Beeindruckendes Romandebüt
MEINE MEINUNG
In seinem eindrucksvollen, sehr bewegenden Roman „Gleißendes Licht“ widmet sich der deutsch-türkisch-armenische Komponist, Gitarrist und Debütautor Marc Sinan den schwierigen Themenkomplexen ...
MEINE MEINUNG
In seinem eindrucksvollen, sehr bewegenden Roman „Gleißendes Licht“ widmet sich der deutsch-türkisch-armenische Komponist, Gitarrist und Debütautor Marc Sinan den schwierigen Themenkomplexen von Tätern und Opfern, von Verfolgung und dem Völkermord an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts und Bemühungen zur Aufarbeitung dieses Unrechts.
Hierin erzählt er eine facettenreiche wie tragische Familiengeschichte, die deutlich autobiografische Züge trägt, wie wir dem äußerst kurzen Nachwort entnehmen können.
Sinan beleuchtet in Schlaglichtern die ethnisch-kulturelle Vielfalt der Türkei, die Geschichte des türkischen und armenischen Volks und lässt zudem mythologische Erzählungen einfließen. Zugleich spürt er dem Schicksal und den Traumata seiner persönlichen Familiengeschichte nach, die unbewusst auch das Leben der nachfolgenden Generationen nachhaltig beeinflussten.
Im Mittelpunkt der vielschichtigen Handlung steht der erfolgreiche Berliner Musiker Kaan mit deutsch-türkisch-armenischen Wurzeln, der aufgrund einer Identitätskrise beginnt, die Geschichte seiner türkischen Familie anhand seiner verdrängten Erinnerungen zu rekonstruieren. Ähnlich wie sein musikalisch hochtalentierter Protagonist wuchs der Mitte der 1970er-Jahre geborene Autor in einer bayerischen Kleinstadt auf, gefördert und angetrieben von seiner extrem ehrgeizigen türkischen Mutter avancierte er schließlich zu einem gefragten klassischen Gitarristen und widmet sich vorrangig seiner Karriere als Musiker.
Sinan hat seine Geschichte nicht-chronologisch auf verschiedensten Zeitebenen mit vielen Zeitsprüngen angelegt. Mit seinem kraftvollen, poetischen Schreibstil zieht der Autor uns bald in seinen Bann.
Aus der Perspektive des Protagonisten Kaan erzählt er aufschlussreiche Episoden aus dessen Kindheit, Jugend und lässt uns an seiner bewegten Familiengeschichte teilhaben. In Rückblenden springt er von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit zum türkischen Großvater Hüseyin und seiner armenischen Großmutter Vahide und gibt uns zugleich bedrückende Einblicke in die Hintergründe des 100 Jahre zurückliegenden Genozids und der Verfolgung des armenischen Volkes.
Nach und nach fügen sich die vielen Fragmente der tragischen Geschichte seiner Großmutter zusammen und offenbaren die in der Vergangenheit erlittenen Traumata. Bis heute wird das Leben des Protagonisten durch das konsequente Schweigen darüber unbewusst beeinträchtigt und geprägt. Immer wieder verwebt der Autor die Motive von Schmerz und Anklage, von Schuld, Vergeltung und Rachegedanken eindrücklich in seine Handlung. Auch mythologische Geschichten und aufwühlende Traum-Sequenzen setzen brillante Akzente und spiegeln die teilweise unergründlichen gedanklichen Assoziationen des Helden wider, der mir mit seinem recht egomanischen Auftreten leider bis zum Ende hin nicht sonderlich sympathisch war.
Marc Sinan hat seinen beeindruckenden Roman als eine hochkomplexe, bildgewaltige Komposition angelegt, die mit verschiedenen wiederkehrenden Motiven, subtilen Anspielungen und surrealer Sequenzen in ihrer Vielschichtigkeit nicht immer leicht zu erfassen und zu verstehen ist.
FAZIT
Ein bewegendes, sehr vielschichtiges Porträt einer traumatisierten Familie, bei der die Auswirkungen des Völkermordes an den Armeniern bis heute nachwirken!
Zugleich ist der beeindruckend erzählte Roman eine Verneigung vor den Opfern des Völkermords und eine bittere Anklage der bis heute ungesühnten Verbrechen.