Von trügerischen ersten Eindrücken
"Schau durchs Fenster!" besteht aus 13 Szenen, die jeweils so aufgebaut sind: Wir sehen zunächst auf einer Doppelseite rechts ein Haus, in das man nur durch ein Fenster hereinschauen kann, und links eine ...
"Schau durchs Fenster!" besteht aus 13 Szenen, die jeweils so aufgebaut sind: Wir sehen zunächst auf einer Doppelseite rechts ein Haus, in das man nur durch ein Fenster hereinschauen kann, und links eine Zusammenfassung des ersten Eindrucks, den man von diesem Haus bekommen könnte. Eine rosa Fassade voller Blumen und ein weißer Zaun, hinter dem Fenster eine freundliche Omi mit Dutt – da kann man doch guten Gewissens klopfen und bekommt vielleicht sogar ein frisch gebackenes Stück Kuchen? Falsch gedacht, denn wenn man auf die nächste Doppelseite weiterblättert, sieht man: Die gute Dame ist eine Hexe und im besten Fall bekommt man von ihr eine Suppe mit Augäpfeln, im schlimmsten wird man selbst die nächste Suppe für den nächsten arglosen Besucher. Witzig ist übrigens auch der Blick aus dem Haus heraus auf der zweiten Doppelseite. Da sieht man dann durch das ausgeschnittene Fenster zum Teil die Besucher, die hereinschauen. Ein schöner Doppeleffekt!
Dadurch, dass nicht nur Freundliches sich als gruselig herausstellt, sondern auch umgekehrt zunächst gruselige Szenen plötzlich ganz harmlos werden, werden keine Ängste vor dem Fremden geschürt. Man wird vielmehr dazu angeregt, sich mit ersten Eindrücken auseinanderzusetzen und versteht, dass oft alles nicht so ist, wie es zunächst scheint. Und nicht nur der große Twist, der sich offenbart, ist interessant. Es lohnt sich generell, die Seiten näher zu betrachten, denn man kann viele lustige Details entdecken. Aber der große Twist setzt sich schließlich auch aus dem ganzen Bild zusammen, also gehören die Details ohnehin dazu!
Sehr gelungen und besonders finde ich die Illustrationen, die natürlich die ganze „Handlung“ tragen. Es handelt sich um Buntstiftzeichnungen, überwiegend in rosa und rot mit grau, teilweise mit grünen Akzenten. Einmal abgesehen davon, dass ich diese Farbwahl sehr ästhetisch finde, passt sie auch toll zu dem doppeldeutigen Charakter des Buches und je nachdem, welche Version der Farben auf einer Doppelseite variiert, ergeben sich ganz unterschiedliche Effekte. Dass Menschen so viel mit Illustrationen vermitteln können, beeindruckt mich immer sehr. Dazu kommt der ganz eigene Stil der Figuren, den man schon auf dem Cover sieht. Ein Meisterwerk in meinen Augen!
In diesem Buch stellen sich viele Fragen. In welchem Zustand findet Mama Geiß ihr Heim und ihre Geißlein vor? Was verbirgt sich hinter der Tür mit dem Haifischkopf? Neugierig geworden? Dann schaut durchs Fenster! Wenn ihr euch traut…