Unerwartetes Highlight
Gerade einmal sechzehn Jahre alt ist Martha Honeydew, als sie einen Mann auf offener Straße erschossen haben soll. Nun sitzt sie den ersten von sieben Tagen in Zelle eins von sieben, denn genau sieben ...
Gerade einmal sechzehn Jahre alt ist Martha Honeydew, als sie einen Mann auf offener Straße erschossen haben soll. Nun sitzt sie den ersten von sieben Tagen in Zelle eins von sieben, denn genau sieben Tage lang darf die Bevölkerung Englands per Telefonvoting darüber abstimmen, ob Martha Leben darf oder hingerichtet werden soll. Schon die Umfragewerte zeigen, dass Martha sehr schlechte Chancen auf ein Überleben hat und doch plädiert sie noch nicht einmal auf unschuldig. Aber auch das hat seine Gründe, denn Martha möchte dem Völk die Augen öffnen, vor den Ungerechtigkeiten einer solchen Abstimmung.
Meine Meinung:
Der Klappentext und auch das Cover dieses Buches machten mich sehr neugierig, trotzdem hatte ich zu Beginn des Buches gar keine großen Erwartungen, doch schon nach kurzer Zeit war ich wie gebannt von Martha und ihrer Geschichte. Der Schreibstil der Autorin ist sehr schmucklos, die Sätze sind knapp und hämmern sich dabei aber während des Lesens regelrecht in den Kopf. Mir kam die Sprache hier genau richtig vor, denn das Thema, das die Autorin hier aufgreift ist leider nur allzu gut vorstellbar und dadurch noch um einiges erschreckender. Ich habe das Buch regelrecht verschlungen und durchlebte während des Lesens eine wahre Gefühlsachterbahn, mal war ich einfach nur wütend, auf Grund der geradezu schreienden Ungerechtigkeit, dann spürte ich Marthas Trotz, aber auch ihre Angst und ihre Liebe zu den Menschen, die ihr nahe standen und im nächsten Moment wurde es so spannend, dass der Adrenalinspiegel nur so nach oben schoß. Von Hoffnung über Angst, über Wut und Fassungslosigkeit, wirklich alles an Gefühlen war dabei.
Das Thema der Geschichte klingt sehr abgeschmackt, doch dabei absolut aktuell, denn es ist für uns doch gar nichts besonderes mehr, wenn man z. B. über Z-Promis "Abendessen" per Telefonvoting abstimmen darf. Wie weit ist es dann hergeholt, dass das Volk über die Todesstrafe abstimmen darf? Natürlich ist das noch kein richtiger Vergleich und doch kann ich mir vorstellen, wie sehr solch eine Sendung anziehen kann, die Sensationslüsternheit ist doch heutzutage nichts ungewöhnliches und dem Leiden eines anderen zuzusehen unterhaltsam. Die Einschaltquoten eines solchen TV-Spektakels dürften gigantisch hoch sein, doch wo ist da noch die Gerechtigkeit? Genau darum geht es hier in dieser Geschichte.
Die Spannung steigt hier mit dem Fortschreiten der Geschichte, so wie Martha täglich die Zelle wechseln muss, um ihrem Urteil näher zu kommen, wechseln auch die Abschnitte im Buch. Dabei hängt das Urteil wie ein Damoklesschwert über dem Leser und auch wenn es hoffnungslos scheint, spürt man doch permanent, wie sehr man Martha einen guten Ausgang wünscht. Die Frage nach Marthas Schuld oder Unschuld ist dabei noch nicht einmal ausschlaggebend, denn diese Frage kann man sich selber sehr schnell beantworten.
Die Perspektiven des Buches sind vielseitig, denn man bekommt hier einen kompletten Rundumblick. Wir erleben manches Geschehen aus Marthas Sicht und die Erzählform schwankt dabei zwichen der Ich-Erzählung und Momenten, in denen sich Martha in Gedanken an andere Personen wendet. Dabei erfährt man, was bisher überhaupt geschehen ist, wer der Mann war, den Martha getötet hat und wie sie bisher aufgewachsen ist. Aber wir erleben hier auch noch andere Sichtweisen, zum einen kommt Eve, Marthas psychologische Betreuerin während der Haft, zur Sprache, mal Marthas Nachbarin, mal ein ausgemusterter Richter. Dann gibt es Szenen der Fernsehshow, die so richtig realistisch herüber kamen und bei denen ich beinahe platzen konnte vor Ärger über die Moderatorin, die ihre Rolle hier perfekt spielt.
Die Charaktere der Geschichte sind relativ überschaubar, dabei wird hier eines sehr schnell glasklar: die Kluft zwischen arm und reich, zwischen denen, die den Ton angeben und die, die nichts dagegen machen können. Diese Kluft ist auch heute schon gegeben und dementsprechend ist dieses Zukunftsbild, das Kerry Drewery hier entwirft, absolut vorstellbar. Die Vielschichtigkeit der Charaktere ist hier sehr gut gelungen und greifbar. Man entwickelt schnell Sympathien oder Antipathien und Martha, aber auch die Psychologin Eve und noch einige weitere Charaktere sind mir sehr schnell ans Herz gewachsen. Daneben gibt es aber auch Personen, die geradezu Überheblichkeit, Ignoranz und Arroganz aus jeder Pore ausstrahlen und mich beinahe vor Ärger über ihre Art schreien ließen.
Ich könnte hier noch Ewigkeiten über mein Gefühlsspektrum beim Lesen schreiben, aber ich würde dann einfach viel zu viel über diese Geschichte, deren Ende übrigens offen ist, verraten. Ich hoffe sehr, dass die Geschichte eine Fortsetzung erhält, wobei ich mir dann durchaus die Handlung vorstellen kann, aber äußerst gespannt auf deren Umsetzung bin.
Mein Fazit:
Ein Buch, das mich mit auf eine regelrechte Reise durch die Gefühlswelt mitnahm und mich kaum zur Ruhe kommen ließ. Ein durchaus vorstellbares Szenario und überzeugende Charaktere ließen mich regelrecht durchs Geschehen fliegen und konnten mich fesseln. Der Schreibstil mag für manch einen gewöhnungsbedürftig erscheinen, aber ich fand ihn hier perfekt,kurz, knapp, beinahe kalt und dadurch realistisch. Ein offenes Ende lässt mich auf eine Fortsetzung hoffen. Ich habe mit Marthas Widerstand ein unerwartetes Highlight erhalten, das ich gerne weiterempfehlen möchte.