibt und außerdem fand ich die Carls richtig spannend. Man tappt so lange im Dunkeln, weiß nicht so recht was man von diesen mysteriösen Robotern halten soll und schließlich ist man an Ende auch nicht viel schlauer. Das ist einer der Gründe, weshalb das Buch von mir nicht die volle Punktzahl bekommt, denn so genial ich es in vielerlei Hinsicht auch fand, ich habe immer noch nicht so wirklich eine Ahnung wo der Autor uns eigentlich hinführen möchte. Nichtsdestotrotz hat mir Hank Greens Debüt insgesamt richtig gut gefallen und ich bin gespannt auf den zweiten Teil. Wer sich von dem was ich geschrieben habe jetzt nicht abgeschreckt fühlt, dem würde ich das Buch wirklich ans Herz legen, weil es wirklich ein tolles Buch ist. Wenn nicht, dann lasst lieber die Finger davon.