Stell dir vor, auf dem Weg ins Jenseits gäbe es eine riesige Bibliothek, gesäumt mit all den Leben, die du hättest führen können. Buch für Buch gefüllt mit den Wegen, die deiner hätten sein können. Hier findet sich Nora Seed wieder, nachdem sie aus lauter Verzweiflung beschlossen hat, sich das Leben zu nehmen. An diesem Ort, an dem die Uhrzeiger immer auf Mitternacht stehen, eröffnet sich für Nora plötzlich die Möglichkeit herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Jedes Buch in der Mitternachtsbibliothek bringt sie in ein anderes Leben, in eine andere Welt, in der sie sich zurechtfinden muss. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist?
Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts. Sören Kierkegaard
Nora Seed ist verzweifelt. Ihr Leben, das so vielversprechend begonnen hatte, liegt in Trümmern. Eltern tot, ...
Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts. Sören Kierkegaard
Nora Seed ist verzweifelt. Ihr Leben, das so vielversprechend begonnen hatte, liegt in Trümmern. Eltern tot, der Kontakt zum Bruder weg, Hochzeit abgesagt, Job weg, Katze tot - das sind nur ein paar der Tiefschläge in ihrem fast vierzigjährigen Leben. Schon seit längerem nimmt sie Antidepressiva und als sie beschließt zu sterben, ein paar mehr.
Zwischen Leben und Tod kommt sie in die Mitternachtsbibliothek. Unter Anleitung ihrer alten Schulbibliothekarin Mrs. Elm kann Nora Bücher auswählen und so quasi in andere Leben eintauchen, die sie leben hätte können. Doch dann wird sie vor die Entscheidung gestellt, welches dieser Leben sie nun leben wolle...
Meine Meinung:
Permanent werden wir vor Entscheidungen gestellt, die man erst im Nachhinein als richtig oder falsch einstufen kann und manchmal ändert sich diese Einschätzung auch noch. Die Idee des Buches, dass man schauen kann, welche Konsequenzen Entscheidungen nach sich gezogen hätten, gefällt mir sehr. Wer würde nicht gerne in die Zukunft schauen und dann das beste Leben für sich auswählen? Doch was macht eigentlich das beste Leben aus? Erfolg, Ruhm, Familie, Ehe, Sport - Nora erlebt viel Positives, aber wo Licht ist, da ist auch Schatten.
Hatte mich der Anfang noch niedergedrückt, wurde ich immer faszinierter von den Szenarien, die sich so unterschiedlich in meinem Kopf darstellten.
Annette Frier hat als Sprecherin maßgeblich dazu beigetragen. Unaufgeregt und doch mitfühlend hat sie Noras Geschichte sehr gut eingesprochen.
Nora ist zutiefst unglücklich und depressiv, bereut sehr viele Lebensentscheidungen. Der Tod ihrer geliebten Katze bringt das Fass zum Überlaufen. Doch als sie sich ...
Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
Nora ist zutiefst unglücklich und depressiv, bereut sehr viele Lebensentscheidungen. Der Tod ihrer geliebten Katze bringt das Fass zum Überlaufen. Doch als sie sich das Leben nimmt, ist sie nicht einfach tot, sondern wacht in einem Zwischenreich auf: in der Mitternachtsbibliothek. Jedes Leben, das sie führen hätte können, darf sie hier ausprobieren wie ein Kleidungsstück. Nora wird zur gefeierten Olympiasportlerin, berühmten Sängerin, ehrgeizigen Gletscherforscherin. Aber nur wenn sie ein Leben findet, das sie glücklich macht, kann sie darin bleiben. Und die Zeit drängt – bald ist es vielleicht zu spät für Nora, sich zu entscheiden…
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: sehr kurz (Hörbuch)
Tiere im Buch: -/+ Im Buch stirbt eine Katze, die von ihrer Besitzerin sehr geliebt wurde. Ansonsten werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Tieren, Tod von Menschen, psychische Krankheiten (Depression), Suizidgedanken, Suizid, Trauer
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---
Warum dieses Buch?
Der Klappentext versprach eine besondere, ungewöhnliche und vor allem einzigartige Geschichte. Das hat mich neugierig gemacht! Trotzdem habe ich das Hörbuch lange vor mir hergeschoben, weil es auch sehr traurig klang. Im April kam dann der richtige Zeitpunkt (dazu gleich mehr).
Meine Meinung
Das hat mir gefallen…
… der Schreibstil. Matt Haig schreibt zwar relativ einfach und schnörkellos, schafft es dabei aber trotzdem, in die Tiefe zu gehen. Bisweilen wird es sogar überraschend philosophisch! Ich fand den Schreibstil sehr anschaulich, flüssig und angenehm – auch als Hörbuch. Den natürlich wirkenden, lebendigen Dialogen habe ich ebenfalls gerne gelauscht. (Schreibstil: 5 Lilien ♥)
"'Zwischen Leben und Tod liegt eine Bibliothek'", sagte sie, "'und diese Bibliothek besteht aus endlosen Regalen. Jedes Buch bietet dir die Chance, ein anderes Leben auszuprobieren, das du hättest leben können.'" Hörbuch, 10%
… die Geschichte und die Themen. Nach längerer Zeit habe ich mit „Die Mitternachtsbibliothek“ wieder einmal ein richtig kreatives, originelles Buch erwischt! Matt Haig kann das Potential seiner Geschichte zum Glück auch nutzen. Thematisch wird es stellenweise sehr düster (Suizid, Depression, Tod, Trauer), aber auch für Hoffnung und tiefgründige, philosophische Gedanken über das Leben ist genug Platz. Das Buch regt auf jeden Fall zum Nachdenken an und lädt dazu ein, seine eigenen Lebensentscheidungen (besonders die, die man bereut) einmal von einer anderen Perspektive zu betrachten. Aber Achtung: Wer psychisch gerade sehr labil ist und selbst unter Depressionen oder sogar Suizidgedanken leidet, sollte auf diese Lektüre lieber verzichten oder sie zumindest auf einen späteren Zeitpunkt verschieben! Vor allem der Anfang der Geschichte kann einen schon ziemlich runterziehen. Das Buch beginnt damit, dass die geliebte Katze der Protagonistin stirbt. Einen ähnlichen Verlust habe auch ich vor wenigen Tagen erlitten, weshalb mich das Buch total abgeholt hat und ich mich ganz darauf einlassen und vollkommen darin versinken konnte. Manchmal braucht es schlicht das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt. „Die Mitternachtsbibliothek“ war dieses Buch für mich. Es ließ mich einige tröstliche Stunden lang der Realität entfliehen bzw. eröffnete mir eine andere, hoffnungsvollere Sicht auf das Leben. Dass die Geschichte im Mittelteil ein paar Kapitel lang auf der Stelle tritt, verzeihe ich da gerne.
Von einigen Leser·innen wurde kritsiert, dass der Autor – der ja selbst unter Depressionen leidet/litt – es in der Geschichte so darstelle, als könnten psychische Krankheiten mit dem richtigen Mindset einfach geheilt werden. Diesen Kritikpunkt kann ich sehr gut nachvollziehen! Meine Betrachtungsweise ist jedoch ein wenig anders: Meiner Meinung nach können Noras Aufenthalt in der Mitternachtsbibliothek und die vielen Leben, die sie ausprobiert, in denen sie viele neue Dinge über sich selbst lernt und in denen sie an sich arbeitet, auch als eine Art (von der Bibliothekarin Mrs. Elm angeleitete) phantastische Therapie betrachtet werden. Deshalb empfinde ich persönlich „Die Mitternachtsbibliothek“ nicht als problematisch, sondern als eine gelungene und kreative literarische Auseinandersetzung mit dem Thema „Depression“. (Geschichte: 4,5 Lilien)
… die Protagonistin und Figuren. Ich mochte Nora als Heldin sehr und fand sie von der ersten Seite an sehr sympathisch. Zudem gelingt es nur wenigen männlichen Autoren, sich so gut in eine weibliche Figur hineinzufühlen und ihr Innenleben so authentisch und nachvollziehbar zu beschreiben. Dafür gibt es von mir ein großes Lob! Jeder Mensch hat wohl die eine oder andere Entscheidung in seinem Leben getroffen, die er bereut oder die ihm keine Ruhe lässt, weil man sich immer fragt: Was wäre gewesen, wenn? Deshalb konnte ich mich sehr gut mit Nora identifizieren und mit ihr mitfühlen. Die anderen Figuren spielen alle nur kleine Nebenrollen, deshalb ist es schwer, sie zu bewerten. Zumindest ist mir hier nichts negativ aufgefallen. (Progonistin: 5 Lilien ♥, Figuren: 4 Lilien).
… die Spannung und die Atmosphäre. Besonders am Anfang, als es einen Countdown bis zum Tod von Nora gibt, fand ich das Buch sehr spannend und mitreißend! In der Mitte bricht der Spannungsbogen einmal kurz ein (nicht so schlimm), bis dann ein paar Wendungen folgen und das Buch wieder spannender wird. Ein wenig atmosphärischer hätten die Beschreibungen an manchen Stellen vielleicht noch sein können, aber das ist wirklich Kritik auf hohem Niveau. (Spannung und Atmosphäre: 4 Lilien)
… die Sprecherin. Dass ich die Sprecherin vorher schon in Filmen gesehen hatte, wurde mir erst bewusst, als ich sie googelte. Jedenfalls war mir vorher nie bewusst gewesen, dass Anette Frier so eine angenehme, tiefe und wohlklingende Stimme hat und so fesselnd und atmosphärisch vorlesen kann! Mein Highlight waren die Dialoge, die sie mit verschiedenen Stimmen, viel Persönlichkeit und sehr lebendig und emotional vorgetragen hat. Meiner Meinung nach hat ihr Vortrag das Buch noch besser gemacht! Kurz: Es wird sicher nicht mein letztes Hörbuch von Anette Frier bleiben! (Sprecherin: 5 Lilien ♥)
… der Feminismus. Auch eine feministische Analyse lässt mich zufrieden zurück: Das Buch besteht den Bechdel-Test, es gibt keine gegenderten Beleidigungen und Nora ist eine intelligente, talentierte, starke Protagonistin und übt in den verschiedenen Leben auch eine große Bandbreite von Berufen aus: Von der ehrgeizigen Sportlerin und der selbstbewussten Sängerin bis hin zur kompetenten Gletscherforscherin ist wirklich alles dabei! Insgesamt ist auch das Geschlechterverhältnis sehr ausgeglichen. (Feminismus: 5 Lilien ♥)
Das lässt mich zwiegespalten zurück:
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Das hat mir nicht gefallen:
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Mein Fazit
Für mich war „Die Mitternachtsbibliothek“ das richtige Hörbuch zur richtigen Zeit. Die philosophische, tiefgründige, originelle Geschichte hat mich absolut abgeholt, zum Nachdenken gebracht und einige Stunden lang sehr gut unterhalten. Besonders gut gefallen haben mir neben der kreativen Auseinandersetzung mit den Themen „Depression“ und „Bereuen“ der flüssige Schreibstil, die sympathische Protagonistin und die wunderbare Sprecherin. Von mir gibt es deshalb eine große Leseempfehlung!
Inhalt: Stell dir vor, auf dem Weg ins Jenseits gäbe es eine riesige Bibliothek, gesäumt mit all den Leben, die du hättest führen können. Buch für Buch gefüllt mit den Wegen, die deiner hätten sein können. ...
Inhalt: Stell dir vor, auf dem Weg ins Jenseits gäbe es eine riesige Bibliothek, gesäumt mit all den Leben, die du hättest führen können. Buch für Buch gefüllt mit den Wegen, die deiner hätten sein können. Hier findet sich Nora Seed wieder, nachdem sie aus lauter Verzweiflung beschlossen hat, sich das Leben zu nehmen. An diesem Ort, an dem die Uhrzeiger immer auf Mitternacht stehen, eröffnet sich für Nora plötzlich die Möglichkeit herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Jedes Buch in der Mitternachtsbibliothek bringt sie in ein anderes Leben, in eine andere Welt, in der sie sich zurechtfinden muss. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist?
Meine Meinung:
Cover: Das Cover spiegelt genau das wider was das Buch aussagt. Es zeigt mehrere Möglichkeiten eines Gebäudes, das an jeder Frontseite anders gestaltet ist. Besonders gut gefallen mir die kleineren Details, wie die Katze, welche auf das Gebäude zuläuft oder die Sterne im Hintergrund. Auch die Farbgebung ist perfekt gewählt, da es ein Mitternachtsblau ist.
Sprecher:in: Annette Frier hat eine sehr angenehme Stimme, welche gut zu Nora passt. Hin und wieder hätte ich mir gewünscht, dass wiederkehrende Personen ihren eigenen Sprecher bekommen, um den Wiedererkennungswert zu erhöhen. Trotzdem hat Sie ihren Job gut erledigt und mir die Geschichte angenehm nähergebracht.
Handlung: Von der Handlung wurde ich am meisten überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sich die Handlung auf einem wissenschaftlichen Phänomen aufbaut. Zunächst dachte ich, dass die Story nicht richtig fahrt aufnimmt. Das hat sich allerdings mit der Einführung der Mitternachtsbibliothek geändert. Es war spannend zu sehen, was einzelne Entscheidungen alles verändern können.
Charaktere: Nora ist eine Person die ich im wirklichen Leben nie wahrgenommen hätte. Umso interessanter war es welche Träume sie hat und wie sehr ein Sport einen Menschen unterdrücken kann. Außerdem war sie ein gutes Bespiel für einen Menschen mit Depressionen und ihren Auswirkungen. Dadurch das der Autor Nora gewählt hat, leistet er wichtige Aufklärungsarbeit.
Interessant war es auch zu sehen wie sich das Leben der Nebencharaktere auf Grund von Noras Entscheidungen verändert hat.
Fazit: Die Mitternachtsbibliothek ist wahrlich kein Buch das ich normalerweise gelesen oder gehört hätte. Aber irgendetwas hat mich von Anfang an angezogen, ob es nun das mysteriöse Cover war oder die originelle Idee, welche hinter dem Buch steckt, ich habe keine Ahnung. Im Endeffekt bin ich Netgalley.de und dem Argon Verlag wirklich dankbar für die Möglichkeit dieses Buch zu hören. Ich habe dem Buch eine Chance gegeben, weil ich bisher nur gutes gehört habe. Dieses Feedback nur kann ich im Nachhinein nur weitergeben. Dieses Buch regt den Leser zum Denken an. Das ein oder andere Mal saß ich mit offenem Mund da und musste erst einmal verarbeiten was ich gerade gehört habe und habe überlegt, wie ich mich in dieser Situation verhalten würde. Ich könnte aus dem stehgreif nicht sagen, welche Entscheidungen ich rückgängig machen will oder welche ich am meisten bereue. Darüber habe ich davor auch noch nie nachgedacht und bin erst durch dieses Buch auf diese Frage gestoßen. Komplett gecatcht hat mich das Buch als die Grundlage der Theorie genannt wurde. Als Physikinteressierter Mensch war mir Quantenphysik ein Begriff, doch soweit habe ich die Theorie noch nie gesponnen. Ich bin wirklich begeistert, wie gut der Autor die Theorie für den Leser aufbereitet hat, sodass auch Leser, welche sich mit der Theorie nicht auskennen die Grundlage verstehen konnten.
Insgesamt gebe ich der Mitternachtsbibliothek 4,5 von 5 Sternen. Den Halben Stern ziehe ich nur auf Grund der Tatsache ab das es eine gekürzte Version war und ich durchaus noch weitere Versionen ihres Lebens miterleben wollte. Ich kann dieses Buch eigentlich jedem empfehlen und könnte mir sogar vorstellen, dieses Buch als Schullektüre einzuführen. Persönlich werde ich das Buch wahrscheinlich dieses Jahr noch verschenken, da ich finde das viel mehr Menschen dieses Buch lesen / hören sollten.
Cover: 5 von 5 Sternen
Sprecher:In: 5 von 5 Sternen
Handlung: 4 von 5 Sternen
Charaktere: 4 von 5 Sternen
Was wäre wenn... Wie oft hat man sich das schon selbst gefragt. Doch alles nachdenken darüber ist eigentlich egal, denn man wird es nie erfahren. Oder doch? Zumindest in diesem Buch kann ...
Eine tolle Idee
Was wäre wenn... Wie oft hat man sich das schon selbst gefragt. Doch alles nachdenken darüber ist eigentlich egal, denn man wird es nie erfahren. Oder doch? Zumindest in diesem Buch kann die Protagonisten in einer Station zwischen Leben und Tod ihre Leben ansehen, die sie aufgrund ihrer Entscheidungen so nie gelebt hat.
Diese Idee fand ich Klasse und wollte es mir daher unbedingt anhören.
Es ist eine kurzweilige Geschichte. Es ist keine große Spannung im klassischem Sinne zu erwarten. Denn der grobe Inhalt ist direkt bekannt und wir begleiten Nora nun in ihren verschiedenen Leben. Dennoch fand ich es toll gemacht und ich habe gern zugehört und mich selbst doch wieder so manchmal gefragt "Was wäre wenn"
Annette Frier als Sprecherin fand ich toll. Ihre Stimme hat etwas beruhigendes und ich konnte mich so ganz auf die Geschichte einlassen.
"Die Mitternachsbibliothek" von Matt Haig ist als gekürztes Hörbuch mit einer Laufzeit von 6 Stunden, 44 Minuten, 50 Sekunden im Februar 2021 beim Argon Verlag - argon hörbuch - erschienen.
Gesprochen ...
"Die Mitternachsbibliothek" von Matt Haig ist als gekürztes Hörbuch mit einer Laufzeit von 6 Stunden, 44 Minuten, 50 Sekunden im Februar 2021 beim Argon Verlag - argon hörbuch - erschienen.
Gesprochen wird das Hörbuch von Annette Frier.
Nora Seed fühlt sich einsam, ungeliebt, unwichtig. Sie hat sich kürzlich von Dan getrennt und lebt allein, leidet an Depressionen. Beruflich geht gerade alles den Bach runter und dann klingelt abends auch noch der Nachbar und informiert Nora darüber, dass ihr geliebter Kater Voltaire tot am Straßenrand liegt. Das alles ist einfach zu viel und so beschließt Nora, sich umzubringen.
Allerdings stirbt sie nicht an den geschluckten Tabletten, sondern geht auf einer langen Straße entlang und steuert auf ein großes Gebäude zu - die Mitternachtsbibliothek. Dort angekommen, trifft sie auf Unmengen Bücher, eine alte Bekannte und die Erkenntnis, dass sie hier alle Leben ausprobieren kann, die sie vielleicht gern gehabt hätte...
In jedem der Bücher befindet sich eines der Leben, die sie hätte leben können. Zuerst will Nora keines ausprobieren, sondern einfach sterben. Dann wagt sie aber doch den Sprung ins Ungewisse und probiert, wie es hätte sein können, wenn...
Matt Haig hat hier eine grandiose Idee umgesetzt, denn sicherlich hat sich jeder schon einmal gefragt, was wohl wie gelaufen wäre, wenn man hier oder dort eine andere Entscheidung getroffen, einen anderen Weg eingeschlagen hätte. Man merkt, dass der Autor selbst Erfahrung mit Depressionen hat, denn er ist mit der Thematik unglaublich einfühlsam und ausdrucksstark umgegangen.
Von Anfang an hat mich die Geschichte, zuerst aufgrund der Idee, dann aufgrund der Umsetzung, absolut in ihren Bann gezogen. Ich habe mitgefiebert und gebangt und gehofft, dass Nora in einem ihrer Leben eine Variante über den Weg läuft, die sie lebenswert findet
So durchlebt der Hörer bzw. Leser mit der Protagonistin nach und nach den Weg als Olympiaschwimmerin, als Rockstar, als Gletscherforscherin usw.
Es ist aufregend, abenteuerlich, beängstigend, schön und vielfältig.
Vor allem aber wird klar, dass es in jeder Facette des Lebens Licht und Schatten, gute und schlechte Zeiten gibt. Wichtig ist, wie man damit umgeht und was man daraus macht, und das hat Matt Haig hier auf wunderbare, herzerwärmende und faszinierende Weise herausgearbeitet.
Was mir nicht so gut gefallen hat, war, dass Nora in ihren jeweiligen Leben nicht wusste, was passiert und ihre Umgebung und die Menschen, mit denen sie zusammen war, nicht kannte bzw. anders kannte. Darum war es schwierig, die jeweilige Situation realistisch zu durchleben - ich hätte es prägnanter gefunden, wenn sie ihre Rolle in jeder Lebensvariante komplett mit allem Wissen und jeglichen Gefühlen und Empfindungen übernommen hätte - dann hätte sie weitaus besser einschätzen können, was ihr gefällt.
Annette Frier hat grundsätzlich als Sprecherin einen sehr guten Job gemacht, allerdings hat sie es nicht so mit ausländischen Dialekten und, was mich ganz enorm gestört hat: Sie sagt nicht "Bibliothek", sondern "Bibiothek" ohne l, und das jedes Mal - das geht leider gar nicht und ich bin bei jeder Nenneung des Wortes drüber gestolpert, was das Hörvergnügen empfindlich gestört hat.
Aus diesen beiden Gründen gebe ich 4 von 5 Punkten, aber trotzdem eine unbedingte Hör- bzw. Leseempfehlung!