Der vierte Band der Sieben Schwestern-Reihe, den ich wieder mit Livia, einer Bloggerkollegin, in einer gemeinsamen Blog-Leserunde gelesen habe, hat bei mir letztlich einen sehr guten Gesamteindruck hinterlassen.
Ich bin recht schnell in CeCes Welt gelandet, habe gleich erkannt, dass – auch wenn das aus dem dritten Buch mit Star bereits herauszulesen war – CeCe eine sehr unsichere, aber feinfühlige Person ist, die sich ihr Leben lang an ihre Schwester geklammert hat und der es deswegen jetzt wahnsinnig schwer fällt, loszulassen. Obwohl CeCe die lautere und redseligere der beiden "Klammerschwestern" war, wirkt sie dennoch weitaus schwächer und bedürftiger als die ruhige Star. Darüber hinaus jammert und sorgt sich CeCe über scheinbar unsinnige Dinge (oftmals gibt sie ihre Legasthenie als Grund dafür an), weswegen sie bei meiner Mitleserin Livia nicht gerade gut angekommen ist. Ich selbst bin wesentlich besser mit der Protagonistin zurechtgekommen, irgendwie konnte ich mich in sie hineinversetzen und Verständnis für sie aufbringen – auch wenn ich nicht ganz nachvollziehen konnte, wie ein Mensch derart werden kann, wenn man so privilegiert und mit so liebevollen, starken Eltern aufwächst. Ein solches Gehabe und Ähnliches nimmt man doch in den meisten Fällen von den Menschen an, mit denen man die meiste Zeit zusammen ist, oder nicht? Woher CeCe ihr Selbstmitleid und ihr niedriges Selbstwertgefühl also hat, ist mir wahrlich schleierhaft.
~ Ich hatte auf die harte Weise gelernt, dass einem niemand gehört, und möglicherweise würde es mir gelingen, eine eigene Identität zu finden und einer Kultur anzugehören, die mich definierte. ~
(S. 216)
Umso erfreuter war ich, CeCes positive Entwicklung in dieser Hinsicht mitzuerleben, als sie den Mut aufgebracht hat, sich auf die Spuren ihrer Herkunft zu begeben. Denn das Buch ist wieder in zwei Zeitstränge geteilt. Abwechselnd liest man von CeCe in der Gegenwart (2008) und von Kitty in der Vergangenheit (Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts). Und in den Gegenwart-Teilen – die ich weitaus unspektakulärer fand als die Erzählungen der Vergangenheit – erkennt man nach und nach deutlich, wie sich CeCe entwickelt, besonders ab dem Zeitpunkt, an dem sie ihrer ursprünglichen Familie immer näher kommt. Sie lernt und arbeitet an sich, auch mit Hilfe von Pa Salts Spruch/Weisheit, den er ihr nach seinem Tod übermittelt hat und den sie immer im Hinterkopf hat. Der Gegenwart-Teil mit CeCe spielt vorerst in Thailand, danach geht es ab nach Australien, wo der Hauptteil der Gegenwart-Handlung stattfindet. Egal, wo sich CeCe befindet, sie lernt interessante Menschen kennen, die ihr ganz unbewusst dabei helfen, ihren Mut zu finden und persönlich zu wachsen. Das fand ich sehr schön, mitzuverfolgen!
~ »Weißt du, was Menschen daran hindert, ihr volles Potenzial zu nutzen?«
»Angst. Du musst die Angst loswerden.« ~
(S. 472)
Kittys Part konnte mich von Anfang an abholen und begeistern. Ich war durch und durch gefesselt von den Geschehnissen in der Vergangenheit. Australien im 20. Jahrhundert kennenzulernen und etwas über die Entwicklung der Perlenfischerei zu erfahren hat mich ebenfalls sehr interessiert und deswegen an den Seiten kleben lassen. Die Charaktere in der Vergangenheit sind alle sehr vielschichtige und einzigartig skizzierte Persönlichkeiten und das, was passiert, teilweise so unfassbar und tragisch, weswegen ich gar nicht erwarten konnte, alles so schnell wie möglich aus dieser längst vergangenen Zeit in Erfahrung zu bringen. Fesselnd, fesselnd, fesselnd wären die Worte, mit denen ich Kittys Geschichte beschreiben würde!
Natürlich fragt man sich während dem Lesen auch, inwiefern CeCe und Kitty miteinander zu tun haben könnten. Sind die beiden Frauen miteinander verwandt? Ist ihr Leben auf irgendeine andere Art und Weise verknüpft? Livia und ich hatten jedenfalls unseren Spaß, darüber zu spekulieren. Wir haben unsere Gedankenspinnereien genossen und waren schlussendlich total begeistert davon, dass Riley es so toll geschafft hat, jeden auftauchenden Charakter irgendwie einen perfekten Platz in der Geschichte zu geben bzw. zufriedenstellend miteinzuweben.
~ Wir müssen versuchen, Verantwortung für unsere eigenen Handlungen zu übernehmen, für die anderer Menschen können wir das nicht. ~
(S. 525)
Im Großen und Ganzen kann ich kaum etwas Negatives über den 4. Band der Sieben Schwestern-Reihe sagen. Die einzigen kleinen Kritikpunkte waren: In einem Moment war mir CeCes Baden in Selbstmitleid zu viel und ziemlich am Ende des Buch hatte ich kurz das Gefühl, als würden sich die Ereignisse überschlagen. Obwohl große Ereignisse zeitlich gesehen in einem annehmbaren Abstand geschahen, sind sie mir von der Autorin dennoch zu schnell hintereinander erzählt worden, sodass ich etwas "überfordert" war. Diese Kritikpunkte haben meine Lesefreude allerdings nicht eingeschränkt, weswegen ich keinen Punkteabzug in meine Bewertung miteinfließen lasse.
Am Ende darf man sich – wie immer – über ein paar Sätze von Lucinda Riley freuen und darüber staunen, wie weit die Autorin geht, um korrekt an ihren Geschichten arbeiten zu können. Gerade ihre letzten Worte fand ich diesbezüglich sehr vorbildlich. Ebenso findet sich am Ende bereits ein kleiner Vorgeschmack auf das fünfte Buch (mit Tiggy). Einen kleinen Einblick in Tiggys Leben gewährt uns Riley hier schon mal.
Und wer es, wie ich, auch nicht erwarten konnte, nach dem dritten Band endlich weiterzulesen, dem kann ich versichern, dass er mit CeCe, aber allen voran mit Kitty, in Australien viel Freude haben wird! ;)