Hier prickelt leider nichts
Nicht nur Wiesbaden liegt 1945 in Trümmern, auch Hennis Leben ist ein einziger Trümmerhaufen. Es scheint als habe sich alles gegen sie verschworen, um ihr den Neuanfang so schwer wie möglich zu machen. ...
Nicht nur Wiesbaden liegt 1945 in Trümmern, auch Hennis Leben ist ein einziger Trümmerhaufen. Es scheint als habe sich alles gegen sie verschworen, um ihr den Neuanfang so schwer wie möglich zu machen. Ihr geliebter Ehemann wird in Russland vermisst, über den Verbleib von ihrer jüngsten Schwester Bille weiß niemand etwas und die heimische Sektkellerei ist auch nicht unbeschadet aus den Bombardements hervorgegangen. Aber Henni lässt sich nicht so leicht unterkriegen und krempelt die Ärmel hoch, denn schließlich gilt es das Familienerbe zu retten und in eine neue Zukunft zu führen...
Mit dem ersten Band der Winzerhof-Saga entführt Linda Winterberg ihre Leser:innen an den Rhein und lässt die vorherrschende desolate wirtschaftliche als auch persönliche Situation kurz nach Kriegsende für sie aus den Seiten steigen. Der Schreibstil ist wie gewohnt flüssig und sehr plastisch, ermöglicht einen Besuch der Sehenswürdigkeiten entlang des Rheins (Neroberg, Rüdesheim mit Niederwalddenkmal) und zeigt die Probleme des Wiederaufbaus, mit denen sich Henni herumschlagen muss.
Zwar ist Henni an und für sich eine starke Persönlichkeit, aber sie erscheint trotz allem unnahbar und fremd. Auch wenn sie etliche Schicksalsschläge verkraften muss, macht sie das nicht zugänglicher, sondern sie schirmt sich immer mehr von den Leser;innen ab und verwehrt ihnen so den Zugang zu ihrer Gefühls- & Gedankenwelt.
Lisbeth ist ein ganz schön durchtriebenes Früchtchen, eifersüchtig hoch zehn und überlegt die ganze Zeit, wie sie zum vernichtenden Schlag gegen ihre große Schwester ausholen kann. Sie lässt keine Gelegenheit aus, um Henni nicht nur Steine, sondern echte Felsbrocken vor die Füße zu werfen, um ihr das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Mit Heimkehrerin Bille zieht ein wenig die Sanftmut in die Handlung ein, aber auch hier macht das Schicksal nicht halt und schlägt unbarmherzig zu. Alle Achtung, wie sie den Umgang mit dem Verlust meistert und immer wieder all ihre Kräfte mobilisiert, um nach vorn zu blicken.
Linda Winterberg packt bereits in den Auftakt ihrer Familien-Saga so unglaublich viele Themen, Drama und Leid, sodass den Leser:innen der Kopf schwirrt und man sich unweigerlich fragt, was denn da in den folgenden zwei Bänden noch passieren soll, da eigentlich schon alles erzählt ist.
Der Markt wird momentan geradezu überschwemmt von Familiengeschichten, deren Handlung in der Nachkriegszeit angesiedelt ist und bei denen es immer darum geht, dass eine junge Frau für das Fortbestehen des Familienunternehmens verantwortlich ist. Leider gleichen sich die Bücher in Aufbau und Handlung doch sehr, sodass es auch hier nicht wirklich viel Neues zu lesen gibt.
Das Buch hebt sich leider nicht aus der breiten Masse ab und daher kann ich nur 3 Sternchen vergeben. Auf die Fortführung der Reihe werde ich verzichten.