Inhalt:
Als Tochter des Generals ziemt es sich für Kestrell nicht, Ausflüge ohne Begleitung zu machen. Doch Kestrell ist kein Mädchen, dass den Wünschen und Erwartungen aller entspricht. So ist sie an einem Tag gemeinsam mit ihrer Freundin Kess auf dem örtlichen Markt unterwegs. Ein Zufall will es, dass die Beiden beim Schlendern an einen Platz gelangen, auf dem Sklaven versteigert werden.
Gerade wird ein muskulöser Junge angepriesen. Sein Körper ist übersät von blauen Flecken und dennoch scheint sein Blick nicht gebrochen. Ganz im Gegenteil. Man sieht dem Sklaven an, dass er Ärger bedeuten und nur schwer zu bändigen sein wird. Der Auktionator ist Schauspieler, Marktschreier und Scharlatan zugleich. Dennoch werden nur zögerlich erste Gebote abgegeben.
Vielleicht ist es Mitleid, vielleicht ist es aber auch der Zorn darüber, wie ein Menschenleben hier verramscht wird, sobald jedenfalls der Auktionator dem Sklaven befiehlt, dem Publikum seine schöne Singstimme zu präsentieren, beginnt Kestrell mitzubieten.
Wenig später kehrt Kestrell mit dem Neuerwerb namens Arin heim. Dieser, ungebeugt, ungezähmt und ungebrochen, erscheint jetzt wie ein unheilsschwangerer Spontankauf.
Neben ihren täglichen Sorgen, den ungeliebten Rollenerwartungen der Familie und der Gesellschaft, hat Kestrell nun also noch ein anderes Problem am Hals: Arin muss im Haushalt integriert werden, vor allem aber übt er aber eine beinahe magische Anziehung auf sie aus.
Im Detail:
Schon gleich nach der Ankunft auf dem Anwesen des Generals von Valoria checkt Arin die örtlichen Gegebenheiten seiner neuen Heimats- und Arbeitsstätte mit fachkundigem Blick ab. Sehr schnell wird man als Leser misstrauisch. Was führt der Sklave im Schilde?
Kestrell, die eigentlich eine sehr gute Menschenkenntnis besitzt, sieht die Gefahr zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Kestrell und Arin geraten manchmal aneinander, denn beide scheuen nicht davor einander die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Dies schätzt Kestrell. Auch was ihr Lieblingsspiel betrifft, hat sie nunmehr einen würdigen Gegner gefunden.
Vermutlich sind es diese kleinen Dinge und auch ein wenig Kestrells Hang dazu, impulsive Entscheidungen zu treffen, die sie dazu treiben, den Sklaven immer öfter für Begleitdienste auszuwählen.
Durch die Zeit, die Kestrell und Arin miteinander verbringen, entstehen zwangsläufig Gefühle füreinander. Vertrauen entwickelt sich nur gemächlich. Anfängliche Ablehnung weicht aber bereits sehr schnell Neugier.
Die Beziehung ist schlüssig und glaubwürdig in Worte gefasst. Nicht selten spürte ich als Leser die Freude darüber, wenn beide einen Schritt aufeinander zugemacht haben. Natürlich war jedes geteilte Geheimnis ein Zugeständnis und zugleich auch ein Risiko.
Das Buch ist auch die Geschichte einer durch Verfehlungen und Missverständnisse gekennzeichneten Vater-Tochter-Beziehung. Kestrells taktisches und strategisches Talent sind es, die eine wertvolle Ergänzung für die eigenen Truppen wären. Kestrells mangelndes Talent im Umgang mit Waffen sowie die Liebe zur Musik stehen diesen Plänen ebenso entgegen, wie die Tatsache, dass sie einfach keine Lust hat, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Diese gegensätzlichen Hoffnungen und Wünsche sorgen jedoch nicht für einen Zwist zwischen Vater und Tochter. Ganz im Gegenteil. Kestrell weiß, was von jedem Valorianer verlangt wird. Die Alternative ist eine frühe Ehe. Die Deadline für ihre Entscheidung ist bald abgelaufen.
Die Frage, wofür sich Kestrell entscheiden wird, für eine Laufbahn beim Militär oder eine Ehe und Kinder, sorgt für zusätzliche Spannung im Roman. Aber auch die jüngsten Ereignisse wie der Selbstmord des Hauptmanns der Garde, bereiten dem General und somit auch seiner Tochter bald schon ernste Sorgen.
Fazit:
Marie Rutkoski „Spiel der Macht“ ist schon wieder so ein Buch, dass die Nachttischlampe bis in die Morgenstunden brennen lies, weil man es einfach nicht beiseite legen konnte.
Die Geschichte ist spannend, glaubwürdig und so vollkommen frei von reißerischen Übertreibungen.
Für mich ein grandioser Reihenauftakt mit einer scharfsinnigen und starken Protagonistin.
Anhand der verbotenen Beziehung des Paares wird das beidseitige Dilemma, werden Generationenunterschiede, Klassenunterschiede und Gegensätze offenbart.
Man kann nur hoffen, dass die weiteren Bände bald auf dem deutschen Buchmarkt verfügbar sein werden.
Buchzitate:
Ihr Ton war höflich, aber das „bitte“ knirschte. Es war eine Lüge, es sollte vortäuschen, das ihre Worte kein Befehl waren. Es war eine glänzende Schicht auf Farbe auf einem Gefängnis.
„Nun ja.“ Sein Lächeln war schwach, aber es war da. „Ich nehme an, keiner von uns beiden ist so geworden, wie man es von uns erwartet hat.“