„Ja. Ganz genau. Das bin ich. Nichts wird je wieder gut sein, nicht so, wie es mal war, aber ich gewöhne mich daran. Vielleicht werde ich doch noch ein normales Leben bekommen.“ Libby S.99
Libby ist ein kein normaler Teenager. Ihre Mutter ist gestorben, als sie noch klein war. Unter diesem Verlust hatte sie so sehr gelitten, dass ihre Bücher, ihr Zimmer und das fortwährende Essen die Hauptbestandteile ihres Lebens wurden. So sehr, dass sich Libby irgendwann nicht einmal mehr aus dem Bett bewegen konnte und letztendlich aus dem Haus geschnitten werden musste. Doch all das ist ein gefühltes ganzes Leben her. Nun geht Libby wieder zur Schule und erlebt viele Hänseleien der Mitschüler hautnah. Doch wenn sie eines gelernt hat im Krankenhaus, dann stark zu sein und sich nicht unter kriegen zu lassen.
Jack ist hübsch, hat immer einen frechen Spruch drauf und kommt bei den Mädels gut an. Leider kann er nicht seine eigene Freundin von all diesen Mädels unterscheiden, denn er ist gesichtsblind. Doch niemand weiß davon. Niemand, außer Libby. Aber sich mit einem dicken Mädchen abzugeben ist eigentlich ein no-go für seinen sozialen Status, aber irgendetwas an diesem Mädchen fasziniert ihn und in ihrer Nähe kann er die Sonne auf der Haut spüren.
„Stell dir vor, dass ich dich liebe“ erschien 2016 im englischen Original „Holding up the universe“ und erhielt den Goodreads Choice Awards in der Kategorie Best Young Adult Fiction. Das Cover ist in einem grellen pink gehalten, was mich im Geschäft wahrscheinlich nicht unbedingt zum Kaufen angeregt hätte, genauso wenig wie der deutsche Titel. Es klingt nach einer Menge Kitsch und Klischee. Die Autorin hat es aber dennoch geschafft in diesem Buch das Thema Übergewicht und Mobbing bei Teeangern sehr gefühlvoll miteinander zu verknüpfen, so dass es nur hin und wieder in das Klischeehafte abdriftet. Es wechseln sich Libby und Jack in ihren Erzählungen ab. Zum Teil geben beide die gleiche Situation aus ihren Blickwinkeln wieder, manchmal auch nur ihre eigenen Gefühle dem anderen gegenüber. Es liest sich oftmals wie ein Tagebuch, wodurch man als Leser das Gefühl hat direkt in die Handlung mit einbezogen zu werden. Es finden auch immer wieder einmal Zeitsprünge statt in die jeweilige Kindheit der beiden Protagonisten, der Lesefluss wird dabei aber nicht gestört. Trotz seiner Dicke von 462 Seiten, liest sich das Buch sehr schnell, was auch dem Umstand zu verdanken ist, dass nicht immer alle Seiten beschrieben sind.
Besonders gut gefallen hat mir Libby´s Umgang mit ihrem Körpergewicht und ihrer Weigerung nur wegen der Wünsche anderer sich auf Modelmaße herunter zu hungern. Sie steht zu ihrem Körper, und zeigt dabei wie wichtig, aber auch schwierig es für Kinder und Teenager von heute ist damit klarzukommen. Die Autorin beleuchtet auch die Schattenseiten von Übergewichtigkeit, und was es für Folgen für den Körper haben kann. Ebenso wird das Thema Mobbing aufgegriffen und auch hier merkt man die Feinfühligkeit der Autorin. Auch die Krankheit Prosopagnosie, auch Gesichtsblindheit genannt, wird von der Autorin sehr gut beschrieben und in der Handlung umgesetzt. Man merkt, dass Sie sich vorher ausgiebig mit dieser Krankheit auseinander gesetzt hat und somit gelingt es ihr authentische Situationen zu beschreiben, die für Betroffene alltäglich sind.
Natürlich kommt auch das Thema Liebe nicht zu kurz, doch es ist meiner Meinung nach nicht übermäßig romantisch und kitschig umgesetzt. Eher erlebt man ein vorsichtiges Herantasten aneinander von Libby und Jack und kann ihren Schmetterlingen im Bauch beim Herumwirbeln zuschauen. Hier und da hat man aber das Gefühl die Story schon einmal gelesen zu haben, aber letztendlich bleibt das irgendwann nicht mehr aus, wenn man schon mehr in diesem Genre gelesen hat.
Alles in alle ist „Stell dir vor, dass ich dich Liebe“ ein sehr gefühlvoller und ehrlicher Roman über zwei Menschen, die so unterschiedlich sind, dass sie eigentlich nichts anderes als zusammenpassen müssen.