Cover-Bild Wiesenstein
24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Belletristik - Biografischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 552
  • Ersterscheinung: 17.12.2018
  • ISBN: 9783406700613
Hans Pleschinski

Wiesenstein

Roman
Der alte Mann, eine Berühmtheit, Nobelpreisträger, verlässt mit seiner Frau das Sanatorium, wo beide Erholung gesucht haben, und wird mit militärischem Begleitschutz zum Zug gebracht. Doch es ist März 1945, das Sanatorium Dr. Weidner liegt im eben zerstörten Dresden und der Zug fährt nach Osten. Gerhart und Margarete Hauptmann nämlich wollen nirgendwo anders hin als nach Schlesien, in ihre Villa „Wiesenstein“, ein prächtiges Anwesen im Riesengebirge. Dort wollen sie ihr immer noch luxuriöses Leben weiterleben, in einer hinreißend schönen Landschaft, mit eigenem Masseur und Zofe, Butler und Gärtner, Köchin und Sekretärin – inmitten der Barbarei.
Aber war es die richtige Entscheidung? Überhaupt im Dritten Reich zu bleiben? Und was war der Preis dafür? Können sie und ihre Entourage unbehelligt leben, jetzt, da der Krieg allmählich verloren ist, russische Truppen und polnische Milizen kommen? Und das alte Schlesien untergeht?
Hans Pleschinski erzählt erschütternd und farbig, episodenreich und spannend vom großen, genialen Gerhart Hauptmann, von Liebe und Hoffnung, Verzweiflung und Angst. Er erzählt vom Ende des Krieges, dem Verlust von Heimat, von der großen Flucht, vergegenwärtigt eine Welt, die für uns verloren ist, und das Werk Gerhart Hauptmanns, auch mit unbekannten Tagebuchnotizen. „Wiesenstein“ ist die Geschichte eines irrend-liebenden Genies und einer untergehenden und sich doch dagegenstemmenden Welt. Ein überwältigender Roman.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.03.2018

Gerhart Hauptmann und seine Werke

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Der 2. Weltkrieg liegt in den letzten Zügen während der Nobelpreis-träger für Literatur aus einem Sanatorium im zerbombten Dresden fliehen muss. Mit seiner kleinen Gefolgschaft macht er sich auf den beschwerlichen ...

Der 2. Weltkrieg liegt in den letzten Zügen während der Nobelpreis-träger für Literatur aus einem Sanatorium im zerbombten Dresden fliehen muss. Mit seiner kleinen Gefolgschaft macht er sich auf den beschwerlichen Weg zu seiner alten Heimat. Es zieht ihn und seine Frau Margarete in das heimische Anwesen Wiesenstein, welches in Schlesien liegt. Ein Gebiet, in dem die russischen Kräfte kurz davor stehen die Widerstandslinien zu durchbrechen. Ist es richtig, in einer schweren Zeit, in der die Angst und Ungewissheit herrscht, den heimatlichen Gefühlen zu folgen?


Hans Pleschinski widmet sich in "Wiesenstein" dem Leben und Werken des berühmten Dramatikers und Schriftstellers Gerhart Hauptmann. Er berichtet über die letzten dramatischen Monate im Leben des Nobelpreisträgers, in denen er sein heimatliches Anwesen aufsucht und vor Ort sein Leben und seine Werke Revue passieren lässt. Der Autor bedient sich in seinem Buch einem sehr anspruchs-vollen und schwer zugängigen Schreibstil. Sicherlich ein geeignetes Stilmittel, um einem herausragenden Schriftsteller gerecht zu werden. Dies führte bei mir allerdings durchaus zu einigen Längen im Buch, die mein Durchhaltevermögen mehrfach auf die Probe stellten. Die hervorragende Beschreibung der bedrückenden und ängstlichen Atmosphäre der damaligen Zeit und der geschickte und wohldosierte Einbezug vieler Werke Hauptmanns ließen mich aber immer wieder aufmerken und weiterlesen. Spannend war die schwierige Nachkriegszeit, in der die Angst umging. Bei vielen Protagonisten fand ein Rückblick im Umgang mit der dunklen Zeit der deutschen Geschichte statt, Leider wurde mir nicht wirklich klar, wie Gerhart Hauptmann, der auch im Nationalsozialismus große Beachtung und Verehrung erfuhr, mit seiner eigenen Schuldfrage ins Gericht ging. Das Verhalten von ihm und seiner Frau war sicherlich geprägt von der ruhmreichen Zeit seines Lebens, so dass er in meinen Augen wenig Sympathiepunkte sammeln konnte.


Das Buch "Wiesenstein" ist aus meiner Sicht eine schwierige und herausfordernde Lektüre, deren Tragweite mir wahrscheinlich zum Teil verschlossen blieb. Wer sich ernsthaft und ausführlich dem großen Dramatiker und seinen Werken widmen möchte, sei dieses Buch ans Herz gelegt. Für mich gab es zu viele Längen und Wiederholungen, so dass der Funke bei mir niemals so ganz überspringen konnte. Meine Bewertung fällt daher mit drei von fünf Punkten rein subjektiv eher ein wenig niedriger aus.

Veröffentlicht am 20.03.2018

Wir wollen nur noch sein und überleben

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„Das unentschiedene Schwanken scheint eine Spezialität von ihm zu sein. Nun gut, wer wankt, gewahrt vielleicht mehr als derjenige, der stur geradeaus schreitet.“


Inhalt


Gerhart Hauptmann, ein angesehener ...

„Das unentschiedene Schwanken scheint eine Spezialität von ihm zu sein. Nun gut, wer wankt, gewahrt vielleicht mehr als derjenige, der stur geradeaus schreitet.“


Inhalt


Gerhart Hauptmann, ein angesehener und schon zu Lebzeiten berühmter Mann, flieht schwerkrank mit einem der letzten Züge aus der zerbombten Großstadt Dresden, deren Schönheit nun in Schutt und Asche liegt. Sein Ziel, welches er sehnlichst zu erreichen hofft, ist seine Trutzburg Wiesenstein, ein stattliches Gebäude, fast ein Schloss, weitab vom Kriegsgeschehen in Schlesien gelegen. Dort, so wünscht er sich, soll sein Leben enden, in Sicherheit, abgeschirmt von der Welt, die durch den Zweiten Weltkrieg derart aus den Fugen geraten ist. Mit ihm reisen seine besorgte Ehefrau Margarete, der neugewonnene und unentbehrliche Masseur Metzkow und die langjährige, treue Sekretärin Pollak. Als sie fast wie von Zauberhand die Heimat erreicht haben, beginnt Hauptmann zu genesen, bald schon sitzt er wieder als Oberhaupt des Hauses am Tisch. Doch vor der Haustür tobt die Barbarei, die Kriegsmaschinerie fährt ihre letzten Ressourcen auf und muss sich bald schon vom Endsieg verabschieden. Wiesenstein bleibt der letzte Zufluchtsort für den Nobelpreisträger und seine Bediensteten und wird doch mehr und mehr zum Gefängnis, denn nicht nur die Vorräte gehen zur Neige, sondern die Angst, wer der erste Fremde vor den Toren sein wird, treibt alle um – erstmals eine Situation, der auch Gerhart Hauptmann mit seiner Dichtung nichts mehr entgegenzusetzten weiß.


Meinung


Der in Niedersachsen aufgewachsene Autor Hans Pleschinski, selbst ein Kenner der Kulturlandschaft, weil er nicht nur Germanistik studierte, sondern auch Theaterwissenschaft, setzt sich in seinem aktuellen Roman „Wiesenstein“ absolut glaubwürdig und nah an der historischen Wahrheit mit den Ereignissen kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges auseinander. Es gelingt ihm dabei auf famose Art und Weise nicht nur ein Buch über den Dichter Gerhart Hauptmann zu verfassen, sondern auch ein schockierendes Intermezzo der letzten Kriegstage aufzuzeichnen. So dass ich zu allererst die Arbeit und die damit verbundene Recherche loben möchte. „Wiesenstein“ ist ein opulentes, ein monumentales Gesamtwerk, welches man nicht unbedingt mögen muss, um ihm dennoch Respekt zu zollen.


Der Plot kommt mit nur wenigen Protagonisten aus, die sich klar in zwei Lager spalten. Auf der einen Seite die Hausherren, also das Ehepaar Margarete und Gerhart Hauptmann, auf der anderen Seite eine Hand voll Angestellter, die unterschiedlich lange im Dienste weilen und dementsprechend mehr oder weniger Auskunft geben können über ihr Leben an der Seite der Vorgesetzten. Dabei legt der Autor großen Wert darauf, alle Protagonisten gleichermaßen mit einem persönlichen Hintergrund auszustatten, so dass es dem Leser gar nicht schwer fällt, sich die Menschen vorzustellen, die hier auf gut 500 Seiten agieren. Auffallend dabei ist die klare Zuteilung der Sympathiewerte. Denn während die Hauptmanns nach und nach immer weniger Zuspruch bekommen, empfindet der Leser für die Randfiguren schon bald viel mehr Verständnis und Entgegenkommen. Dennoch bleibt Pleschinski sehr objektiv, urteil nicht und zeigt auch, dass Hauptmann im Dritten Reich zwar beständig an seinem Prestige gearbeitet hat und seine dichterische Meinung sehr wohl und äußerst überlegt zur Verfügung stellte, innerhalb seines Refugiums aber durchaus unparteiisch blieb und vor allem der Kunst und dem geistigen Austausch einen hohen Stellenwert einräumte.


Besonders gelungen ist auch das Porträt der zerstörten Städte, das klägliche Scheitern der verbliebenen deutschen Kämpfer und die nachfolgende Barbarei, die auch den letzten Lebenswillen vieler Menschen zerstörte. In teilweise grausigen Bildern beschreibt er den Zug der Vertriebenen, der Entflohenen der Konzentrationslager oder auch die Hilflosigkeit der einfachen Bürger, die nicht mehr wissen, was sie in nächster Zukunft essen sollen. Damit rüttelt das Buch wieder einmal wach und schärft das Bewusstsein, wie vernichtend und sinnlos ein Krieg sein kann und wird, wenn man ihn erst mit einer derartigen Vehemenz initiiert.


Letztlich war es wohl der Schreibstil und die teilweise überladene Erzählweise, die mir die Freude an diesem Buch etwas genommen haben. Zunächst einmal die vielen historischen Fakten, vermischt mit den Eckdaten des dichterischen Gesamtwerkes von Hauptmann und dann noch in Kombination mit längeren lyrischen Auszügen aus dessen vielfältigen Publikationen – beim besten Willen, hier muss man nicht nur hochkonzentriert lesen, sondern wird immer wieder unschön aus den Gedankengängen herausgerissen. Hinzu kam ein mir unglücklich erscheinende Kombination zwischen einem fiktiven Roman und einem informativen Sachbuch. Dadurch das viele Fakten belegt sind und sowohl Orte als auch Personen auf Tatsachen beruhen, fehlte mir stellenweise die Leichtigkeit, die dichterische Freiheit des Autors, die interessanten Aspekte, die einen klassischen, belletristischen Roman für mich ausmachen.


Fazit


Ich vergebe 3 Lesesterne für diesen facettenreichen, sachlich orientierten Roman, der sich intensiv mit dem Krieg und auch mit dem Leben Gerhart Hauptmanns in seinen letzten Tagen auseinandersetzt. Und wenn er nicht so mühsam zu lesen gewesen wäre, hätte ich noch einen kleinen Bonuspunkt für die Schilderung eines im Umbruch befindlichen Landes gegeben. So aber bleibt es mir in erster Linie als ein herausforderndes Leseerlebnis in Erinnerung, dem ich viel Zeit gewidmet habe, ohne dass es Nachklang in mir auslöst und das ist sehr schade. Ich empfehle die Lektüre all jenen, die sich historisch oder aus Interesse mit Gerhart Hauptmann befassen möchten, die aber bestenfalls einen Bezug zu der Thematik haben sollten. Es empfiehlt sich darüber hinaus in die Leseprobe zu schauen, der Schreibstil bleibt entsprechend.

Veröffentlicht am 11.03.2018

Lebensabend zwischen Trümmern

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Gerhart Hauptmann erlebt nur wenige Kilometer von Dresden entfernt dessen blutigen Untergang in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Alt, krank und gebrechlich hat der große Autor nur noch den Wunsch ...

Gerhart Hauptmann erlebt nur wenige Kilometer von Dresden entfernt dessen blutigen Untergang in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Alt, krank und gebrechlich hat der große Autor nur noch den Wunsch nach Hause zurückzukehren und die Kriegstage zu vergessen. Eine strapaziöse Flucht bis zum Wiesenstein bringt nicht die erhoffte Erlösung. Isoliert, fasst wie im Vakuum, schreibt er in seinem Zuhause an seinem letzten großen Werk – auf den Schutz seiner Legende vertrauend, während um ihn herum der Krieg tobt. Doch Schlesiens blutigste Tage stehen noch bevor. Während Hauptmann entrückt seinen Lebensabend verbringt blutet Schlesien nach Kriegsende unter der Herrschaft der Polen und Russen aus. Kann Hauptmann mit seinem Ruf das Dorf schützen und wird ihm ein stilles Ende in seiner Heimat vergönnt sein?

Wie ein Zauberturm wirkt der Wiesenstein. Unberührt von den Kriegswirren kann man kaum entscheiden, ob Hauptmann arrogant, entrückt oder einfach nur wie ein verzweifelt Flüchtender wirkt. Die Zerrissenheit eines Autors, der feststellen muss sich selbst überlebt und verraten zu haben, lässt auch im Leser ein schlechtes Gefühl zurück. Es nimmt einem den Atem zu sehen wie ein großer Autor an seiner Zeit und seinen Entscheidungen zerbrochen ist und nur noch verzweifelt ein Leben führt, das mit Beginn des Dritten Reiches bereits vorbei war. Gescheitert an der eigenen Eitelkeit, an Kurzsichtigkeit und doch wehrt er sich mit aller Kraft eine Niederlage einzugestehen. War Hauptmann schuldig oder nur blind? Ist er arrogant oder lebt er bereits in seiner eigenen Welt an der Schwelle des Todes?

Pleschinski schafft es mit eindrucksvoller Bildgewalt die letzten schauerlichen Tage des Krieges lebendig werden zu lassen und die ersten Monate des Friedens, die immer noch von Gewalt und Tod geprägt sind. Die Zerrissenheit eines Skandalautors, der schließlich von der Öffentlichkeit, die ihn umjubelt und zu dem man sich in der Not geflüchtet hat, verdammt wurde. Fast mit Sachbuchcharakter entfaltet sich hier ein Roman, der mit seiner Objektivität und seinen Details fesselt. Er erschüttert, er lässt vieles hinterfragen und gibt vor allem einen Einblick in das Dilemma, vor dem die Menschen im Dritten Reich standen. Wie viel Anpassung zur Sicherung der eigenen Existenz ist akzeptabel? Wie viel hat man wissen, wie viel ahnen können, in einer Welt ohne Internet, mit gleichgeschalteten Medien? Wie sehr lässt man sich verführen, für ein bisschen öffentliche Anerkennung? Wie viel Kumpelhaftigkeit mit Autoritäten kann toleriert werden und sei es zum Schutz der Familie und Freunde? Das Buch wirft Fragen auf, die man nicht beantworten will.

Das Buch beeindruckt und erschüttert. Es ist sehr viel mehr als die Biographie eines zwielichtigen Autors, dessen umjubelte Fortschrittlichkeit im Expressionismus von Nazivorwürfen in der Nachkriegszeit verdüstert wurde. Gleichzeitig gibt es einen detaillierten Einblick in Hauptmanns literarisches Schaffen. Es wird aus bekannten und fast vergessenen Werken zitiert. So wird man immer weiter in das komplexe Seelenleben des zerrissenen Autors geführt. Ein Leben, das in mehr als einer Hinsicht zertrümmert wurde und zwischen Trümmern qualvoll stirbt. Wie ein Zauberturm, ein Vakuum, ragt der Wiesenstein wie die Ruine eines magischen Symbols zwischen den Trümmern herausragt – Zeugnis vergangener Größe, großen Glanzes, das trotzdem noch Schutz bietet. Dass diese Geschichte auf Tatsachen beruht, macht es umso berührender. Das Nachwort gibt einen kurzen Einblick in die Fakten, auf denen das Buch beruht einen Einblick in die Schicksale der anderen Charaktere. Nichts für schwache Nerven, hochinteressant, komplex und bildgewaltig überzeugt dieses Buch auf ganzer Linie. Ein Biographie, ein Sachbuch und doch so viel mehr. Beeindruckend und absolut lesenswert!

Veröffentlicht am 06.03.2018

Hauptmann: „Erwähnte ich, dass ich selbst ein überzeugter Kompromissler bin?“

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Hauptmann: „Erwähnte ich, dass ich selbst ein überzeugter Kompromissler bin?“ S. 331



Die Handlung beschreibt die letzten rund eineinhalb Jahre im Leben Gerhart Hauptmanns, zwischen Februar 1945, nach ...

Hauptmann: „Erwähnte ich, dass ich selbst ein überzeugter Kompromissler bin?“ S. 331



Die Handlung beschreibt die letzten rund eineinhalb Jahre im Leben Gerhart Hauptmanns, zwischen Februar 1945, nach dem Bombenangriff auf Dresden, von wo er mit seiner Begleitung flüchtet in seine geliebte Villa Wiesenstein in seiner Herkunftsregion Schlesien, heute Polen, bis zu seinem Tod am 6. Juni 1945 sowie seiner Beisetzung.

Autor Pleschinski verbindet für seinen Roman:
•die reine Handlung um die Protagonisten rund um Gerhart Hauptmann, dessen Frau Margarete und deren Entourage aus Masseur, Sekretärin, Köchin, Hausmeister etc.
•viele der Werke Hauptmanns - so ausführlich zitiert, dass sie für den Leser einzuordnen sind, geradezu eine Werkschau
•der historische Zusammenhang wird – meist bildhaft – dargestellt, die Situation im zerbombten Dresden, letzte Kriegstage, Flucht, Vertreibung, das Ende des Schlesiens, wie Hauptmann es kannte
•eine geschichtliche Einordnung, Überblicke

Genau hier liegen für mich die Stärken und Schwächen des Romans:
Mir waren von Hauptmann nur Eckdaten geläufig, ich kannte das Haus auf Hiddensee, wusste nichts von Wiesenstein. Ich kannte die „üblichen Verdächtigen“ seiner Werke. Für mich ist es eine starke Leistung, wie Pleschinski das teils in Vergessenheit geratene extrem umfängliche Werk zugänglich macht, begreifbar – eine wundervolle Einladung zur weiteren Lektüre, die Verlage nutzen dies hoffentlich sinnvoll. Problematisch ist dabei für mich aber im Gegenzug, dass einige Konversationen Hauptmanns wie Fiktion daherkommen, sich aber entpuppen als fast wortwörtlich aus seinen Werken entnommen, aber dennoch nicht als Zitate erkennbar sind (wie im Gegensatz dazu die Zitate aus seinen Werken, bei denen das Vehikel genutzt wird, dass jemand vorliest oder Korrektur gelesen wird). Ich beziehe mich zum Beispiel auf die Unterhaltung S. 59f, dies steht fast wörtlich in „Das Abenteuer meiner Jugend“, recht zu Anfang (als Leseprobe gratis im Internet), ich war zufällig darauf gestoßen. Ja, das Werk ist kein Sachbuch – aber was als Roman daherkommt, sollte für mich auch (reine) Fiktion sein, wo es sich so darstellt.

Der Stil des Romans ist durchaus speziell, wohl angenähert an das Thema. Einzelne typische Sätze sind oft sehr deskriptiv, dann fehlt anderen das Verb: „Massiv wirkte Wiesenstein. Und geräumig. Graue Quader als Fundament, Graniteinfassung um die vergitterten Fenster im Erdgeschoss.“ Dann gibt es wieder überbordend lange mäandrierende Sätze: „Annie Pollack hütete sich, schon gar in diesem Moment [d.i. die Ankunft vor Haus Wiesenstein], auf die national-euphorischen, ja nationalsozialistischen Anwandlungen – kaum als fahrlässig oder blindes Eifern zu beschönigen – des Dichters auch nur anzuspielen: Was der Führer verfügte, war besonnene Tat. – Das Hakenkreuz vor der Ostseevilla hätte er nicht hissen lassen müssen, wenn auch diese Unterwerfung oder, schlimmer noch: dieses Bekenntnis, seine Einkünfte sicherte.“ S. 81 Ich habe das Buch deshalb gefühlt mit nur etwa halber üblicher Lesegeschwindigkeit lesen können, der Stil an sich, der Wechsel zwischen fast militärisch-kurz und ausufernd, dazu der Wechsel zwischen Beobachtung der Handlung, Darstellung des Werks und Geschichtsdarstellung tat sein Übriges: ich kam aus dem Lesefluss, empfand die Wechsel als anstrengend, sie bauten Distanz auf.

Gelegentlich trat mir auch der Autor zu sehr hervor: ich lerne gerne anhand von fiktiven Romanen über etwas ODER lese ein Sachbuch; im Roman erwarte ich dafür nicht Fakten, sondern eine realistische, an Fakten orientierte Handlung, anhand derer ich die Fakten beispielhaft erlebe – so der Selbstmord der Bekannten aus Furcht vor den einmarschierenden Russen. Pleschinski stellt das einprägsam dar, dennoch liefert er darüber hinaus häufig eine Geschichtsstunde mit reinen Fakten (die Verschiebung der Grenzen Polens zum Beispiel – das sollte er seinen Lesern zutrauen, selbst wenn eventuell jemand dafür Wikipedia bemühen muss). Das wirkt auf mich steuernd, Einfluss nehmend.

Dazu tritt er in einigen Wertungen hervor: „Wann hatte es begonnen, dass man …in öffentlichen Verlautbarungen einfach geduzt wurde? … Wünschen Sie den totalen Krieg? – Das ohrenbetäubende „Ja!“ wäre gewiss schütterer ausgefallen.“ S. 32f Die Bemerkung an sich finde ich originell, doch insgesamt ist mir das alles etwas zu viel, teils zu gewollt. Da wird dieses Monumentalwerk geschrieben, doch gleichzeitig wird dessen Objekt vorgeführt als in einer Blase lebender Opportunist mit starkem Standesbewusstsein – sicherlich auch, aber speziell die damaligen Standesunterschiede waren gewiss nicht untypisch und allein ein Kokon von Bewunderern hat bis heute andere Prominente weiter in ähnlichen Blasen leben lassen. Rechtfertigt das die Anbiederung an die jeweiligen Machthaber? Nein, aber ich kenne jetzt hauptsächlich die Darstellung nach Pleschinski und ein wenig Wikipedia.

Überaus amüsant fand ich hingegen die Passagen über den Kleinkrieg mit Mann oder die Darstellung der völligen Ignoranz der Hauptmanns bei Besuchen der polnischen oder russischen Machthaber, das Hofhalten als Teil einer untergegangenen Welt.

Zusammenfassend fühle ich mich beeindruckt davon, wie tief in die Materie Autor Hans Pleschinksi eingetaucht ist, wie stark er Hauptmanns Werk integrierte und sich stilistisch anpasste. Ich hätte mir etwas mehr Distanz gewünscht hinsichtlich des eigenen Hervortretens und Kommentierens, konnte mit der wohl gewollten Distanz zu den Figuren jedoch durchaus umgehen und habe viel gelernt. Die Lektüre wird sicherlich bei mir weitere Lektüren bedingen, Hauptmann selbst (wobei die späteren Werke eher abschreckten). 4 Sterne

Veröffentlicht am 01.03.2018

Lebensansichten

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Im gerade zerstörten Dresden, geschwächt von Krankheit, macht sich Gerhart Hauptmann auf um zurück nach Schlesien zu kommen, da wo sein Anwesen Wiesenstein steht. Doch auch in dieser Abgeschiedenheit lässt ...

Im gerade zerstörten Dresden, geschwächt von Krankheit, macht sich Gerhart Hauptmann auf um zurück nach Schlesien zu kommen, da wo sein Anwesen Wiesenstein steht. Doch auch in dieser Abgeschiedenheit lässt sich der Krieg und seine Auswirkungen erahnen.

Das Cover zeigt eine Teilansicht von Wiesenstein mit erleuchtetem Fenster, was zwar eine zurückhaltene Gestaltung ist, die aber trotzdem ins Auge fallen kann.

Als Leser blickt man mehreren Charakteren über die Schulter und wohnt ihrem Tun bei, ohne das einer davon als zentraler Erzähler in Erscheinung tritt. Man verfolgt die Ereignisse eher von einer übergeordneten Warte aus.
Da die handelnden Personen auf und um Wiesenstein zum Großteil historisch verbrieft sind, hatte der Autor nur bedingten Spielraum um Charaktere und Handlung zu beeinflussen. Was jetzt auf Tatsachen beruht und was dem Kopf Pleschinskis entsprungen ist, mag ich nicht zu beurteilen, aber seine Darstellung der einzelnen Charaktere ist gelungen, auch wenn sie sich zu Anfang nur schwer greifen ließen. Sei es Gerhart Hauptmanns etwas seltsame Art, die Angst des Dienstmädchens oder Gärtner Dorn im Umgang mit seinen Blumen.

Auch die Schrecken der damaligen Zeit hat Pleschinski sehr bildhaft und sprachgewaltig verdeutlicht, ohne etwas schön reden zu wollen oder zu verharmlosen. So liest man über den Krieg, seine Gräuel, Auswirkungen und Nachwirkungen. Über Flüchtlinge, Überlebende, Heimkehrer und Deportierte. Über Besetzung und neue Machthaber.

Sprachlich ist das Buch keine leichte Kost. Mal ist es packend und mitreißent geschrieben, dann wieder zieht sich der Text zäh wie Kaugummi. Mal sind die Darlegungen klar verständlich, dann wieder von schwerer, verschachtelter Sprache voller Gedankensprüngen durchdrungen, denen man manchmal nur schwer folgen kann.

Das Buch lässt mich zwiespältig zurück. Auf der einen Seite hat Pleschinski es geschafft Zeit und Personen sprachbildlich sehr überzeugend darzustellen. Auf der anderen Seite verlagte das Lesen einem viel Geduld und Durchhaltevermögen ab.