Der „Katharina-Code“ und vierzehn rote Rosen
Der mysteriöse „Katharina-Code“, der nie entschlüsselt werden konnte, und vierzehn rote Rosen beschäftigen den erfahrenen Ermittler William Wisting auch noch vierundzwanzig Jahre nach dem Verschwinden von Katharina Haugen aus Kleivervei. Der professionell agierende Abteilungsleiter befasst sich seit damals mit diesem ungeklärten Fall, ein jährlicher Besuch bei dem Ehemann Martin Haugen führte im Laufe der Zeit zu einer eigenartig anmutenden Freundschaft zwischen dem damals Tatverdächtigen und dem Ermittler. Wisting hatte nie wirklich an Martin Haugens Unschuld geglaubt, doch sein Alibi war und blieb hieb- und stichfest. Als ein Ermittler der neu gegründeten Cold-Case-Unit in Oslo seinen ersten Fall in Angriff nimmt, stößt er bei der Wiederaufnahme des Entführungsfalles um die Unternehmerstochter Nadia Krogh auf Parallelen zum Verschwinden von Katharina Haugen. Der zielstrebige Kripo-Beamte Adrian Stiller rollt gemeinsam mit William Wisting beide Fälle neu auf und Wistings Erfahrung, sein Feingefühl und diplomatisches Geschick sind gefordert, um die Wahrheit endlich ans Licht zu bringen.
Jørn Lier Horst liefert mit seiner aktuellen Neuerscheinung einen grandiosen Einstieg in eine neue Buchreihe. Seinem liebenswerten Protagonisten William Wisting stellt er einen korrekten, ergebnisorientierten und sympathischen jungen Ermittler zur Seite, der alle Hebel in Bewegung setzt, um seinen ersten Fall erfolgreich abzuschließen. Polizeijuristin Christine Thiis sowie Wistings Kollege und Stellvertreter Nils Hammer spielen hierbei jeweils nur eine untergeordnete Rolle.
Die sprachlich-stilistische Gestaltung dieses Kriminalromans hat mir ausgezeichnet gefallen. Der ruhige, bedächtige Erzählstil, seine akribischen Beschreibungen von Personen und Handlung sowie seine interessant gestrickten Fälle haben mich bereits bei meiner ersten Lektüre des Autors Jørn Lier Horst vollends überzeugt. Auch im vorliegenden Krimi blieb er seinem Schreibstil treu und sorgte erneut für Lesevergnügen vom Feinsten. Altvertraute Fakten werden dem Leser zur Kenntnis gebracht, verschiedene Aspekte dieser komplexen Fälle neu beleuchtet, längst erkaltete Spuren dank neuer technischer Errungenschaften nachverfolgt. Neben der Ermittlungsarbeit der Polizei wird auch dem Privatleben des Protagonisten große Aufmerksamkeit zuteil. Williams Tochter Line ist als engagierte Journalistin beruflich in die beiden Fälle involviert, Lines Tochter Amalie und Wistings Sohn Thomas bereichern jene Handlungsstränge, die Wistings Privatleben thematisieren. Darüber hinaus richtet sich der Fokus zeitweilig auf einige Zeugen und Verdächtige von damals. Sind Martin Haugens manipulative und rachsüchtige Ex-Ehefrau, sein wortkarger und vorbestrafter Nachbar und der Ex-Freund des zweiten Opfers tatsächlich von jedem Verdacht erhaben? Oder sticht Wisting durch seine erneuten Befragungen in ein Wespennest und provoziert damit unbedachte Äußerungen und Handlungen?
Der Spannungsbogen wurde die gesamte Handlung über konstant aufrecht gehalten. Ich fühlte mich sehr gut unterhalten und wurde durch das ungewisse Schicksal der beiden verschwundenen Frauen, Sprache und Handlung vollständig in den Bann dieser Geschichte gezogen. Ein hochwertiges Cover und eine lesefreundliche Schriftgröße runden meinen positiven Gesamteindruck ab.
FAZIT: Dieser Roman aus der Feder meines favorisierten nordischen Krimiautors hat meinem Lesegeschmack in jeder Hinsicht entsprochen. Die komplexe Handlung, die Konzentration auf die Ermittlungsarbeit, das bedächtige und ruhige Erzähltempo und die hervorragend ausgearbeiteten Charaktere machen den Reiz dieses beschaulichen Krimis aus. „Wisting und der Tag der Vermissten“ bescherte mir ein unterhaltsames und interessantes Lesevergnügen und ich genoss es, an Kommissar Wistings Seite dem Rätsel um das Verschwinden der beiden Frauen auf die Spur zu kommen. Dem nächsten Band dieser Reihe sehe ich bereits jetzt mit großer Erwartungshaltung und Freude entgegen.
Völlig begeisterte fünf Sterne und eine ganz klare Leseempfehlung!