Ein Roman über eine Wohngemeinschaft, in der vier Menschen unterschiedlichen Alters aus unterschiedlichen Motiven zusammenleben und feststellen: Freunde sind manchmal die bessere Familie.
Constanze zieht nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten in die Wohngemeinschaft von Jörg, Anke und Murat. Was zunächst als Übergangslösung gedacht war, entpuppt sich als zunehmend stabil. Da ist Jörg, dem die Wohnung gehört und der eine große Reise plant; Anke, die als mittelalte Schauspielerin kaum noch gebucht wird und plötzlich nicht mehr die einzige Frau in der WG ist; und Murat, der sich einfach keine Sorgen machen will und dessen Lebenslust auf die anderen mitreißend und manchmal auch enervierend wirkt. Constanze sorgt als Neuankömmling dafür, dass sich die bisherige Tektonik gehörig verschiebt. Alle vier haben ihre eigenen Träume und Sehnsüchte und müssen sich irgendwann der Frage stellen, ob sie eine reine Zweck-WG sind oder doch die Wahlfamilie.
In diesem virtuos komponierten, lebensklugen und humorvollen Roman kommen reihum vier grundverschiedene Menschen zu Wort, die jeweils auf ihre Weise ihre Lebensentwürfe neu justieren müssen.
Von der Schriftstellerin Isabel Bogdan habe ich schon einiges gelesen.
Der neue Roman, Wohnverwandtschaften, ist ihr gut gelungen. Die Figuren hätten etwas mehr Tiefe vertragen, aber das tut dem Lesevergnügen ...
Von der Schriftstellerin Isabel Bogdan habe ich schon einiges gelesen.
Der neue Roman, Wohnverwandtschaften, ist ihr gut gelungen. Die Figuren hätten etwas mehr Tiefe vertragen, aber das tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch.
Vier Personen wohnen gemeinsam in einer Wohnung. Der Besitzer Jörg ist der Älteste. Dann ist da die arbeitslose Schauspielerin Anke und Murat, der oft das Kochen übernimmt. Die Kinderzahnärztin Constanze kommt als Letzte dazu.
Die Autorin hat den Ablauf sehr gut hinbekommen. Es gibt immer wieder die Namen der Personen, die mit prima Dialogen versehen sind. Das macht das Lesen besonders einfach und perfekt.
Es ist interessant gemacht, wie das Zusammenleben gelingt. Als Jörg dann plötzlich erkrankt halten all zusammen.
Murat ist eine patente Figur , der mit tollen Gerichten brilliert. Das man Rotkohl mit Sauerkirschen mischt war mit neu und ich habe gleich nach einem Rezept gegoogelt.
Der Roman war unterhaltsam und konnten mich fesseln.
Wohngemeinschaften gab es unfreiwillig nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland durch Zwangseinquartierungen. Ab den 1960er-Jahren entdeckten Studierende diese Wohnform für sich. Angesichts explodierender ...
Wohngemeinschaften gab es unfreiwillig nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland durch Zwangseinquartierungen. Ab den 1960er-Jahren entdeckten Studierende diese Wohnform für sich. Angesichts explodierender Mieten, Wohnraumknappheit, steigender Zahl von Singlehaushalten und fehlender Heimplätze gibt es sie inzwischen für jedes Alter, jede Lebenssituation und jeden Geldbeutel.
3+1=4
In der Hamburger WG im neuen Roman "Wohnverwandtschaften" der Übersetzerin und Autorin Isabel Bogdan leben vier mitten im Leben stehende Erwachsene aus ganz unterschiedlichen Motiven. Jörg, Rentner Ende 60, kann das Geld aus der Vermietung für seine geplante Reise mit dem Bulli nach Georgien gut gebrauchen und hat sich nach dem Tod seiner Frau wieder Leben in die Wohnung geholt. Anke lebt seit mittlerweile mehreren Jahren bei ihm und wird von Zukunftsängsten geplagt. Sie war einst eine erfolgreiche Schauspielerin, leidet nun aber sehr unter den fehlenden Rollenangeboten für Frau über 50. Murat, ebenfalls um die 50, Fachmann für IT und Deutschtürke aus Köln, ist der Sonnyboy der WG, kocht gern für alle, liebt seinen Schrebergarten, den FC St. Pauli, seinen großen Freundeskreis und seine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner. Er ist es auch, der die jüngere, nicht ganz so lockere Zahnärztin Constanze als Vierte im Bunde anheuert. Frisch getrennt, sieht sie die WG als Notlösung und Zwischenstation. Mit ihrem Einzug im Januar 2022 setzt der Roman ein:
"Neues Zuhause. Übergangsweise. Irgendwann werde ich ja eine eigene Wohnung finden, ein richtiges Zuhause. Meins. Ach, Mist. Ich hatte doch schon mal eins." (S. 7)
Eine Zerreißprobe
Abwechselnd erzählen in den kurzen Kapitel die vier WG-Mitglieder von ihrem Alltag, chronologisch und mit genauer Angabe von Wochentag und Datum. Dazwischen gibt es Abschnitte mit mehreren Personen und Dialogen ähnlich einem Theaterstück. Je weiter der Roman fortschreitet, desto mehr Kapitel kommen aus der Sicht aller, denn nach Jörgs Blinddarmoperation ist er nicht mehr derselbe und der WG-Alltag wird zunehmend auf den Kopf gestellt. Abhängig von ihrem Charakter gehen Anke, Murat und Constanze zunächst verschieden damit um und brauchen unterschiedlich lang, um die Tragweite der Veränderung zu begreifen. Aber eins ist klar: Sie lassen ihren vierten Mann nicht im Stich.
Leicht und warmherzig
"Wohnverwandtschaften" ist mit seinem Anklang an Goethes "Wahlverwandtschaften" eine einfallsreiche Wortneuschöpfung mit Potential für eine Aufnahme in den Duden. Zwei Jahre lang, bis Silvester 2023, verfolgen wir lesend die Ereignisse in der WG, Fortsetzung nicht ausgeschlossen. Isabel Bogdan schreibt leicht, amüsant und mit viel Empathie für ihre Figuren über ein Zusammenleben, das mir allerdings bei so unterschiedlichen Charakteren ein wenig zu konfliktfrei und harmonisch ablief. Ich hätte mir auch gewünscht, dass Anke, Constanze und Murat sich in ihrer Sprache mehr unterschieden hätten, wie es bei Jörg sehr gut gelungen ist. Als warmherziger Wohlfühlroman über wachsende Freundschaft und geteilte Verantwortung liest sich das Buch jedoch gut. Noch besser allerdings kann ich mir den Text aufgrund seiner innovativen Struktur in der Hörfassung, auf der Bühne oder im Film vorstellen.
Als Zahnärztin Constanze nach der Trennung von ihrem Freund schnell eine neue Unterkunft braucht, zieht sie in die WG des reiselustigen Rentners Jörg, der Schauspielerin Anke und des lebenslustigen und ...
Als Zahnärztin Constanze nach der Trennung von ihrem Freund schnell eine neue Unterkunft braucht, zieht sie in die WG des reiselustigen Rentners Jörg, der Schauspielerin Anke und des lebenslustigen und stets optimistischen Murat. Nur vorübergehend, ist sie überzeugt. Sie ist schließlich schon eine Weile aus dem Studentinnenalter raus, die WG ist zweckmäßig und kostensparend, gerade im teuren Hamburg, wo günstige Wohnungen eher Mangelware sind. Doch der Titel von Isabel Bogdans Roman "Wohnverwandtschaften" macht schon klar: es kommt anders.
Aus Fremden werden Freunde, aus Freunden eine Wahlfamilie. Auch wenn sich manches erst einmal einspielen muss. Anke freut sich einerseits, nicht mehr die einzige Frau zu sein, fühlt aber auch Eifersucht, als sie vermutet, dass Constanze und Murat eine gemeinsame Nacht verbracht haben. Gerade, weil sie in ihrem Beruf mit 50 plus plötzlich nicht mehr gefragt ist mit Rollen. Die finanziellen Probleme sind da nur ein Aspekt, auch Ankes Selbstwertgefühl bricht zusammen.
Zur Wahlfamilie werden die Jüngeren auch für Jörg, den verwitweten Wohnungsbesitzer. Sein Sohn und dessen Familie leben in Südfrankreich, da sieht man sich nicht so oft. Und bekommt auch nicht mit, was vor allem Constanze und Anke zunehmend auffällt: Jörg wiederholt sich oft, wird vergesslich. Ist er einfach nur zerstreut, oder steckt mehr dahinter? Murat, der sorglose Sonnenschein der WG, spielt die Sorgen der beiden herunter, bis die Auffälligkeiten offensichtlich werden. Und auch Jörg, anfangs genervt von den Vorschlägen der Mitbewohnerinnen, sich doch mal untersuchen zu lassen, merkt, dass etwas nicht mehr stimmt.
Leicht geschrieben, aber mit ernsten Tönen, geht es in Bogdans Buch um Beziehungsprobleme, Altersdiskriminierung und Demenz, aber auch um Freundschaft, Fürsorge, Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Die Balance zwischen Humor und Ernst wird gut gehalten. Dabei werden die kurzen Kapitel aus der Perspektive jeweils eines der WG-Bewohner, manchmal auch als Beschreibung der Gedanken und Gefühle aller geschildert. Unsentimental und warmherzig macht Bogdan ihre Leser*innen zu Mitbewohnern der WG, die ich gerne durch das Buch begleitet habe.
Als Studentin habe ich in einer WG gelebt. Muss man mal mitgemacht haben. Muss man nicht wiederholen. Dachte ich.
Denn Isabel Bogdan holt uns in ihrem neuen Roman in eine ganz besondere Wohngemeinschaft. ...
Als Studentin habe ich in einer WG gelebt. Muss man mal mitgemacht haben. Muss man nicht wiederholen. Dachte ich.
Denn Isabel Bogdan holt uns in ihrem neuen Roman in eine ganz besondere Wohngemeinschaft. Keine Studis leben hier beieinander, sondern vier Erwachsene, die an unterschiedlichen Punkten im Leben stehen. Constanze ist frisch getrennt, Anke bekommt als Schauspielerin keine Aufträge mehr, Jörg beginnt sich in die Demenz zu verabschieden und Murat? Nun, Murat ist einfach nur wunderbar.
Wir begleiten die ungewöhnliche Zweckgemeinschaft vom Tag von Constanzes Einzug an und müssen berührt feststellen, dass dieser Zweck der Gemeinschaft nicht nur aus einer bloßen Beherbergung besteht, sondern aus so viel mehr: Mehr Menschlichkeit, mehr Fürsorge, mehr Miteinander.
Der Roman wechselt in die vier Sichtweisen der vier Bewohner, so dass wir jedem einmal in den Kopf schauen können. Zwischendurch wird dies durchbrochen und es gibt theaterartige Szenen und reduziert sich an diesen Stellen vor allem auf die Kommunikation der Akteure. Zu manchen Bewohnern bin ich auf Distanz geblieben, andere habe ich direkt ins Herz geschlossen.
Wie im wahren Leben gab es Längen, gab es Aufregung, aber auch berührende Dialoge und ich bin der ruhigen Erzählweise gerne gefolgt.
Constanze zieht neu in die eingespielte Wohngemeinschaft von Jörg, Anke und Murat ein. Jörg ist bereits in Rente, Witwer und ihm gehört die Wohnung in Hamburg. Er möchte demnächst mit seinem Bulli nach ...
Constanze zieht neu in die eingespielte Wohngemeinschaft von Jörg, Anke und Murat ein. Jörg ist bereits in Rente, Witwer und ihm gehört die Wohnung in Hamburg. Er möchte demnächst mit seinem Bulli nach Georgien reisen, da kommt eine weitere Untermieterin gerade recht.
Nach den ersten paar Seiten war meine große Befürchtung, dass es ein vor sich hinplätschernder Wohlfühlroman wird. Das ist es nicht geworden, so viel sei hier schon mal gesagt. Isabel Bogdan nimmt sich die Zeit, das Beziehungsgefüge innerhalb der Wohngemeinschaft aufzubauen. Man lernt langsam die einzelnen Charaktere kennen. Hier lässt sie jede einzelne Person ein Stück in der Ich-Form erzählen. Dadurch braucht es etwas, um hineinzukommen in die Geschichte.
Gleichzeitig ist es eine gute Wahl, die Geschichte so zu erzählen, denn so bekommt man Einblick in die unterschiedlichen Gedanken und Gefühle der einzelnen Personen. Wie empfinden sie sich gegenseitig? Sind sie alle so, wie die anderen sie wahrnehmen oder gibt es etwas, was sie einander nicht sagen?
Einer meiner Lieblingscharaktere ist Murat. Er ist so ein angenehm angelegter Protagonist, mit sich im Reinen und das merkt man ihm an. So ein Mensch, dem es Freude bereitet, anderen eine Freude zu bereiten, ohne etwas dafür zurückzubekommen. Aber er ist nicht nur der ewige Gute-Laune-Bär, Murat kann auch ernsthaft. Ich mag ihn, er beschreibt sich selbst als das Wasser, das den Teig geschmeidig hält.
Jörg ist nach seiner OP das Sorgenkind der WG, er war direkt nach der Operation sehr verwirrt und wird danach nicht wieder der Alte. Er vergisst immer mehr und die anderen machen sich so ihre Gedanken, schließlich ist er zwar schon im Rentenalter, aber noch unter 70. Die Befürchtungen bestätigen sich und es steht fest, dass Jörg nicht einfach nur vergesslich ist. Aus der Wohngemeinschaft wird eine Wahlverwandtschaft.
Constanze, Murat, Anke – sie tun, was sie können, aber auch sie kommen an ihre Grenzen und haben ihre eigenen Lasten zu tragen.
Alle gehen am Stock, auch Murat und Constanze, denn sie arbeiten ja Vollzeit und können Anke nicht viel abnehmen, was natürlich auch die Freundschaft belastet. Man leidet mit, wie sie dabei sein müssen, wir ihr Freund immer weniger wird. Gleichzeitig spürt man beim Lesen, wie viel Liebe da ist. Sie sind wie eine Familie und füreinander da. Es ist so, wie es in einer Familie sein sollte und oft nicht ist.
Es mag für die einen nach einer vielleicht nicht ganz realistischen Geschichte klingen, weil es schon recht harmonisch ist, es sind nette Menschen, die da miteinander leben, man wünscht sich genauso so eine Wohngemeinschaft, die so funktioniert. Und warum auch nicht? Wohngemeinschaften werden vermutlich immer beliebter werden auch unter älteren Erwachsenen
Isabel Bogdan hat ein ernstes Thema gut aufbereitet und es ist trotzdem ein wenig Wohlfühllektüre, denn es ist dieses schöne Gefühl da, dass sich da Menschen auserwählt haben, die einander gut tun und auch in schlechten Zeiten da sind. Keine Angst, es trieft nicht vor Kitsch – man hat nur Lust, am Tisch zu sitzen und mit den anderen das leckere Essen von Murat zu essen, zu lachen und zu reden.