Die Autorin: Judith Merchant ist kein Neuling im Krimigeschäft. Sie hat bereits mehrere Kurzgeschichten geschrieben, wofür sie zweimal mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet worden ist. Nach den drei Bänden der Jan Seidel/Königswinter-Krimis und „Die Lügen jener Nacht“ ist „Atme!“ bereits Merchants fünfter Roman. Gegenwärtig unterrichtet sie Creative Writing an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. (Kleine Seitennotiz: Wer gerne Regionalkrimis liest und Königswinter kennt, sollte unbedingt mal in die Jan Seidel-Reihe, beginnend mit „Nibelungenmord“, reinlesen.)
Inhalt: Zum Inhalt möchte ich gar nicht so viel erzählen, da die Spoiler-Gefahr bei diesem Buch ziemlich groß ist. Es soll hier nur die Ausgangslage kurz skizziert werden. Nile, die Protagonistin von „Atme!“ befindet sich zu Beginn der Handlung in einer Boutique, in der sie ein Hochzeitskleid für ihre bevorstehende Hochzeit kaufen möchte. Als sie das perfekte Kleid gefunden hat, will sie es ihrem Freund Ben zeigen, doch dieser ist nicht mehr auffindbar. Niemand aus dem Freundeskreis oder der Familie von Ben ist bereit, ihr zu helfen, da Ben für Nile seine Frau verlassen hat. Die einzige Person, die Nile nach längerer Überzeugungsarbeit bei der Suche hilft, ist Bens Frau.
Schreibstil: Die Handlung ist aus der Ich-Perspektive Niles geschrieben. Merchant nutzt in diesem Roman sehr häufig parataktische und stakkatoartige Satzgefüge, was einerseits die Spannung steigert. Zudem passt diese Schreibweise zu Nile. Die Schreibweise gibt sehr gut das Gehetzte und Panische, ja auch Manische, dieser Figur wieder. Die Gesamtkonzeption des Romans baut ebenfalls Spannung auf. Hier wechselt sich die Haupthandlung (Nile sucht Ben) mit einer Nebenhandlung ab, die die Vergangenheit von Nile und Ben fokussiert. Diese Einsprengsel der Vergangenheit sind ebenfalls aus der Perspektive Niles verfasst und führen dazu, dass man die Figuren und ihre Beziehung (v.a. Nile, Ben und Bens Frau) sukzessiv besser kennenlernt und versteht.
Persönliche Meinung zum Buch: Ich kann Merchants „Atme!“ jedem ans Herz legen, der gerne Bücher aus dem Bereich „Krimi/Thriller“ liest. Bei dem Buch handelt es sich um einen Pageturner, den man am liebsten nicht aus der Hand legen will. Durch seine (mal mehr, mal weniger) unerwarteten Wendungen ist das Buch zudem durchweg spannend. Es spielt bis zuletzt mit doppelten Böden, sodass man beim Lesen auch nie wirklich das Gefühl hat, dass handlungstechnisch die Luft raus ist. Die eigenen Vermutungen über das Verschwinden von Ben müssen daher – je nach Wendung – immer neu überdacht und modifiziert werden. Möglich ist, dass das Ende nicht jedem gefallen wird. Mir gefiel das Ende aber insofern, als dass „Atme!“ dadurch zu einem besonderen Buch wurde: Es regt zum Nachdenken an. Nachdem ich das Buch zu Ende gelesen hatte, ertappte ich mich während anderer Beschäftigungen dabei, dass ich noch weiter über die Handlung nachgrübelte. Es ist also kein Buch, das man nach Beendigung einfach weglegt, und vergisst.