Verpasste Chancen – Eine Liebesgeschichte über Jahrzehnte
Julia Karnicks Roman "Man sieht sich" erzählt die bewegende Geschichte einer Jugendliebe, die sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder kreuzt. Friederika, genannt Frie, und Robert begegnen sich im Sommer ...
Julia Karnicks Roman "Man sieht sich" erzählt die bewegende Geschichte einer Jugendliebe, die sich über Jahrzehnte hinweg immer wieder kreuzt. Friederika, genannt Frie, und Robert begegnen sich im Sommer 1988 zum ersten Mal, und ihre Beziehung entwickelt sich über die Jahre auf eine komplizierte Weise weiter. 2002 treffen sie sich erneut und stellen fest, dass die alte Anziehungskraft immer noch besteht. Doch erst beim 30-jährigen Abi-Treffen im Jahr 2022 zeigt sich, ob ihre Verbindung eine echte zweite Chance hat. Julia Karnick, geboren 1970 in Hamburg, ist Autorin und Journalistin, die besonders durch ihre humorvollen Kolumnen bekannt wurde. Mit "Man sieht sich" legt sie nach ihrem Debütroman einen zweiten unterhaltsamen und lebensnahen Roman vor, der sich mit verpassten Chancen und der Möglichkeit eines Neubeginns beschäftigt.
Worum geht's?
Der Roman begleitet Frie und Robert über mehrere Jahrzehnte. Die beiden lernen sich 1988 als Teenager kennen, aber trotz Roberts Gefühle füreinander bleibt ihre Beziehung unverbindlich. Jahre später, 2002, treffen sie sich wieder. Robert ist mittlerweile Musiker, und Frie hat eine Tochter. Doch die alte Unsicherheit und das komplizierte Verhältnis zwischen ihnen bleiben bestehen. 2022, mittlerweile beide 50 Jahre alt, fahren sie zu ihrem Abi-Treffen. Dort holen sie nicht nur ihre alten Gefühle wieder ein, sondern auch die Frage, ob sie diesmal eine Chance auf ein glückliches Miteinander haben.
Meine Meinung
Obwohl ich die Autorin vorher nicht kannte, war ich positiv von ihrem klaren und angenehmen Schreibstil überrascht. Die Geschichte lässt sich leicht lesen und ist nicht übermäßig ausgeschmückt. Die Atmosphäre und der Zeitgeist der jeweiligen Epochen werden sehr gut eingefangen, sodass man sich in die verschiedenen Phasen der Geschichte gut hineinversetzen kann. Der Roman zieht sich jedoch auf seinen 480 Seiten stellenweise etwas in die Länge. Besonders in der Mitte hätte ich mir ein strafferes Erzähltempo gewünscht, da der Anfang noch sehr dicht erzählt wird, aber gegen Ende plötzlich 20 Jahre zwischen den Begegnungen der beiden Figuren liegen. Es wäre schön gewesen, mehr über die Zeit dazwischen zu erfahren.
Was mich am meisten berührt hat, war Roberts Beziehung zu einem Generalmajor, die in ihrer emotionalen Tiefe sehr gut dargestellt wurde. Einige wichtige Themen wie Mutterschaft, Gewalt in der Partnerschaft und Feminismus werden zumindest implizit angeschnitten. Auch wenn die Charaktere insgesamt gut gezeichnet sind und man ihren Lebensweg nachempfinden kann, waren einige ihrer Entscheidungen für mich nicht immer nachvollziehbar. Es blieb das Gefühl, dass die Figuren ihre verpassten Chancen größtenteils selbst zu verantworten hatten, was mich als Leserin manchmal frustrierte.
Dennoch mochte ich den lebendigen Erzählstil und die Szenenbeschreibungen, die mich gut in die Geschichte hineingezogen haben. Besonders die lebendigen Beschreibungen von Bozen gegen Ende des Buches fand ich wunderschön – sie machten Lust, diese Stadt selbst zu bereisen. Auch die Idee des Aufbaus – über verschiedene Jahrzehnte hinweg – fand ich ansprechend, doch an manchen Stellen fehlte mir die Tiefe und die Nähe zu den Figuren, die mich emotional stärker hätten einbeziehen können.
Fazit
"Man sieht sich" ist ein unterhaltsamer Roman über verpasste Gelegenheiten und das Wiederfinden von alten Gefühlen. Obwohl die Charaktere und das Setting gut ausgearbeitet sind, leidet die Geschichte unter einigen Längen. Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, auch wenn es mich nicht vollständig überzeugen konnte. 3 von 5 Sternen.