Willkommen im Mostviertel
Mit "Mostbarone" schickt Helmut Scharner den aus den Vorgängerbänden bereits bekannten Kommissar Brandner vom LKA Niederösterreich, zu einem Mord nach Neuhofen an der Ybbs. In der Zwischenzeit wurde Brandner ...
Mit "Mostbarone" schickt Helmut Scharner den aus den Vorgängerbänden bereits bekannten Kommissar Brandner vom LKA Niederösterreich, zu einem Mord nach Neuhofen an der Ybbs. In der Zwischenzeit wurde Brandner vom Kommissar zum Major befördert.
Diesmal geht es sprichwörtlich um den Most, der im niederösterreichischen Mostviertel, in dem auch ich lebe, das "Nationalgetränk" ist. Naja, nicht ganz...es ist eigentlich die Mostbirne aus der man nicht nur den Most, sondern auch Fruchtsäfte, Edelmost, Schnaps, Birnen-Frizzante oder auch Essig herstellen kann. Diese Produkte werden von den Bauern bei Mostheurigen oder auch "Ab Hof" verkauft. Zu den ausgewählten Höfen, die ganz besonders gute Qualität liefern, gehören die Mostbarone. Und genau so einer liegt tot vor seinem Hof - erschlagen mit einer Mostflasche eines Konkurrenten. Der Tote ist noch dazu der Primus der Mostbarone, Franz Haider. Seine Frau verdächtigt sofort einen Kontrahenten, mit dem ihr Mann erst vor kurzem einen Streit hatte. Die Mordwaffe trägt zusätzlich noch das Logo des Bauern. Aber wäre das nicht zu offensichtlich?
Brandner erfährt, dass der Ermordete sich in seinem Amt als Vereinsprimus nicht nur Freunde gemacht hat und er scheint obendrein eine Affäre gehabt zu haben. Die Verdächtigen werden immer mehr und Brandner beginnt zu ermitteln....
Der Regionalkrimi spielt im Sommer 2020 und Helmut Scharner hat die Corona Pandemie ebenso in die Geschichte miteinfließen lassen, wie auch die Reisebeschrämkungen. Letztere bringen die geplante Urlaubsreise von Branders Familie gehörig durcheinander. Seine beiden Teenagertöchter wollten nach Mallorca ans Meer, doch nun ist Österreichurlaub angesagt. Im Westen und im oberösterreichischen Seengebiet gibt es so kurzfristig keine freien Zimmer mehr und so bucht Brandners Frau Eva eine Woche in einem Hotel mit Pferdegestüt unweit der Blindenmarkter Auseen. Sie ahnt nicht, dass ihr Mann genau in dieser Gegend ermittelt.
Ich bin gut in den Krimi eingestiegen und liebe es, wenn ich die Orte kenne, die der Autor im Buch beschreibt. Nach dem ersten Mord geht es zuerst um Befragungen und um das Motiv. Man beginnt als Leser fleißig mitzuraten und stellt nacheinander seine eigenen Hypothesen auf. Die Handlung bewegt sich eher gemächtlich und beginnt nach den ersten 120 Seiten etwas zu schwächeln. Die Gedanken von Brandner und seiner Familie, die in kursiver Schrift dargestellt werden, haben mich eher im Lesefluss ausgebremst bzw. wurden mir zu oft eingesetzt. Das Privatleben des Majors und seiner Familie war mir diesmal zu präsent und hat leider die Ermittlungen in den Hintergrund gestellt. Doch ab der Mitte des Krimis beginnt die Geschichte langsam eine überraschende Wendung zu nehmen und wird immer spannender. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und habe den Rest in einem Rutsch durchgelesen.
Helmut Scharner gelingt es nach dem Durchhänger in der Mitte einige spannende Wendungen einzubauen. Der Krimi gewinnt an Fahrt und endet in einem tollen Showdown. Die Auflösung des Falles konnte mich auf jeden Fall überzeugen.
Schreibstil:
Helmut Scharner schreibt flüssig und sehr dialoglastig. Die Kapitel sind kurz gehalten und am Kapitelanfang findet man Ort, Datum und Uhrzeit. Es gibt auch Kapitel, die einige Wochen vor der Tat spielen und in Rückblenden erzählt werden. Wechselnde Perspektiven sorgen für Dynamik.
Der Regionalkrimi ist atmosphärisch und birgt viel Lokalkolorit. Leser, die nicht aus der Gegend kommen, erfahren zusätzlich mehr über die Herstellung von Most und über die Rituale rund um die Mostbarone. Einiges davon war auch mir neu ;)
Fazit:
Ein eher gemächtlicher Regionalkrimi, der im letzten Drittel aber sehr an Fahrt aufnimmt und mit einem tollen Ende glänzt. Bis dahin empfand ich allerdings das Privatleben des Ermittlers als zu präsent. Als Mostviertlerin hat mir natürlich das Lokalkolorit sehr gefallen und ich freue mich auf weitere Krimis aus meiner Gegend.