Tschechien im Hochsommer. Zwei junge Männer finden beim nächtlichen Bad ein Auto am Grund des Sees, darin einen toten Mann. Osvald Zapletal ist Polizist gewesen – da sollte der ermittelnde Kriminalrat Marián Holina hauptsächlich Kriminelle als Täter vermuten. Doch Zapletal hatte „besondere Methoden“, Leiche, Wohnung und Auto ergeben überraschende Hinweise und somit haben Holina und Neuling Diviŝ Mrŝtík bald mehr Verdächtige und Verdachtsmomente, als ihnen lieb ist.
Dieser klassische Whodunnit ist in Prag und Umgebung angesiedelt, mit dem entsprechenden Lokalkolorit gerade bezüglich des Essens (ich habe selten so viel Appetit auf Knödel in allen Geschmacksrichtungen gehabt wie durch die Begleitung des permanent Hörnchen-bewertenden Holina). Dabei wird auch auf die Nuancen eingegangen, Holina ist gebürtiger Slowake mit einigen ungarischen Vorfahren, der nun einmal in Tschechien arbeitet – somit erfährt der Leser gängige Vorurteile (was mir im Gegensatz zu politisch korrekt überarbeiteten ähnlichen Werken dann vielleicht als „unschön“, aber doch realistisch erscheint). Da werden dann tschechische Wörter und ganze ungarische Sätze unübersetzt eingeworfen – ich hätte mir Fußnoten gewünscht, aber es gibt ja Google.
Mit den Namen tat ich mich überraschend wenig schwer, eher mit der für mich völlig ungewohnten Setzung von Akzenten – und wie spricht man das aus, was für einen Deutschen als gewisser Mangel an Vokalen erscheint?? Die Handlung folgt den Ermittlern bei der Fußarbeit, bei der Zusammenarbeit mit diversen Kollegen (Spurensuche, Obduktion,…), bei der Fall-Diskussion und, für Holina, in Ansätze des Privatlebens. Zwischendurch wechselt die Perspektive zum Umfeld des Toten, wodurch der Leser permanent einen Wissensvorsprung hat. Das lässt sich gut und oft humorig lesen, ist aber vielleicht das einzige Manko des Buches: ich hatte das Gefühl, zu viel zu wissen. Und wer Krimis regelmäßig liest, hat natürlich eine Vorstellung, was Tagebuchauszüge aus Täterperspektive zu bedeuten haben oder vorgesetzte Kapitel aus der Vergangenheit. Hier sind sie vielleicht ein Wink mit etwas zu vielen Zaunpfählen.
Darüber hinaus erprobt der Kriminalrat gerade, sich verliebt zu haben und die Anwendung der Astrologie als Teil der Tat-, Täter- und Opferpsycholgie. Ich kann mit Astrologie eher wenig anfangen, finde aber ihre Passung auf Charaktereigenschaften der verschiedenen Sternzeichen mindestens unterhaltsam, häufig verblüffend (also wirklich die eher groben Astrologie-Zusammenfassungen). Das hier eingesetzte Wissen ist wohl recht in die Tiefe gehend – ich hatte so ein wenig das Gefühl wie bei „Star Trek“, die Delizium-Kristalle in der xy-Matrix sind dingens-giziert: ich verstand nix. Das muss man mögen oder es zügig überlesen, ich bin da etwas gespalten. Der Schreibstil und die Personenzeichung gefielen mir – ansonsten hat mich das Ende unerwartet überrascht hinsichtlich der Tatausführung, während mir der Täter schon etwas früh im Sinn war. Bei den speziellen Methoden bin ich eher unglücklich darüber, dass hier ein System entdeckt wird, wie es ähnlich Männer vom Kaliber Harvey Weinsteins praktizierten – sexuelle Straftaten inklusive. Jeder Ermittler sieht hier nach der x-ten Aufdeckung jedoch nicht zuerst potentielle Opfer in den Frauen aus dem Umfeld, sondern vermutet durchgängig Liebesbeziehungen. Das Männer- und Frauenbild mag ich dann so nicht wirklich – oder soll mir das auch einen Einblick in das moderne Tschechien vermitteln?
Ich würde einen zweiten Band gerne lesen wollen, dabei aber schlicht einen Hauch mehr erwarten. Ansonsten war es schön, mal einen Krimi abseits der üblichen Verdächtigen zu lesen, der den Fokus auf eines der anderen europäischen Länder lenkt.
Verdiente 4 Sterne.
Die Musik zum Buch:
Jazz von Jaroslav Ježek https://www.youtube.com/watch?v=GQn2HHt59sU&start_radio=1&list=RDEMcu3e-Xp2wXj0e83hhAKNpw