Jo Nesbo – Durst
Harry Hole unterrichtet zur Zeit an der Polizeiakademie, sein Leben sollte entspannter werden, die Zeit will er mit seiner Ehefrau verbringen und die täglichen Gedanken an den Alkohol sollen in Grenzen gehalten werden, doch sein beschauliches Leben wird bald auf den Kopf gestellt, als man ihn zu einem neuem Fall hinzuzieht.
Eine grausam zugerichtete Frauenleiche und eine Online-Dating App scheinen die ersten Anhaltspunkte auf den Mörder zu sein. Schon bald beginnt ein grausames Katz- und Maus-Spiel in dem der Serientäter eine Spur der Verwüstung und noch mehr Leichen hinterlässt.
Wird Harry Hole diesmal den Täter stellen können und was macht es mit dem Seelenfrieden des Polizisten?
„Durst“ ist mein zweites Buch des Autoren (Blood on Snow, Der Auftrag), und somit auch mein erstes Buch aus der Harry Hole-Reihe. Hier war die Leseprobe so spannend, sodass ich mich auf die lange Warteliste der Bibliothek habe setzen lassen.
Der Schreibstil ist locker, flüssig, vielleicht manchmal etwas zu detailliert und langatmig, aber dennoch lässt sich das über 600 Seiten starke Werk recht gut durch die Kapiteleinteilung lesen.
Die Grundidee ist interessant und erschreckend, die Umsetzung allerdings ist grausam, brutal und in vielerlei Hinsicht übertrieben inszeniert. Ich will ja gar nicht abstreiten, dass Serienkiller anders ticken als die breite Masse, dass sie zu unvorstellbaren Grausamkeiten fähig sind, das es nichts gibt, was es nicht gibt, dennoch wirkte mir gerade die Darstellung der Leichen und ihre durchlittenen geballten, höllischen Qualen einfach nur grausam. Mit Lesegenuss hatte das für mich wirklich nichts mehr zu tun, und obwohl ich nicht wirklich zart besaitet bin, wurde mir doch bei der einen oder anderen Szene schlecht, sodass ich mich aufs „tagsüber“ lesen, beschränken musste.
Ich denke, hier hätte es man auch bei der einen oder anderen Andeutung belassen können und nicht in solch schillernden Ausschweifungen in jeder Einzelheit beleuchten müssen.
Die Spannung wird immer wieder aufgebaut, fällt aber auch zwischenzeitlich ins bodenlose, was es schwierig macht, das Buch in längeren Sitzungen zu lesen.
Inhaltlich ist die Message des Autoren klar: Menschen sind zu allem fähig, und nicht selten weiß man, ob selbst der Protagonist auf der „richtigen Seite“ des Lebens steht. Natürlich ist mit der Online Dating-Idee auch hier eine der gefürchtesten Ängste wahr geworden, jeder sollte die Gefahr kennen und wissen, dass in der Anonymität des Internets sich alles mögliche verstecken kann.
Die Grundstimmung der Geschichte ist sehr düster und beklemmend, sehr depressiv aber auch stark emotional aufgeladen. Hier erlebt der Leser ein Gefühlswirrwarr, das seines gleichen sucht.
Schauplätze, Handlung und Charaktere werden detailliert und bildhaft vom Autoren ausgearbeitet. Viele der Figuren wirken facettenreich und lebendig, was sie aber nicht unbedingt sympathischer macht.
Mit Harry Hole konnte ich nur schwer warm werden, er ist ein Ermittler mit Ecken und Kanten, er beschreitet andere Wege, die nicht immer nachvollziehbar sind, agiert an den Grenzen des Gesetzes, er hat mir viel zu viele Baustellen, als das ich mir vorstellen könnte, das er ein guter Polizist ist. Natürlich ist der Einstieg in den 11. Band auch nicht ohne, denn auch wenn es ein paar Rückblicke aus seinem Leben gibt, fehlen mir 10 Bände, in denen er mich vielleicht begeistern hätte können.
Ich will gar nichts über weitere Charaktere schreiben, schon gar nicht über den Täter, dessen Motive ich bis zum Schluss nicht nachvollziehen konnte, aber soviel sei gesagt: Wer sich auf diesen Thriller einlässt, wird immer wieder eines neueren belehrt, sei es durch die abwechslungsreiche Handlung oder die vielen Überraschungen, die auf einen warten.
Das Finale selbst war mir zu plötzlich und wirkte ebenfalls auf mich inszeniert. Der intelligente Serienkiller macht einen kleinen Fehler und schon wissen wir wer es ist, auch wenn das Motiv nicht so wirklich klar vor einem liegt.
Ich bin zwiegespalten und werde daher eine Bewertung im Mittelmaß abgeben.
Nicht weil das Buch besonders schlecht, oder besonders gut ist. Es gibt viel das in diesem Buch positiv zu bewerten ist, aber auch jede Menge Negatives. (Die Grausamkeiten, der manchmal arg abwertende Ton Frauen gegenüber, die größtenteils unsympatischen Charaktere,...)
Es handelt sich um ein vielschichtiges und fiktives Werk, dennoch lässt mich die Geschichte nicht los, ob es nun gut oder schlecht ist, sei dahingestellt, ich für meinen Teil muss allerdings sagen, dass ich wohl keinen weiteren Harry Hole Roman lesen werde und ich froh bin, dass Buch „nur“ aus der Bibliothek ausgeliehen habe.
Das Buch kann ich jedem Skandinavischen Thrillerliebhaber empfehlen, der auf ein Verwirrspiel sondergleichen steht und sich nicht von grausamen Szenen ablenken lässt.
Fazit: durchaus faszinierend von der Idee her, aber viel zu viele grausam-brutale übertriebene Darstellungen. 3 Sterne.