Für Leser aus Ost und West und allen anderen Himmelsrichtungen
Isabella Krause ist Schauspielerin, in der DDR geboren und aufgewachsen. Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung spricht sie für eine Rolle in einem Werbespot für Joghurt vor. Die Situation ist so absurd, ...
Isabella Krause ist Schauspielerin, in der DDR geboren und aufgewachsen. Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung spricht sie für eine Rolle in einem Werbespot für Joghurt vor. Die Situation ist so absurd, dass sie wenigstens einen ganz besonders gestalteten Abgang hinlegen will, und den vorgegebenen Text „für meine Familie nur das Beste“ in schönstem Sächsisch hinschmettert.
Prompt erhält sie von der Produktionsfirma das Angebot, an einer Fernsehproduktion über Menschen in der DDR mitzuarbeiten. Sie soll Protagonisten heranschaffen, also echte ehemalige DDR-Bürger, die über ihre „Erfahrungen unter dem Regime“ berichten.
Das Dumme ist nur, dass sich Autor und Produktionsfirma schon ganz genau in den Kopf gesetzt haben, wie die sein sollen. Nun passen die Personen, die Frau Krause noch aus ihrer Kindheit kennt und mit denen sie Interviews arrangiert, überhaupt nicht zu den klischeehaften Vorstellungen, die sich auf ein paar typische Bilder beschränken, wie z. B. winkende Politiker auf der Bühne, Kindergartenkinder, die in Reih und Glied auf ihren Töpfchen sitzen usw.
Der Roman ist voller feinsinnigem Humor. Die Autorin beschreibt durch ihre originellen Figuren, wie es wirklich war, dass die Menschen eben nicht die ganze Zeit daran gedacht haben, wie sie ach so schlimm unterdrückt und bevormundet wurden, sondern dass sie ihr ganz normales Leben gelebt haben. Und darin gab es auch eine Menge Spaß und Freude und es wurde gefeiert. Letzteres unterschied sich sogar kaum vom Westen.
In diesem Roman von Kathrin Aehnlich geht es nicht um verklärte Ostalgie. Es wird alles sehr realistisch beschrieben und wo es möglich ist, mit einer Prise Humor gewürzt. Die handelnden Personen sind sehr gut charakterisiert, egal ob aus West oder Ost.
Die Geschichte lässt den Leser immer wieder schmunzeln, jedoch auch nachdenken und bei allem Spaß wird auch das Unrecht, welches wirklich Menschen angetan wurde, nicht vergessen. Die Autorin schafft es, alle Komponenten im richtigen Maß zusammenzufügen.
Letzten Endes geht es darum, sich gegenseitig zuzuhören, so findet die Geschichte am Ende zu einer überraschenden und für alle zufrieden stellenden Lösung.
Sowohl der Schreibstil der Autorin als auch die gesamte Konzeption des Romans haben mir sehr gut gefallen. Als Rahmenhandlung eine Fernsehproduktion, von wo aus dann auf die interessanten Einzelgeschichten eingegangen wurde.
Kurz gesagt: Eine „runde“ Geschichte, sehr facettenreich, kurzweilig und humorvoll mit einem zufriedenstellenden Ende. Für Leser nicht nur aus Ost, sondern aus allen Himmelsrichtungen.