Wunderbare Geschichte in der sich jeder von uns finden kann - schönes Setting
Diensteifrig setzte ich mich mal hin und schreibe die Rezension zu
„Glück ist meine Lieblingsfarbe“ von Kristina Günak
Juli eine junge Frau – naja, mit 30+ - lebt und arbeitet - nach einer Nacht- und ...
Diensteifrig setzte ich mich mal hin und schreibe die Rezension zu
„Glück ist meine Lieblingsfarbe“ von Kristina Günak
Juli eine junge Frau – naja, mit 30+ - lebt und arbeitet - nach einer Nacht- und Nebel-Aktion auf der (Ferien)Insel La Palma. Um über die Runden zu kommen, belegt sie die Woche über ausgefallene Sandwiches im Food Truck am Strand, parallel dazu ist sie noch als Dogsitterin tätig. Noch dazu des Spanischen allzu mächtig zu sein. Missverständnisse sind vorprogrammiert. Als eine der ersten Szenen im Buch befindet sich Juli auf der Party ihres schwulen Freundes Malte zwischen lauter Personen mit perfekten Lebensläufen wieder. Denkt sie. Hierbei lernt sie auch den verschlossen wirkenden Quinn kennen, und ringt ihn – dank ihrer Zauberkräfte (super Kommunikationsfähigkeiten und Empathie) – ein Lächeln ab, welches allerdings dank Malte im Keim erstickt wird. Quinn bringt Juli nach der Partie nach Hause, da er sie nicht im Dunkeln mit dem Rad über die halbe Insel fahren lassen will. Wie zufällig - jaja- laufen/begegnen sie sich danach immer wieder. Spätestens als Quinn seine Sympathie zu Juli zeigt, indem er ihr in einer schweren Situation, ohne nachzufragen beisteht; kommt die Frage auf: Kommt es noch zu mehr zwischen den beiden?
„Ich glaube, dass wir unglücklich werden, wenn wir uns nur mit Dingen befassen, die unserem Leben keinen Sinn geben. Viele Menschen merken das anfangs gar nicht, und dann ist es manchmal schon zu spät.“ (E-Book, S.128)
Kristina Günak ist mit dieser Geschichte, in der sich jeder von uns wiederfinden kann – wollte nicht jeder schon einmal von uns gegen den Strom schwimmen und wurde mitgerissen? – ein wundervolles Buch gelungen, das neben zahlreichen zitierbaren Sätzen sehr zum Nachdenken/Überdenken des bisherigen Werdegangs anregt.
Cover:
Farben und Muster, in unterschiedlich großen Kreisen chaotisch angeordnet…aber nicht so viel, dass man den weißen Untergrund nicht sehen kann…gut gelungen…durch die schwarze Schreibschrift wird der Titel hervorgehoben...das Rad und der Hund runden das Deckblatt ab und passen super zu dem Roman
Idee/Plot:
Wem ging es nicht schon einmal im Leben so, dass es zu viel war…immer gefordert sein, selbst nicht mehr wissen (oder es noch nie gewusst haben), wo es im Leben eigentlich hin gehen soll…wir sind so eingespannt…und falls man ausbricht, so wie Juli, und anders ist bzw. in dieser Welt nicht zurechtfindet, gilt man als seltsam, andersartig…noch schlimmer es kann so psychischen Problemen führen…Juli hat alles durch, wenn man sich immer verstellt…und dann ist auch noch plötzlich alles von einem Tag auf den anderen so unwirklich…sie musste einfach raus aus ihrem bisherigen Leben und zu sich kommen… Die Geschichte könnte aus dem realen Leben von „Jedermann“ stammen, nur dass die Umsetzung einfach alle Zelte so schnell abzubrechen nicht so schnell von statten gehen würde… dennoch möchte ich bemerken, dass in unserer schnelllebigen Zeit die Anzahl der Krankschreibungen wegen psychischer Erkrankungen in den letzten Jahren stetig zunimmt…wohl auch ein Grund der ständigen Anforderungen die an uns gestellt werden… Super Idee hierüber ein Buch zu verfassen…und auch gelungen umgesetzt…es regt sehr zum Nachdenken an.
Handlungsaufbau/Spannungsaufbau:
Der erste Abschnitt (Anfang bis Kap.7) beginnt mit dem Kennlernen von Juli, nach und nach werden weitere „Darsteller“ eingeführt und man lernt Juli besser kennen, wie sie tickt, lebt, sich im der Fremde durchwurschtelt.
Im zweiten Abschnitt (Kap. 8-14) lernt sie Quinn, durch einen Schicksalsschlag, bei dem sie einen guten Freund verliert und nun für einen neuen Belgleiter in ihrem Leben sorgen muss, besser kennen (vorher haben sie sich nicht so häufig gesehen). Nun erfährt man etwas mehr vom bisherigen Leben von Juli: ihrer Familie, ihrem Beruf und von Isabella. Wer ist Isabella? Hier entsteht Spannung, Wissensdurst?
Im dritten Abschnitt (Kap. 15 - Ende) wird bis kurz vor Schluss die Tension hochgehalten. Letztendlich erfährt man die ganzen Hintergründe von Juli und Quinns Handlung/Art. Mit einer Bootstour, der Verabschiedung von Freunden und ganz wichtig mit dem Wissen: „Was will ich im/mit meinem Leben anfangen?“ endet das Buch sanft und stimmig.
Szenerie/Setting:
Wohin auch sonst würde man als Deutscher - bitte kein Klischeedenken ? – „auswandern/fliehen“…nach Spanien: Mallorca? die liebste Urlaubsinsel der Deutschen…falsch gedacht…bei der Wahl des Settings war auch Julis Freund Malte ausschlaggebend…und dieser befand sich eben schon auf den kanarischen Inseln…genauer auf La Palma. Mit ihrer wortreichen Sprache bringt Kristina Günak einem die Insel näher, man möchte am liebsten gleich die Koffer packen und sich dort einnisten, wie Juli. Ich zähle mal einige Wörter auf die ich mir zu La Palma aus dem Buch notiert habe: La Isla Verde, steilste Insel der Kanaren, Häuser in bunten Farben gestrichen, schwarzer Strand, glitzernder Atlantik, felsige Küste, steile Vulkanberge, karge Landschaft, vereinzelt Oleander, Kiefernhaine…und wer möchte jetzt nicht auch auf die Insel
Sprache/Schreibstil:
Wie schon zuvor genannt fand ich die Sprache, den Schreibstil des Buches sehr wohltuend…man liest und liest…es ist so flüssig zu lesen, es plätschert einfach so dahin …leider…den damit ist es auch schnell durchgelesen…der hohe Anteil an der bildlichen Sprache (… wie ein explodiertes Sofakissen; auf eine Katze bezogen) oder die Beschreibungen ihrer herzlichen Herbergsmutter Maria und der Menschen auf dem Markt (…wie ein geöltes Uhrwehrk), und der ganzen spanischen Lebensweise…herrlich… Durch die noch zusätzlich eingestreuten Slapstick-Einlagen von Juli und die liebenswert und detailreich ausgearbeiteten Hunde (auch wenn ich ein Katzenmensch bin) wird das eigentlich schwere Thema (Lebenskrise?) aufgelockert und man findet sich in einem Kokon des Lesens wieder bei dem man nicht gestört werden möchte.
Emotionen/Protagonisten:
Auch wenn das Buch um Juli und ihre Geschichte geht, so ist auch Quinn wichtig…den er hat auch ein schweres Kreuz zu tragen…zu Beginn versteht man nicht, warum sich Quinn so verhält, wie er es macht…im Nachhinein, wenn aufgelöst wird, was im widerfahren ist…dann kann man voll und ganz mit ihm fühlen…wenn plötzlich (wie bei Juli auch) nichts mehr so ist, wie es war und man von jetzt auf gleich die volle Verantwortung trägt, nicht mehr seinen Träumen und seiner Leidenschaft nachgehen kann…och….
Ein kleines Intermezzo an euch: Wenn ihr auch jetzt auch so fühlt, und mal nachdenkt was ihr in eurem Leben machen/tun oder noch machen wollt…könnt ihr das noch schaffen…los…ihr habt noch die Wahl
Quinn hatte die Wahl nicht, und Juli auch nicht direkt, sie wurde durch die Gesellschaftlichen Normen, welchen sich ihre Familie verpflichtet sieht gezwungen einen Weg zu gehen, der ihr nicht gut tat… All diese Emotionen die sich aus diesem Hintergrundwissen ergeben hat Kristina Günak gut umgesetzt, die Protagonisten sind so lebendig, detailreich beschrieben, sie wirken so authentisch und man kann sich extrem gut in sie hineinversetzten, selbst in die Lage der Hunde ( vor allem die Szene mit Calida auf dem Marktplatz)
Ich muss gerade Schmunzeln…was die Hunde wohl über Juli so alles erzählen würden (nur nebenbei: meine Tochter hört gerade Bibi Blockberg und dort wird ein Hund verhext, so das er sprechen kann…das wäre amüsant)
Zitate:
Es strotzt nur so davon, ob von der Schriftstellerin oder so namhaften Personen wie Goethe, Rilke und Voltaire…so wahre Worte…ich werde einige der Sätze, welche ich mir markiert habe, in mein Zitatebuch übernehmen…
„Alle Menschen sind auf der Suche nach einem guten Leben. Aber nur die wenigsten wissen offenbar, was das ist.“(e Book, S.56)
„Zweifel gehören zu jedem neuen Lebensabschnitt dazu.“ (e Book, S.129)
zusätzliche Aspekte:
Erstens:
Ich wollte parallel zum Lesen eine Musikliste anlegen…weit bin ich nicht gekommen…also, wenn ihr euch das Buch schnappt…macht im Hintergrund Ed Sheeran mit „Happier“ in Dauerschleife an…ich bin jetzt schon entspannter, wenn ich daran denke das dieses Lied rauf und runter läuft ?
Zweitens:
Wenn ihr, wie ich auch, nicht so lange auf ein neues Buch, eine so mitreißendes Geschichte, von Kristina warten könnt…schaut euch mal die im Roman erwähnte australische Autorin Liane Moriaty an…deren Bücher fand ich beim ersten Querlesen auch sehr ansprechend
Meine Meinung:
Gerne eine Fortsetzung…was geschieht weiter mit Juli und Quinn?... vielleicht findet sich aber auch nur ein ebenso immerwährendes, aktuelles und gut zum Nachdenken/Umdenken geeignetes Thema, welches uns dann mit seiner so locker, leichten und absolut mitreißenden Art in eine Welt mitnimmt, um dem Alltag etwas zu entkommen…
Fazit:
Das Buch ist einfach ein großartiges Leseerlebnis, es ist so stimmig… so Eins mit sich… einfach rund.
Schockschwerenot…, wenn jemanden in eurem Bekanntenkreis sowohl mit den Gedanken wie in der „outgesourcten Kopfwelt“ mit einem Tohuwabohu zu kämpfen hat…besorgt im dieses Buch zum Lesen: es wird ein Anstoß sein. Zusammen ist man weniger allein. Von mir gibt es dazu eine klare Leseempfehlung.
Auf jeden Fall werde ich mit Wiedersehensfreude auf eine neue Veröffentlichung von Kristina warten. „Lesen ist meine Lieblingsbeschäftigung“