Sarahs Mann, Philipp Petersen, verschwand vor sieben Jahren auf einer Geschäftsreise in Südamerika. Er war vom Hotel aus alleine losgegangen, um einen Investor zu treffen – doch er erreichte ihn nie. Seine Ehefrau hält aber noch immer an ihm fest, weswegen sie nur langsam und unter großer Anstrengung Veränderungen ertragen kann. Die langen Haare kurz geschnitten und einen Kollegen, der in sie verliebt ist, scheint es, als würde endlich ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Die alleinerziehende Mutter beginnt wieder mehr zu leben…
Doch dann erreicht sie ein alles verändernder Anruf: Philipp ist aufgetaucht. Er lebt. Allerdings möchte er weder mit ihr skypen, telefonieren oder sonst Kontakt aufnehmen, noch möchte er, dass der gemeinsame Sohn ihn mit vom Flughafen abholt. Sarah stimmt dies ein wenig skeptisch, sie ist von der Nachricht aber viel zu aufgewühlt als dass sie sich irgendwelche Gedanken machen könnte.
Auch wenn die 37jährige auf Philipps erste Bitte eingeht, nimmt sie ihren Sohn Leo dennoch mit. Endlich wird er seinen Vater sehen; immerhin kennt er ihn so gut wie gar nicht, da er dafür noch zu jung ist.
Voller Aufregung und Vorfreude blickt sie dem Tag entgegen, an dem sie ihren Mann wiedersehen soll. Und als dieser kommt, das Flugzeug zur Landung ansetzt, Passagiere aussteigen, das Blitzlichtgewitter der Fotografen beginnt und alles nur viel zu warm und stickig wird, kann sie es kaum glauben: Offensichtlich war Philipp nicht an Bord… Erst glaubt sie an eine große Verwechslung oder einen gewaltigen Irrtum, solange, bis ein Mann vor ihr steht und behauptet ihr Mann zu sein.
Aus lauter Verwirrung bringt sie kein Wort des Protestes heraus; auch dann nicht, als der Fremde Leo hochhebt und seelenruhig in die Kameras blickt. Sarah ist klar, dass diese Person gefährlich ist und etwas im Schilde führt. Deswegen und weil der Fremde es vorab so gewünscht hat, verbringt Leo die nächste Zeit bei seinem besten Freund.
Zuhause angekommen bricht Sarah zusammen: All die Hoffnung, all das Bangen und Warten all die Jahre lang – und nun diese Enttäuschung. Worum geht es dem Fremden? Um Geld? Er spielt mit ihr, so viel ist klar. Doch je mehr sie andere von der falschen Identität des Mannes zu überzeugen versucht, desto weniger Menschen glauben ihr. Die wenigsten aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis kennen Philipp, weswegen der Hochstapler freies Spiel hat. Nur Philipps Mutter oder ein Nachbar, der Herrn Petersen schon als kleinen Jungen kannte, erkennen den Betrüger als solchen. Doch ist das nicht von Belang…
Der Fremde weiß etwas aus Sarahs Vergangenheit, dass sie daran hindert zur Polizei zu gehen. Etwas Dunkles lauert in der Vergangenheit. Niemals darf es ans Licht gezerrt werden. Kann sich Sarah dennoch von dem Mann befreien?
„Erstens, denke ich: Ich bin eine Betrügerin. Zweitens: Ich habe jemanden umgebracht. Drittens: Ich habe ein Tattoo an einer verborgenen Stelle. Eines davon ist gelogen.“ (S.37)
Nachdem ich auf der Buchmesse eine Lesung der Autorin verfolgen konnte, war ich auf „Die Wahrheit“ ganz gespannt. Der große Hype um das Buch trug sicherlich noch zu meiner Neugierde bei, allerding muss ich gestehen, dass ich von diesem Werk etwas enttäuscht bin…
Ein Grund wären die groben Logikfehler, die gar nicht so viel zur Handlung beitragen, aber dennoch stören. So möchte der Fremde Sarah beispielsweise tagelang auf etwas in ihrer Vergangenheit aufmerksam machen – etwas, wegen dem er sich in ihrem Haus einnistet. Er möchte die Wahrheit über das Schlimmste, was Sarah jemals in ihrem gesamten Leben getan hat, erfahren. Sarah zermartert sich das Hirn und kommt einfach nicht darauf, was dieser Mensch wohl meinen könnte. Merkwürdig, denn abgesehen davon, dass selbst die besten Verdrängungsmechanismen nur schwerlich derart gute Arbeit leisten könnten ein so großen Kapitel aus ihren Erinnerungen zu verbannen, hat sie bereits in den ersten Kapiteln gezeigt, dass sie sich erinnert. Da spielt sie nämlich nicht nur auf besagte Handlung an, nein, sie nennt sie auch genau. Das passt einfach nicht… Ebenso unmöglich ist es, dass ein im Garten vergrabener Ehering ca. 200 Seiten später aus der Schublade genommen wird.
Ein anderer Grund wären die groben Logikfehler, die die gesamte Handlung überhaupt ermöglichen. Hierauf kann ich leider nur ungenau eingehen, um nicht zu viel zu verraten. Nur so viel: Menschen schrumpfen nur sehr selten (in jungen Jahren) mehrere Zentimeter, wechseln die Augenfarbe oder Ähnliches… Ich muss mich wirklich beherrschen, nicht weiter auszuholen…
Möglicherweise lässt sich meine Enttäuschung auch damit begründen, dass die Figuren zu einem guten Teil nicht stimmig sind. Da wenige Kapitel aus der Sicht des Fremden geschrieben sind, erhält man einen Einblick in seine Gedanken und Gefühle, die aber nur schwerlich mit der Lösung des Falles vereinbar sind.
Zugute halten muss man dem Buch hingegen, dass die Idee des Werkes wirklich vielversprechend ist. Über einen längeren Zeitraum wird Spannung aufgebaut, Knoten und Verpflechtungen entwickelt, die am Ende aber nicht gekonnt gelöst, sondern gewissermaßen einfach durchgeschnitten wurden. Das Ende war viel zu abrupt, zu unrealistisch, zu simpel und daher sehr enttäuschend. Prinzipiell ist es ja kein Hexenwerk, die Neugierde und das Misstrauen des Lesers zu wecken: meines Erachtens anspruchsvoller ist es da eher, das Gewirr aus Handlungssträngen und falschen Fährten zum Schluss so zu lösen, dass ein schlüssiges Konstrukt entsteht. Wenn man um das Ende weiß und das Buch nochmal überdenkt, muss es Sinn ergeben. Dem war hier leider nicht so… Ein derart konstruiertes Ende zieht das ganze restliche Buch in meinen Augen mit runter…
Dabei war das Buch sonst angenehm zu lesen, da der Schreibstil ansprechend ist. Zwar hat es manchmal seine Längen – allgemein wären 100 Seiten sicherlich problemlos einsparbar gewesen – aber auf diese Weise erhält man auch viele Einblicke in das (Familien-) Leben von Sarah. Schade ist meines Erachtens jedoch, dass immer wieder, teilweise beinahe krampfhaft, Beweise, Untermauerungen, Indizien, Fallen, Irreführungen, Wendungen oder Dergleichen aus dem Ärmel geschüttelt werden, aber stets belanglos bleiben. Hin und wieder stolperte ich über die ein oder andere Ausdrucksweise wie „Es machte mich lächeln“… Noch immer bin ich mir nicht sicher ob das als Faust-Anspielung gedacht war… Wohl eher nicht…
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich. Auch von Szene zu Szene… Sarah ist mal stark, unglaublich tough und eine Kämpfernatur, dann kann sie vor lauter Stress und Übelkeit das Badezimmer gar nicht mehr verlassen. Nun gut, man verhält sich ja nicht immer gleich. Dass sie aber, kurz nachdem sie sich seelenruhig mit dem Fremden unterhalten hat, wie eine reizvolle Herausforderung für den nächsten Psychologen bewaffnet durch die Gegend eilt, ist dann schon wieder etwas abstrus…
Der Fremde bleibt sich allerdings auch nicht gerade treu und spielt – mit welchem Grund auch immer – mit der zunehmend von Leid erfüllten Sarah. Ich konnte mir kein schlüssiges Bild von ihm machen…
So beginnt „Die Wahrheit“ sehr spannend und weckt dank des Klappentextes die Neugierde des Lesers. Dieser muss dann zwar immer wieder längere Passagen abwarten bis wieder etwas geschieht, kann sich aber in der Zwischenzeit bereits einige Gedanken zur möglichen Auflösung des Falles machen. Diese werden aufgrund zahlreicher Fehlinformationen – und einiger Logikfehler – wohl eher nicht mit dem von der Autorin vorgesehenen Ende übereinstimmen. Auf diese langatmigeren Abschnitte folgen äußerst spannende, was zum Weiterlesen motiviert. Irgendwann hat sich die Handlung aufgrund der vielen falschen Fährten dann jedoch in eine Sackgasse manövriert, sodass keine plausible Möglichkeit mehr übrig bleibt – weswegen die Mauer am Ende der Straße sich plötzlich in ein „Kehren Sie zurück zum Los“-Feld verwandelt. Das Buch hört wirklich sehr enttäuschend auf und lässt den Leser fassungslos mit einem „Das soll es gewesen sein?“ zurück.
Auch, wenn mich das als Thriller betitelte Buch unterhalten konnte und sicherlich seine guten Elemente sowie eine vielversprechende Idee hatte, bleibe ich nach der letzten Seite sehr enttäuscht zurück. Daher bin ich mir auch recht unsicher ob der Bewertung…
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