Ein märchenhafter Ausflug zum Loslassen
Ab und zu muss es für Märchen- und Fabelfreunde wie mich, auch etwas schöneres, fern ab der Wirklichkeit sein. Dieses Mal hat es mir "Die wundersame Mission des Harry Crane" von Jon Cohen angetan. Selbst ...
Ab und zu muss es für Märchen- und Fabelfreunde wie mich, auch etwas schöneres, fern ab der Wirklichkeit sein. Dieses Mal hat es mir "Die wundersame Mission des Harry Crane" von Jon Cohen angetan. Selbst das Cover lässt schon einiges an Wundern und eine Beziehung zu Bäumen erahnen. Und schon damit hatte es meine Aufmerksamkeit und ja, es ist leicht kitschig, aber irgenwie auch total schön und passend.
"Wenn man den Wald betrat, merkte man sofort, wie sich alles veränderte. Als habe man eine magische Grenze überschritten. Das Licht war ein anderes, und es wurde ganz still in einem und um einen herum. Alles andere verschwand..."
Harry hat aufgrund eines blöden Wunsches seine Frau Beth mitten auf der Straße verloren. "Warte hier" sagt er, verschwindet um kurz Lotto zu spielen und gerade in diesem Augenblick passiert es, dass ein Baukran einer mangelhaft gesicherten Baustelle zusammenbricht und seine Frau aus dem Leben reißt. Harry verliert den Boden unter den Füßen und das nur weil er das große Glück herausfordern wollte.
Harrys Bruder Wolf drängt Harry nämlich dazu gegen die Baufirma vorzugehen und Schadensersatz zu fordern. Ein Leben in Geld aufzuwiegen, scheint Harry allerdings total absurd und so verliert er sich, als der Anwalt ihm die freudige Botschaft mitteilt, dass er nun um stolze 4 Millionen reicher sei. Er hat gewonnen, allerdings ganz anders als er es ursprünglich geplant hat. Er will fliehen, hinaus aus allem, hinaus aus der Pflicht und seiner Frau hinterhereilen. Sein Weg führt ihn in einen Wald oder besser gesagt zu einem dort stehenden Zuckerahorn. Hier will er sein Leben beenden und mit einem Seil den letzten Schritt gehen. Doch als er zu zweifeln beginnt, entdeckt er im Astloch des Baumes einen glänzenden Schokoriegel. Ein Zeichen, dass seine komplette Aufmerksamkeit verlangt, doch dann rutscht er ab. Er hängt. Er zappelt. Ein großer Knack und der einst so stabile Ast liegt gemeinsam mit ihm auf dem Boden. Neben sich entdeckt er dort "das Buch des alten Grum". Aus der Nähe hört er eine wütende Amanda, die mit ihrer Tochter schimpft und schneller als ihm lieb ist, über ihn stolpern. Auch sie hat vor kurzem ihren Mann, Orainas Vater Dean verloren. Er wird im Schnee liegend, so als würde er gerade einen Schneeengel machen, gefunden. Ein Zeichen, dass Oriana in eine ganz eigene Welt entführt und aus dieser anscheinend nur Harry sie wieder herausführen kann.
"Verschiedene Wege hatten sie zu diesen Bäumen, in den Wald geführt. Oder war es am Ende doch derselbe? Harrys Lottoschein. Orianas Buch."
Vergleichbar mit Rachel Joyes "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" und dessen Gegenpart "Das Geheimnis der Queenie Hennessy", die mir beide schon damals mehr als gefallen haben. Nun reiht sich "Harrys Trees" ,wie es im Original heißt, mit ein. Vielleicht liegt das Geheimnis auch bereits im Titel, denn komischerweise sind sie in diesem Bereich ja alle etwas ähnlich. Auch wenn das Ziel und das große Ganze wie immer bereits zu Anfang erkennbar ist, hat mich dieses Buch sehr gut unterhalten. Für mich, ganz klar, etwas Leichtes für zwischendurch, ohne Mord und Totschlag, wobei der Anfang aufgrund des Unfalls von Harrys Frau Beth und des plötzlichen Tods Orianas Vaters sich als sehr traurig darstellen. Das Ende ist beinahe wirklich wie ein Märchen, samt Märchenfee. Der lockere Schreibstil und das Aufeinanderprallen kindlicher Vorstellungen und Hoffnungen auf ein gesetzteres Leben, schaffen eine gewisse Leichtigkeit und Freude auf das, was geschehen wird. So habe ich dann auch die ganze Zeit mit Harry gehofft, war teilweise hin- und hergerissen und am Ende dann doch recht berührt. Natürlich gibt es auch in diesem Fall das Unheil, doch von einer bösen Hexe kann man hier nicht sprechen. Denn die Bedrohung kommt von Harys Bruder Wolf und dem Möchtegern Immobilienmakler Stu, die eigentlich aus dem nahen Umfeld der beiden Protagonisten stammen, und dennoch rein aus egoistischer Gier handeln. So kommt dann auch das bekannte Sprichwort "Bei Geld hört die Freundschaft auf" großartig zur Geltung.
Ohne jetzt mehr über die Story selbst zu verraten, möchte ich dieses Buch einfach jedem empfehlen, der noch Hoffnung, Fantasie und Wünsche in sich trägt und sich auf total tolle Charaktere einlassen kann.