Wie definiert man „Gerechtigkeit“?
Der prominente Kölner Unternehmer Hajo Reimer wird auf dem Weg zum Traualtar erschossen. Für Kriminalhauptkommissar Schellenberg und sein Team beginnt eine Mordermittlung vor den Augen der Öffentlichkeit, ...
Der prominente Kölner Unternehmer Hajo Reimer wird auf dem Weg zum Traualtar erschossen. Für Kriminalhauptkommissar Schellenberg und sein Team beginnt eine Mordermittlung vor den Augen der Öffentlichkeit, beobachtet von der örtlichen Presse. Begleitet werden die Polizisten diesmal von der Psychologin und Journalistin Ina Reich, welche im Auftrag des Polizeipräsidenten die psychische Resilienz der Ermittler im Laufe des Falls analysieren soll – nicht zur Freude von Kommissarin Sibel Bulut. Diese misstraut Ina von der ersten Minute an und versucht, ihr das Leben schwer zu machen. Doch Ina selbst ist eine Meisterin im Verheimlichen, trägt sie doch seit längerem ein Geheimnis mit sich, das sie nicht preisgeben möchte. Doch für einen Kleinkrieg zwischen den beiden Frauen bleibt keine Zeit, denn bald schon gibt es den nächsten Toten inklusive dem Hinweis, dass noch weitere folgen werden.
„Gerecht ist nur der Tod“ von Judith Bergmann ist aus Ich-Perspektive der Journalistin und Psychologin Ina Reich erzählt, welche ihre Umgebung sehr detailliert beobachtet. Ina selbst als Person ist schwer zu fassen, sie versucht krampfhaft professionell zu bleiben und ihre Emotionen zu unterdrücken. Schnell wirkt sie auf den Leser innerlich zerrissen, da sie ein Geheimnis birgt, welches sich erst nach und nach enthüllt. Sie ist somit ein „unzuverlässiger Erzähler“, welcher Dinge verschweigt und dem Leser nicht vollen Einblick in seine Gedanken- und Handlungswelt gewährt.
Gut gefallen haben mir die sehr unterschiedlich konstruierten Figuren, auch wenn sich wenig Sympathieträger unter ihnen befinden. Jede verfügt über ihren eigenen, individuellen Charakter mit verschiedenen facettenreichen Stärken und Schwächen. Des Weiteren ergibt sich in unterschiedlichen Situationen eine faszinierende Dynamik zwischen einzelnen Figuren, welche sie überraschend handeln lassen.
Judith Bergmanns Schreibstil ist angenehm und sehr detailliert, die Handlung geht schnell voran ohne gehetzt zu wirken und lässt sich somit flüssig lesen. Die Kapitel sind nach Tagen und Uhrzeiten eingeteilt, so dass der Leser gut und engmaschig nachvollziehen kann, was wann geschieht. Interessant finde ich auch, dass der Fokus des Buches mehr auf Ina Reich als auf dem Mordfall an sich liegt. Diese faszinierende Perspektive die des eher Außenstehenden findet man nicht oft in Büchern.
Fasziniert hat mich der psychologisch raffinierte Aufbau des Buches. Die Geschichte macht neugierig, da sie zunächst schwer zu fassen ist, bis sich am Ende alles zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügt. Dementsprechend überrascht war ich von der Auflösung des Falles, da sich gerade zum Showdown hin noch einige unvorhersehbare Wendungen ereignet haben. Das übergeordnete Thema ist die Frage danach, was Individuen unter „Gerechtigkeit“ empfinden. Hierzu passend das Zitat aus dem Klappentext, das meiner Meinung nach das Buch ideal zusammenfasst: „Der gerechte Tod des einen war der Tod der Gerechtigkeit für andere“.