Liebe Daisy,
Es war einmal ein Buch mit einem wunderschönen Cover, das immerzu von einem jungen Mädchen bewundert wurde, bis es eines Tages den Mut fasste, es zu kaufen und zu lesen. Tja, und nun sind wir hier. Wie du dir schon denken kannst, handelt es sich bei dem Mädchen um mich und bei dem Buch um kein anderes als Hazel Wood von Melissa Albert, das bereits 2018 bei Dressler erschienen ist. Ja ich weiß, ich habe lange gebraucht, um mich dazu durchzuringen, es zu kaufen. Warum eigentlich? Der Inhalt klang doch so vielversprechend:
Die Geschichte dreht sich um Alice, die gemeinsam mit ihrer Mutter lebt. Die beiden bleiben nie lange an einem Ort, weil immerzu merkwürdige Dinge um sie herum passieren. Doch Hauptsache, sie haben einander. Aber dann verschwindet Alice’ Mutter plötzlich. Alice weiß, dass die Antworten in Hazel Wood, dem mysteriösen Anwesen ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter, auf dem sie noch nie gewesen ist, liegen müssen. Gemeinsam mit einem Klassenkameraden macht sie sich auf den Weg dorthin, denn obwohl sie die Märchen, die ihre Großmutter geschrieben hat, nie gelesen hat, hat sie die Vermutung, dass mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit in ihnen steckt.
Wie du weißt, bin ich ein großer Fan von Märchen. Leider muss ich sagen, dass ich in diesem Fall enttäuscht von der versprochenen Märchenwelt war. Die ersten zwei Drittel des Buches spielen in der Realität und drehen sich nur darum, nach Hazel Wood zu kommen. Ich fürchte, ich habe schon zu viele Jugendbücher, die sich um Road Trips drehen, gelesen, um davon beeindruckt zu sein. Ich hatte vorab gehört, dass das Buch eine Empfehlung für Fans von Caraval sei und hatte auf etwas der Magie dieses Buches gehofft. Das hat sich aber leider nicht eingelöst; auch nicht, als die Protagonistin dann in der Welt der Märchen angekommen war. Diese waren weniger an den romantisch verträumten Disney Versionen, als an denen der Gebrüder Grimm angelehnt. Das hat durchaus seine Berechtigung, war aber leider nicht das, was ich mir in diesem Fall erhofft hatte. Zudem fühlte sich dieser Teil des Buches sehr episodisch an: Alice gelangte von einer Figur zur nächsten und musste Aufgaben lösen, um passieren zu dürfen. Die einzelnen Begegnungen waren jedoch kaum auf einander aufbauend und entsprechend austauschbar (und stellenweise fast so konfus wie ihr Namensvetter Alice im Wunderland). Ich hätte mir an dieser Stelle einen besser entwickelten Spannungsbogen gewünscht. Wobei ich dem Buch zugestehen muss, dass es gegen Schluss etwa dreißig Seiten hat, deren narrative Entwicklung spannend und innovativ war. Davon hätte ich mir mehr gewünscht! (Für diejenigen, die es interessiert, was ich mochte: Kapitel 28–30.)
Ich muss jedoch sagen, dass ich noch ein anderes Problem mit diesem Buch hatte und das war die Protagonistin, Alice. Sie ist von Anfang an eine unsagbar unsympathische Person, die ohne jeden Grund Wutanfälle hat und gemein zu anderen Menschen ist. Sie ist sich dessen auch bewusst, da sie es mehrfach reflektiert - aber ohne Konsequenzen zu ziehen oder ihr Verhalten zu ändern. Ich muss dem Buch zugestehen, dass es die Charakterzüge von Alice später noch aufarbeitet, aber ich bin mir leider trotzdem nicht sicher, ob das Konzept aufgeht. Während des Lesens war ich einige Male drauf und dran, das Buch abzubrechen, weil ich mich so wenig mit der Protagonistin identifizieren konnte und genervt von ihrem Verhalten war. Ich verstehe, dass es wesentlich für spätere Entwicklungen ist, aber über ca. 200 Seiten genervt von der erzählenden Figur zu sein, hilft keinem Buch. Ich habe das Gefühl, dass das dadurch verstärkt worden ist, dass Hazel Wood aus ihrer Perspektive geschrieben war. Vielleicht hätte eine neutralere Erzählform geholfen, sich mehr mit anderen Figuren zu identifizieren und den Grad des genervt Seins von Alice entsprechend verringert?
Alles in allem muss ich sagen, dass mich das Buch leider nicht überzeugen konnte. Das Cover ist und bleibt wunderschön, aber die Erzählung hat nicht meinen Erwartungen entsprochen und mir fehlte die Identifikationsfigur, die mich in die fiktive Welt gezogen hätte.
Deine Daffy