Eine einzigartige Idee, die leider zu sehr durch eine unglaubhafte Lovestory verdrängt wird - 3,5 Sterne
Noch selten hat mir die Psychologie eines Buches so gut gefallen, noch selten war ich so begeistert von einer geschaffenen Welt. Die Menschheit hat sich eine Lösung einfallen lassen, wie sie weit entfernte ...
Noch selten hat mir die Psychologie eines Buches so gut gefallen, noch selten war ich so begeistert von einer geschaffenen Welt. Die Menschheit hat sich eine Lösung einfallen lassen, wie sie weit entfernte Ziele erreichen kann: Ein autonomes Generationenschiff, auf dem momentan 2000 Personen wohnen, deren einziger Lebenssinn darin besteht, sich fortzupflanzen. Sie werden nie etwas anderes sehen als Metall und Glas, dürfen keine eigene Kultur gründen und müssen sich stattdessen durch Bücher, Filme usw. immer wieder vorhalten, wie toll es auf der Erde ist. Ihre Vorfahren haben entschieden und ließen ihren Nachfahren somit keine Chance. Sie wissen ja noch nicht einmal, ob ihr Endstation noch existiert und wenn ja, was sie dort vorfinden werden. Diese Vorstellung fand ich wirklich erschreckend! Ich fühlte mich oftmals an meinen Astronomieunterricht in der Schule zurückversetzt, wo wir gelernt haben, wie langsam selbst modernste Spaceshuttle sind und wie unendlich groß das Universum ist. Das Licht von Sternen oder anderen Himmelskörpern, das wir heute empfangen, wurde ja schon vor Jahrhunderten losgesendet.
Natürlich ist es da nur logisch, dass einige Passagiere unglücklich, ja fast schon lebensmüde sind. So auch Seren, denn sie kann mit ihrer eintönigen und sinnlosen Situation nicht umgehen, was ich gut nachvollziehen konnte. Für mich war sie eine ganz besondere Hauptprotagonistin, denn sie ist eigensinnige und kritisch. Sie sagt, was sie denkt und haut oftmals Bemerkungen raus, bei denen ich mir nur dachte "Oh nein, das hat sie jetzt nicht wirklich gesagt - oder?!". Da konnte ich doch glatt darüber hinwegsehen, dass sie gleichzeitig manchmal sehr naiv und unüberlegt handelt.
Auch wenn man es bei dem Klappentext nicht vermutet, lernt Seren Domingo erst am Anfang des Buches kennen und der Leser kann bzw. muss live dabei sein, wie sie sich verlieben. Ab jetzt liegt der Fokus auf ihrer Liebesgeschichte und ich muss zugeben, dass mich das etwas gestört hat. Es gibt genügend tolle Liebesromane und dafür hätte Kate Ling keine so überwältigende Kulisse gebraucht. So sehr ich auch versucht habe, ist es mir nicht immer gelungen, die beiden auszublenden und mich mehr auf die Ventura zu konzentrieren. Noch dazu wo ihre Dialoge zu übertrieben und dramatisch, zu kitschig und oberflächlich sind - ich war einfach nicht in der Lage, sie ernst zu nehmen. Außerdem blieb mir Dom zu blass. Ich weiß nicht wieso, aber ich konnte ihn kein bisschen einschätzen. Gerade deshalb habe ich mich nicht "mitverliebt", obwohl das so wichtig gewesen wäre.
Ansonsten fand ich den Schreibstil faszinierend. Er ist ernüchternd, melancholisch und total fesselnd. Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive erzählt und es gibt lange Sätzen, in denen Seren ihre Gedanken immer und immer wieder wiederholt, was sie für mich menschlich machte. Außerdem wird Spannung aufgebaut, durch die versteckten Hinweise, das es da noch ein großes Geheimnis geben muss. Die Kapitänin der Ventura hat irgendetwas zu verbergen und was das ist, kommt erst sehr spät ans Licht. Am Ende gibt es noch einen kleinen Cliffhanger, der Lust auf mehr macht. Ich freue mich auf Band 2 dieser Saga!
Fazit:
Eine einzigartige Idee, eine überwältigende Kulisse, eine Hauptprotagonistin mit eigener Meinung und ein faszinierender Schreibstil - all das bietet wirklich viel Potenzial. Trotzdem gibt es einen großen Schwachpunkt: Die Themenauswahl. Ich hätte viel lieber mehr über die Ventura erfahren, doch das Buch dreht sich konsequent fast nur um die Beziehung zwischen Seren und Dom. Liebesgeschichten gibt es wie Sand am Meer und die meisten sind deutlich glaubhafter als diese hier. Schade, aber ich muss leider eineinhalb von fünf Sternen abziehen und erhoffe mir für Band 2 deutlich mehr Action und Science-Fiction.