Gegen den Strom schwimmen
Miroloi, auch Totenlied genannt, erzählt in 128 Strophen das Leben eines Teenager Mädchens, das als Findelkind auf einer Insel mit einem einzigen Dorf aufwächst und außer ihrem Finder und einer Freundin ...
Miroloi, auch Totenlied genannt, erzählt in 128 Strophen das Leben eines Teenager Mädchens, das als Findelkind auf einer Insel mit einem einzigen Dorf aufwächst und außer ihrem Finder und einer Freundin von ihm ist diesem Mädchen niemand wohlgesinnt. Das Inseldorf mutet archaisch an, wird durch ein sehr strenges patriarchales System beherrscht (Frauen haben kaum Rechte) und die Bewohnerinnen leben nach einer Religion, die sich wie ein Mischmasch aus unseren Weltreligionen anhört: Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus, aber auch griechische Mythologie. Zur Außenwelt hat die Insel kaum Kontakt.
Grundsätzlich sind das Voraussetzungen, die für eine spannende, entwicklungsreiche Geschichte sehr viel Stoff bieten können. Sprachlich ist dieses Buch auch wirklich ein Wahnsinn, nur für den Inhalt muss ich ein paar Abzüge machen. Generell ist dieses Buch aber sehr schwer zu bewerten, da es in keine Schublade passt. (Aber es wird sowieso Zeit das Schubladendenken endlich GANZ aufzugeben.)
Drei Punkte sind besonders hervorzuheben: Die Charakterentwicklung des Mädchens, die Sprache/der Schreibstil, die/der sich mit der Entwicklung des Mädchens verändert (warum ich das Mädchen nicht beim Namen nenne, erfahrt ihr nur, wenn ihr das Buch lest) und die feministischen Ansätze, die mal besser mal schlechter in der Handlung umgesetzt sind.
Die feministischen Themen sind: Unterdrückung der Frauen, Rollenverteilung der Geschlechter, Menstruation, erster Sex, die Klitoris, die Lust der Frau, Bildung (immer wieder Bildung), sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt gegen Frauen, Zwangsehen.
Ziemlich viele negative Themen, es herrscht auch oft eine sehr bedrückte Stimmung und im Verlauf der Geschichte wird es nicht unbedingt besser. Ich habe mir so viele Fragen gestellt während des Lesens, aber kaum eine davon wird wirklich zufriedenstellend beantwortet. Viele der oben aufgezählten Themen werden natürlich sehr schrecklich dargestellt, es ist nicht immer klar, warum die Autorin noch eine weitere Form der unterschiedlichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen beschreiben musste, wenn daraus nichts weiter hervorgeht, außer die Erniedrigung der Frau. Die Stellung der Frauen im Dorf würde auch mit weniger Beispielen sehr deutlich dargestellt werden. Das ist mein Kritikpunkt an den feministischen Themen. Ich will nicht von sexuellem Missbrauch lesen, wenn mir darauf keine alternativen Handlungsmöglichkeiten gezeigt werden. Was bringt sich das? Was soll das? Klar, es ist Teil unserer Realität und es muss auch in der Literatur verarbeitet werden. Aber die Darstellung ist mMn oft problematisch.
Das Mädchen macht einen erstaunlichen Prozess durch und konnte mich von Anfang an für sich einnehmen. Am Anfang bekommt man noch sehr viele Beschreibungen der Welt, das wird aber besser und dann konnte mich auch die Handlung mitreißen. Diese wird im Verlauf jedoch etwas zäh und sehr vorhersehbar. Letzteres stört aber nur ein bisschen. Inhaltlich ist für erfahrenere Leserinnen wenig Neues dabei. Am Anfang ist die Sprache auch noch sehr einfach gehalten, sie ist klar, aber doch manchmal poetisch, auf den Punkt und dann wieder ausschweifend. Was aber alles super zum Mädchen passt, die uns eigentlich selbst ihre Geschichte erzählt. Sie kann sich oft nicht so gut ausdrücken, was ihrem Bildungsstand zuzuschreiben ist, und erfindet deswegen wunderbare Worte und bildet fast eine eigene Sprache.
Fazit
Schwierig, schwierig. Dieses Buch macht etwas mit einem. Ich konnte nur nicht so ganz einschätzen, was es ist. Ich habe es einerseits sehr gern gelesen, andererseits gab es einige Sachen, die mich gestört haben. Hier muss sich jede*r selber eine Meinung bilden, also lest es!