Vom Alltag in einer Diktatur
Ich möchte vorausschicken, dass ich die auf diesem Roman basierende Serie noch nicht gesehen habe. Ich werde das aber wahrscheinlich bald nachholen. Die Grundidee dieser Dystopie ist faszinierend und erschreckend ...
Ich möchte vorausschicken, dass ich die auf diesem Roman basierende Serie noch nicht gesehen habe. Ich werde das aber wahrscheinlich bald nachholen. Die Grundidee dieser Dystopie ist faszinierend und erschreckend zugleich, sodass mein Interesse geweckt wurde, obwohl ich dieses Genre ansonsten kaum lese.
Die Magd „Desfred“ (ihr richtiger Name wird nie genannt) tritt als Ich-Erzählerin auf und berichtet von ihrem Leben in „Gilead“. Hierbei handelt es sich um eine USA der Zukunft, wo eine fundamentalistische Gruppierung die Macht übernommen hat. Die Verfolgung abweichender Glaubensrichtungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen bestimmt ebenso den Alltag wie die Unterdrückung der Bevölkerung, insbesondere der Frauen. Jeder Person ist eine gewisse Rolle zugeteilt, gemäß derer sie sich zu verhalten hat. Desfreds Aufgabe besteht darin, einem hochrangigen Kommandanten und seiner Frau zu Nachwuchs zu verhelfen. Sie steht unter ständiger Überwachung und ist häufig verzweifelt. Einzig die Erinnerungen an eine glücklichere Vergangenheit halten sie etwas aufrecht.
Die Geschichte ist zweifellos ergreifend. Ich hatte jedoch vor allem zu Beginn einige Probleme damit, in die Handlung hineinzufinden. Informationen dazu, was da eigentlich vorgeht oder wie es zu dieser Diktatur kommen konnte, werden erst eher spät und nur bruchstückhaft eingestreut. Wirklich klar(er) werden viele Dinge erst durch die „Historischen Anmerkungen“ am Ende, wo ein Symposion im Jahr 2195 beschrieben wird, welches den „Report der Magd“ als Zeitdokument aus dem inzwischen untergegangenen Gilead behandelt. Dabei handelt es sich um einen gelungenen Kunstgriff der Autorin.
Außerdem fiel es mir schwer, mit der Protagonistin warm zu werden. Sie hat ihre Fehler und wirkt öfters widersprüchlich in ihren Gedanken und Verhaltensweisen, was angesichts ihrer Lebensumstände aber natürlich auch verständlich ist. Und es ist ja auch gut, dass hier aus der Sicht einer „normalen“ Frau erzählt wird, die eben in eine fast unvorstellbare Situation gerät. Dass die „wirklichen“ Persönlichkeiten der Leute in ihrem Umfeld weitgehend im Dunkeln bleiben, illustriert ebenfalls gut die Verhältnisse in einer Diktatur, welche jede Individualität auslöschen möchte.
Alles in allem ist dieses Werk empfehlenswert und regt zum Nachdenken an. Auch wenn manches, was in Gilead geschieht, etwas unrealistisch oder weit hergeholt wirkt (aber kann man sich dessen wirklich sicher sein?), waren doch gerade in den letzten Jahren (auch in den USA) zunehmend fundamentalistische Tendenzen erkennbar. Daher ist diese Lektüre auch heute noch aktuell.