Cover-Bild Unterleuten
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26,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Luchterhand
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 640
  • Ersterscheinung: 08.03.2016
  • ISBN: 9783630874876
Juli Zeh

Unterleuten

Roman
Der große Gesellschaftsroman von Juli Zeh

Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten" irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem unschuldigen und unverdorbenen Leben außerhalb der Hauptstadthektik zu erfüllen. Doch als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden. Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist …

Mit „Unterleuten“ hat Juli Zeh einen großen Gesellschaftsroman über die wichtigen Fragen unserer Zeit geschrieben, der sich hochspannend wie ein Thriller liest. Gibt es im 21. Jahrhundert noch eine Moral jenseits des Eigeninteresses? Woran glauben wir? Und wie kommt es, dass immer alle nur das Beste wollen, und am Ende trotzdem Schreckliches passiert?

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.10.2023

Sehr lesenswert

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Bei diesem Werk handelt es sich um einen "Dorfroman". Er spielt in Unterleuten, einem fiktiven 200-Einwohner-Dorf, gelegen "eine Stunde von Berlin". Die darin geschilderten Ereignisse, die eine gewisse ...

Bei diesem Werk handelt es sich um einen "Dorfroman". Er spielt in Unterleuten, einem fiktiven 200-Einwohner-Dorf, gelegen "eine Stunde von Berlin". Die darin geschilderten Ereignisse, die eine gewisse Dramatik entwickeln, sind zeitlich im wesentlichen im heißen Sommer 2010 angesiedelt, mit einem Nachspann im April 2011. Für die "Ureinwohner" ist dieses Dorf "ein Gefängnis", für die Stadtflüchtlinge, die nach Unterleuten gezogen sind, ein Freiheitsversprechen, das aber enttäuscht wird. Trotz seines Umfangs von 640 Seiten lässt sich das Buch gut lesen. Mit seinen 61 Kapiteln und einem Epilog ist es in verdauliche Häppchen gegliedert. Es kommt mit weniger als 20 Hauptprotagonisten aus, darunter starke und polarisierende Charaktere. Es ist eine schöne Idee, jedes Kapitel aus der Perspektive eines Protagonisten zu erzählen, und dadurch die Erzählperspektive in jedem Kapitel wechseln zu lassen. Ein Namensverzeichnis erleichtert den Überblick, auch eine Grundstückskarte des Dorfes ist beigefügt. "Das Dorf als Dostojewski-Roman", heißt es auf Seite 415 ironisch. Das ständige Wechseln der Perspektive kann verwirren, muss es aber nicht. Die Charaktere werden dadurch in ihrer Innen- und Außensicht gezeigt, wirken mal sympathisch, mal unsympathisch. Einen "Helden", mit dem sich der Leser identifiziert, gibt es am Ende aber nicht. Die Autorin zeigt anschaulich und unaufdringlich, wie alles an allem und jeder an jedem hängt, und wie Verflechtungen und Verknüpfungen zwangsläufig dazu führen daß des einen Freud des andern Leid sein wird und zuletzt keine Gewinner sondern nur Verlierer bleiben. Keiner wird gewinnen - weil sich alle irgendwie gegenseitig bekriegen. Homo homini lupus.

Das alles spielt in dörflicher Nach-Wende-Umgebung in der Priegnitz - man hat als Leser das Gefühl, man schaut zu und ist dabei - nicht von oben in's Goldfischglas sondern auf der Dorfstraße.

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Veröffentlicht am 18.02.2018

Unterleuten = unter Leuten

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Wunderbar geschrieben, kurzweilig, spannend, fesseln, jede Person ist ein Kapitel das immer wieder sich wiederholt und die Geschichte am Laufen hält. Am Anfang etwas verwirrend aber nach 50 Seiten hat ...

Wunderbar geschrieben, kurzweilig, spannend, fesseln, jede Person ist ein Kapitel das immer wieder sich wiederholt und die Geschichte am Laufen hält. Am Anfang etwas verwirrend aber nach 50 Seiten hat man den Dreh raus und "lebt" förmlich mit. Intrigen, Lügen, Liebe und die Erkenntniss sich nicht selbst zu belügen. An einigen Stellen war es etwas langatmig aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch. Als ich dieses Buch gelesen habe, musste ich immer wieder feststellen wie viele Parallelen es mit dem realen Dorfleben gibt, und meine Erkenntniss war und ist erschreckend. Auch ich wohne auf dem Land, bin vor 8 Jahren in ein anderes Bundesland gezogen, Dorfidylle pur. Aber man muss sich Mühe geben akzeptiert zu werden, offen und ehrlich zu sein auch manchmal sich in Zurückhaltung zu üben, nie zu übertreiben und sich nicht überall einzumischen. Wie der Buchtitel so wunderbar zweideutig sagt ist das Dorf Unterleuten voller Leute die unter Leuten ihres Gleichen sein wollen - am besten ohne Streit, ohne Veränderung und ohne Lügen aber das funktioniert nirgendwo. Und so kommen Konflikte ans Tageslicht die schon seit vielen Jahren an der Oberfläche schweelen und dann ausbrechen und dann gibt es die große Veränderung. Juli Zeh hat es geschafft, das man dieses Buch bis zum Schluss lesen muss mit Spannung und vielen eigenen Gedanken. Denn am Ende kommt die Überraschung die man sich nicht vorgestellt hat... Bemerkenswerte Analyse eines wahren Dorflebens!

Veröffentlicht am 09.11.2017

Ellbogengesellschaft

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Unterleuten von Juli Zeh, erschienen im Luchterhand Literaturverlag am 8. März 2016

Ein kleines Dorf irgendwo in Brandenburg. Eine wirkliche Idylle für den flüchtigen Besucher. Unterschwellig gärt es. ...

Unterleuten von Juli Zeh, erschienen im Luchterhand Literaturverlag am 8. März 2016

Ein kleines Dorf irgendwo in Brandenburg. Eine wirkliche Idylle für den flüchtigen Besucher. Unterschwellig gärt es. Die Alteingesessenen halten nicht viel von den Zugezogenen, die Zugezogenen haben sich das alles etwas einfacher auf dem Land vorgestellt.

Zu dem ganz normalen Kleinkrieg der unter den Bewohnern herrscht, kommt noch richtig eine Schueppe drauf als eine Investmentfirma einen Windpark errichten will. Sofort spaltet sich die Bevölkerung in verschiedene Gruppen und man versucht sich gegenseitig das lukrative Bauvorhaben vor der Nase weg zu schnappen.

Juli Zeh ist ein großer Gesellschaftsroman innerhalb kleiner Grenzen gelungen. Zählt der Satz „Das Wohl von Vielen, es wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen.“ im 21. Jahrhundert noch? Ist unsere Spaßgesellschaft noch fähig den Blick über den eigenen Tellerrand zu erheben und das eigene Glück zugunsten Vieler zurück zu stellen?

Dabei ist ihr ein herrlich bissiger Roman gelungen. Wenn Literatur doch immer so leicht lesbar, so unterhaltsam und spannend geschrieben würde. Die Protagonisten werden im Laufe des Buchs natürlich ausführlich behandelt und facettenreich beschrieben, nicht immer trügt der erste Eindruck, aber manchmal schon. So hatte ich viele vergnügliche Lesezeit mit diesem Buch, welches ich allen Stadtkindern ans Herz legen möchte bevor ihr aufs Land auswandert und allen Dorfbewohnern um denen zu zeigen, dass die Spinner aus der Stadt sich auch nicht so sehr von euch unterscheiden. Klare Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 06.12.2016

Die Hölle, das sind die Anderen (Sartre)

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Wenn in Unterleuten, einem kleinen Dorf in Brandenburg, überwiegend Kopien der eigenen Person leben würden, dann, ja dann wäre das Leben dort vermutlich sehr idyllisch und harmonisch. So aber treffen Menschen ...

Wenn in Unterleuten, einem kleinen Dorf in Brandenburg, überwiegend Kopien der eigenen Person leben würden, dann, ja dann wäre das Leben dort vermutlich sehr idyllisch und harmonisch. So aber treffen Menschen aufeinander, von denen sich jede/r im Besitz der alleinglückseligmachenden Wahrheit meint, während der Rest nur Stuß verzapft. Darüberhinaus pflegen praktisch Alle ihre Vermutungen und Erwartungen über die Anderen, die im seltensten Fall positiv sind. Jede/r traut jeder/m das Schlechteste zu und fast wie eine Art selbsterfüllender Prophezeiung geschehen Dinge, die die eigene Meinung noch bestätigen. Statt miteinander wird mehr übereinander geredet und so verbreiten sich Mutmaßungen und Argwohn in Windesweile im Dorf. Stadtbewohner (junge Frau, alter Mann) gegen grobschlächtigen Einheimischen - die Frau nennt diesen nur 'das Tier'. Naturschützer gegen Unternehmen - man schreibt Briefe. Kommunist gegen Kapitalist - eine Feindschaft, die keinerlei sachliche Grundlage hat. Ehemann gegen Ehefrau in unterschiedlichen Konstellationen - Erwartungen und Vermutungen werden nicht ausgesprochen, stattdessen schweigt man bis zum bitteren Ende. Als dann im Dorf ein Streit über die Errichtung eines Windparks beginnt, werden diese Beziehungsgeflechte auf's Äußerste strapaziert, wobei die alten Konflikte mit einer ungeheuren Heftigkeit wieder aufbrechen und die NeubürgerInnen direkt miteinbeziehen.
Obwohl das Buch mehr als 600 Seiten hat, lässt es sich weglesen wie ein Unterhaltungsroman. Die Figuren, die erst recht klischeehaft daherkommen, entwickeln sich ziemlich schnell zu eigenständigen Persönlichkeiten, sodass von der ursprünglichen Schablonenhaftigkeit nicht mehr viel bleibt. Gombrowski beispielsweise, der massige, ungeschlachte und auch brutale Wendegewinner hat eine überaus sensible Seite, von der aber nur die Wenigsten wissen - was ihn dennoch nicht von seinem Verhalten Anderen gegenüber freispricht. Schaller, sein ehemaliger Angestellter und Handlanger ist ähnlich ungeschlacht, wenn auch nicht so schlau wie dieser. Sein Schicksal ist derart unvorstellbar, dass ich mehr Mitgefühl als alles andere für ihn empfand. Und so ist es bei fast allen Figuren in diesem Roman, so eindimensional zu Beginn sie auch daherkommen mögen: Jeder/r von ihnen hat eine Geschichte, die sich zu erzählen lohnt. Von Juli Zeh habe ich kürzlich in einem Interview gelesen, dass Jonathan Franzen einer ihrer Lieblingsschriftsteller ist. "Mit seinem Roman 'Freiheit' kam ich mir wieder vor wie als Kind, als ich mit der Taschenlampe unter der Decke Seite um Seite verschlungen und alles andere vergessen habe. Es gibt nicht viele, die es beherrschen, so realistisch zu erzählen, ohne dass es dröge wird. Franzen schafft es, die Welt in der wir leben, anschaulich zu machen." Liebe Juli Zeh, Sie schaffen das auch! Danke dafür!

Veröffentlicht am 12.10.2016

Ein Meisterwerk der Leserlenkung

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"Eine Geschichte wird nicht klarer dadurch, dass viele Leute sie erzählen." So lautet das Resumee des Erzählers am Ende des Romans Unterleuten. Und dem kann der Leser absolut zustimmen.

Im ostedeutschen ...

"Eine Geschichte wird nicht klarer dadurch, dass viele Leute sie erzählen." So lautet das Resumee des Erzählers am Ende des Romans Unterleuten. Und dem kann der Leser absolut zustimmen.

Im ostedeutschen Dorf Unterleuten sollen Windräder gebaut werden. Für die Bewohner des Dorfes ist dies der Beginn eines Kleinkriegs. Im Laufe des Romans wird jedoch deutlich, dass es nicht wirklich um die Windräder geht, sondern um uralte Fehden, die bis weit in die DDR-Zeiten reichen.

Juli Zeh schreibt ihren Roman aus unterschiedlichen Figurenperspektiven. So bildet sich während der Handlung ein buntes Sammelsurium an Weltanschauungen, Bildern und Meinungen. Im ersten Kapitel scheint man sich sicher, wer der Böse ist. Dann allerdings liest man ein Kapitel aus der Sicht eben jener "bösen" Figur und ist sich nun sicher, dass diese völlig unschuldig ist. Zeh arbeitet hier meisterhaft mit dem Prinzip der Leserlenkung. Über die Frage eines (un-)zuverlässigen Erzählers ließen sich bei diesem Roman ganze Abhandlungen schreiben. Am Ende bleibt man zurück und kann absolut keiner Figur die Schuld für das Geschehen geben, es gibt keinen typischen Bösewicht. Alle Handlungen der Figuren werden so beschrieben, dass man sich in der Wertung anderer Figuren über diese Handlungen kein Verständnis hat, beim Lesen der Motivation von den Figuren selbst jedoch vollstes Verständnis hat.

Die Stoffe im Roman sind zudem unglaublich gut recherchiert und aufgearbeitet. Jede Figur hat ihre eigenen Vorlieben und diese werden genaustens beschrieben. Dabei ist völlig irrelavanzt, ob man etwas mit seltenen Vögeln anfangen kann oder mit der Reparatur von Autos - Juli Zeh macht diese Interessen zu den Interessen des Lesers, so anschaulich und detailtreu werden sie beschrieben.

Auch die Vergangenheiten der Figuren erscheinen dem Leser wie die eigene, so gekonnt skizziert die Autorin diese. Während der Handlung klärt sie den Leser über die Vergangenheit der Figuren auf, kommt zurück in die Gegenwart und taucht wieder zurück in die Vergangenheit. Der Leser bekommt das Gefühl, die Figuren allesamt zu kennen wie einen lieben Freund und auch dadurch kommt das Phänomen zustande, dass man es nicht schafft, einen Liebling zu haben. Alle Figuren sind einfach viel zu plastisch beschrieben und in ihrer Charakterisierung authentisch.

Fazit: Bei Juli Zehs Unterleuten handelt es sich um ein Meisterwerk der Leserlenkung. Nie zuvor habe ich ein Buch gelesen, bei dem ich jeder Figur eine literarische Absolution erteilen konnte, bei der ich jede Sichtweise nachvollziehen und gutheißen konnte und bei der ich nicht hätte beurteilen können, wer der Schuldige ist. "Mit dem Dorf stimmt was nicht. Ganz massiv." Das trifft den Kern dann doch eher, denn die Autorin zeichnet hier ein feines Netz aus dem Leben, Lieben und den Intrigen einer in der Vergangenheit feststeckenden Dorfgemeinschaft.