großartige Literatur
In einer nicht so einsamen Berghütte in den Alpen will eine Frau mit der Cousine und deren Mann ein schönes Wochenende verbringen. Doch am Morgen wacht sie auf, findet sich alleine in der Hütte vor, und ...
In einer nicht so einsamen Berghütte in den Alpen will eine Frau mit der Cousine und deren Mann ein schönes Wochenende verbringen. Doch am Morgen wacht sie auf, findet sich alleine in der Hütte vor, und merkt in ihrer Verwunderung, dass sie vom Dorf und dem Rest der Zivilisation durch eine unsichtbare und dennoch undurchdringbare Wand getrennt ist. Und so beginnt ihr Kampf gegen den nahenden Tod und die Gnadenlosigkeit der Gedanken.
Das Buch ist verfasst als Bericht, verfasst von der Protagonistin am Ende der Geschichte. Zeitlich möglichst linear, unterbrochen nur von Andeutungen und Schilderungen, wie das plötzlich einsame Leben Tag für Tag, Woche für Woche und dann Monat für Monat zu überstehen ist. Wie die Protagonistin von Tatendrang gepackt wird, merkt, dass sie doch nicht so einsam ist, wie es im ersten Moment gewirkt haben mag, und dass die Welt sich weiterdreht, mit Menschheit oder ohne. Ich bin von mir selbst überrascht, wie spannend und mitreißend ich es finden kann, über das Leben in der Natur und den täglichen, zerstörerischen Kampf um das Existenzminimum von morgen zu lesen. Man muss aber auch sagen, dass Marlen Haushofer mit ihrer Sprache auch das seinige zum Lesefluss beiträgt. Selten habe ich so wunderbare Beschreibungen von alltäglichen Handlungen aber auch von Natur und dem Erleben eines Augenblickes gelesen. Auch wenn ich immer wieder das Buch aus den Händen legen haben müssen um das Gelesene zu verarbeiten, so war die Freude dahingehend, wieder in diese blühende Kugel aus Leben einzutauchen, ungebrochen.
Nachdenken ist im Generellen etwas, wozu das Buch einen zwangsweise anregt. Man bedenke, dass das Buch erstmals 1968 erschienen ist, also in einer Zeit, in der in Europa das Wort Flächenverbrauch eine unbekannte Konstante war und die Natur als Ressource zur Belustigung der Menschheit gedient hat. Für viele Menschen mag das heutzutage immer noch so sein, dennoch wage ich zu bezweifeln, dass es in den späten 60er Jahren das kollektive Bewusstsein für umwelttechnische Problemstellungen gegeben hat, wie es sie heute gibt. So mag nun der Eindruck entstehen, dass sich der Inhalt des Buches um Natur- und Bodenschutz drehen mag. Dem ist nicht so. Dennoch hat beweist das Buch immer wieder, dass ein Ökosystem, in dem es fast keine Menschen gibt, dennoch durch die Existenz der Menschheit oder deren Fehlen, an den Rand des Kollapses gebracht wird.
Im Generellen lädt das Buch sehr stark dazu ein, sich in die Rolle der Protagonistin zu versetzen, die durch ihre Namenlosigkeit und das Nichtbeschreiben eines physischen Charakters zum Objekt der universellen Gestalt wird. Nicht nur die Frage, ob man selbst so lange überleben würde, es geschafft hätte, Nahrungsmittel zu generieren, sondern viel mehr auch, wie es sein muss, die Rollen und Erwartungen des Lebens in einer menschlichen Gesellschaft abzulegen und sich Rhythmus der Natur hinzugeben.
Wie dem auch sei, das Buch hinterlässt in mir zu viele Gedanken, um sie alle in Worte fassen zu wollen. Kurz und knapp, ein Muss und definitiv verständlich, warum dieses Buch zumindest in Österreich Teil der Oberstufenlektüre im Deutschunterricht sein sollte.