Wir schreiben das Jahr 71 p.c. Die Kontinente wie wir sie kannten existieren nicht mehr, denn nach einem verheerenden Krieg sind diese größtenteils zerstört. Nur auf dem künstlich angelegten Kontinent Lex ist ein Leben noch möglich. Um die Sicherheit aller Bewohner zu gewährleisten, gibt es strenge Regeln und Vorschriften, für Frauen gilt, dass sie an ihrem achtzehnten Geburtstag einen Ehemann durch eine KI zugewiesen bekommen. Diese KI irrt sich nie und die auf Lex lebende Vinnie freut sich nun endlich ihren Seelenverwandten kennenzulernen. Doch dieser ist ganz anders als erhofft. Vinnie ist fassungslos, doch was soll sie tun? Als sie bei einem gemeinsam Ausflug mit ihrer Schwester ein Tagebuch findet, reifen Gedanken in Vinnie heran, die ihr das Leben ganz schön schwer machen könnten.
Ich mag Dystopien und bei Wir waren frei klang der Klappentext absolut überzeugend. Der Einstieg in diese Dystopie fällt sehr leicht, da Keah Rieger einen leicht lesbaren und flüssigen Schreibstil hat. Dabei schafft sie es auch sehr geschickt, das Leben auf Lex lebendig zu beschreiben, so dass man eine Ahnung hat, wie es dort aussehen könnte.
Dieses Setting machte eine sehr bedrückende Atmosphäre, eine Stadt modern und wie die andere, alles wirkt künstlich angelegt (was es ja auch ist) und irgendwie kalt. Sollte die Zukunft für die Menschheit so aussehen, wäre das völlig erschreckend.
Das Szenario, das die Autorin hier entwirft, ist glaubhaft, da sie so einige aktuelle Themen mit einbindet. Diese findet Protagonistin Vinnie in Form eines Tagebuches, in dem der junge Paul die Entwicklungen auf der Welt, aber auch auf Lex beschreibt. So war es zu Beginn auf Lex noch möglich, frei zu leben. Doch parallel zu den Entwicklungen auf der Welt, entwickeln sich die strengen Gesetze auf Lex. Das bringt den Leser absolut zum Nachdenken. Ist die Sicherheit wirklich jede Freiheit wert? Ist Selbstbestimmung mit unter ein höheres Gut, als man annehmen mag? Ich für mein Teil würde auf keinen Fall mit Vinnie tauschen wollen. Für mich war das gesamte Worldbuilding absolut gelungen dargestellt.
Viele Charaktere erleben wir hier nicht, im Mittelpunkt steht Protagonistin Vinnie und Paul, der durch sein Tagebuch zum Protagonisten wird. Paul fand ich sehr gut gezeichnet und seine Entwicklung, seine Gefühle und Gedanken konnte ich sehr gut nachvollziehen. Während seine Entwicklung aber noch recht linear verläuft, macht Vinnies Entwicklung einen regelrechten Sprung. Einerseits überlege ich, ob das nicht einfach zu schnell verläuft, ob jemand, der wie Vinnie mit strengsten Vorschriften aufwuchs, so schnell beginnt, innerlich zu rebellieren, doch andererseits ist die erste Begegnung mit ihrem zukünftigen Mann mehr als abschreckend, sogar ein absoluter Schock. Da sie ungefähr zum selben Zeitpunkt Pauls Tagebuch findet, scheint dieses wir ihr Rettungsseil. Ich kann ihre Handlungen auf jeden Fall verstehen, habe aber auch einen ganz anderen Hintergrund als Vinnie. Neben Vinnie und Paul bleiben weitere Charaktere eher Randfiguren, wie z. B. Vinnies Eltern, die Lex treu ergeben sind und wie alle Figuren auf Lex, wie gesteuert wirken.
Mein Fazit: mit ihrem Buch entwirft Keah Rieger ein erschreckend glaubwürdiges Szenario, da sie sich hier mit aktuellen Themen und deren Fortgang intensiv beschäftigt. So erschreckend und abschreckend das Worlbuilding auch ist, so ist all das leider auch sehr gut vorstellbar. Lediglich mit Vinnie und ihrer rasanten Entwicklung hadere ich ein wenig. Nichtsdestotrotz eine interessante und spannende Geschichte, die ich gerne Dystopiefans empfehle.