Bei einem Blick in die Vorschau des Carlsen Verlags ist mir „Zusammen sind wir unendlich“ sofort ins Auge gesprungen. Obwohl das Cover ziemlich schlicht ist, war es bei mir Coverliebe auf den ersten Blick. Der Klappentext überzeugte mich auch auf Anhieb, sodass für mich schnell feststand: Die Geschichte von Sophia und Josh möchte ich unbedingt lesen!
Sophia ist ein absolutes Mathegenie und glänzt auch in allen weiteren naturwissenschaftlichen Fächern mit Spitzennoten. Klare Strukturen, das ist einfach ihr Ding. Was ihr dafür deutlich weniger liegt, ist Smalltalk. Das Gen dafür scheint sie irgendwie nicht abbekommen zu haben. Sophia lebt in ihrer eigenen Welt und gilt in ihrer Schule als Außenseiterin und Sonderling. Diesen Stempel trägt auch Josh. Josh ist ebenfalls anders. Er ist groß, schlacksig, er fängt an zu lispeln, wenn er aufgeregt ist und er begeistert sich sehr für Zauberkunststücke.
Sophia und Josh hatten bisher kaum Kontakt zueinander, was sich aber bald ändern soll. Josh ist schon etwas länger in Sophia verliebt, hat sich aber nie getraut, sie auf sich aufmerksam zu machen. Nun aber, drei Monate vor dem Abschluss, fasst Josh sich endlich ein Herz. Das Sophia-Beobachten reicht ihm einfach nicht mehr. Es soll sich schließlich etwas Zartes zwischen den beiden entwickeln, aber kann daraus auch mehr werden? Schließlich handelt es sich hier um Sophia, die Schwierigkeiten mit der Empathie hat und Panikattacken bekommt, wenn sie ihre Komfortzone verlässt und mit Veränderungen konfrontiert wird.
Melissa Keil ist hier eine ganz besondere Geschichte über zwei ganz besondere Menschen gelungen, welche mir tolle Lesestunden beschert hat. Ich hatte nur anfangs leichte Probleme gehabt, in die Handlung reinzukommen und zwischendurch waren mir einige Stellen ein bisschen zu langatmig. Zudem bin ich leider mit der Protagonistin Sophia nicht komplett warmgeworden. Mit vollen 5 Sternen werde ich das Buch daher nicht bewerten können, aber wärmstens empfehlen kann ich „Zusammen sind wir unendlich“ natürlich dennoch.
Woran genau es gelegen hat, dass ich leichte Startschwierigkeiten hatte, kann ich noch mal so genau nicht sagen. Am Schreibstil lag es nicht, dieser liest sich wunderbar. Er ist flüssig, humorvoll und lebendig. Vielleicht lag es an der Protagonistin Sophia. Wir bekommen die meisten Kapitel aus ihrer Sicht zu lesen und Sophia ist, wie der Klappentext ja bereits erwähnt, anders. Was genau sie hat, wird nicht beim Namen genannt, aber anhand ihres Handelns und Denkens gehe ich davon aus, dass sie an einer Form des Autismus leidet. Sophia ist schon ein recht gewöhnungsbedürftiger Charakter. Aufgrund ihrer Störung lebt sie in ihrer eigenen Welt und verlässt selten ihre Komfortzone. Ihre einzige Freundin ist Elsie. Sie gibt ihr Halt, ein Leben ohne sie kann Sophia sich kaum vorstellen. Dass Elsie nach der Schule in die USA gehen wird, macht Sophia daher große Angst. Wie wird ihr Leben ohne ihre beste Freundin aussehen?
Sophia plagen immerzu Sorgen, Selbstzweifel und Ängste. Für sie ist es ein ständiger Kampf, sich in der Welt zurechtfinden, da andere Menschen ihr ein einziges Rätsel sind. Ich hatte großes Mitleid mit Sophia, allerdings muss ich gestehen, dass mich ihre Gefühle nicht komplett erreichten konnten. Bei ihr haben mir einfach die Emotionen gefehlt, was vermutlich an ihrer Störung liegt. Zudem habe ich ihr Denken stellenweise als etwas anstrengend empfunden. Sophia macht sich über viele Dinge so ihre Gedanken. Sie ist extrem intelligent, was durch ihre oft sehr komplexen Gedankengänge auch mehr als deutlich wird. Diese waren mir teilweise etwas zu ausschweifend, was dann vermutlich auch dazu geführt hat, dass ich das Buch an einigen Stellen als etwas langatmig empfunden habe.
Ich persönlich mochte die Kapitel aus der Perspektive von Josh lieber. Wir erfahren die Geschichte sowohl aus der Sicht von Sophia als auch aus der von Josh, wobei die Kapitel von Sophia deutlich dominieren. Josh habe ich vom ersten Moment an ganz fest in mein Herz geschlossen. Er ist so ein süßer und total lieber Kerl. Er macht irgendwie immer ein leicht trotteligen Eindruck, was ihn allerdings nur noch sympathischer macht. Josh ist schon etwas eigenwillig, dies aber auf eine total liebenswerte Weise. So lebt er zum Beispiel, dank einer früheren, sehr ausgeprägten Harry Potter-Phase, in einem minikleinen Zimmer (ähnlich klein wie Harrys Schrank unter der Treppe bei den Dursleys) und das auch heute noch, obwohl seine Eltern sehr reich sind und ein ziemlich großes Haus besitzen. Dann wäre da auch noch Joshs Vorliebe für Zaubertricks, was ihn auf andere vermutlich auch oft etwas komisch wirken lässt. Ja, Josh und Sophia haben wirklich eine große Gemeinsamkeit: Beide sind sie anders und habe ihre Eigenarten und Ticks. Für beide ist es nicht einfach, sich in der Welt zurechtfinden.
Vermutlich könnt ihr euch denken, dass die Aufeinandertreffen der beiden stellenweise sehr unterhaltsam und lustig sind. Obwohl die Handlung viele ernsthafte Themen behandelt und sehr zum Nachdenken anregt, hat sie auch etwas herrlich Locker-Leichtes und zaubert einen immer wieder ein breites Lächeln aufs Gesicht. Der Humor in dem Buch war auf jeden Fall vollkommen meiner, ich hatte hier eine Menge Gründe zum Schmunzeln. Ich fand es so schön zu sehen, wie langsam eine zarte Beziehung zwischen den beiden Jugendlichen entsteht und habe wie gebannt mitverfolgt, wie sie sich entwickelt.
Neben Sophia und Josh dürfen wir auch noch so einige weitere tolle Charaktere kennenlernen. Elsie habe ich ja bereits erwähnt, sie mochte ich richtig gerne. Wen ich auch super fand, war Josh kleine Schwester Gillian. Sie ist … hm, auch etwas spezieller. Scheint wohl in der Familie zu liegen. ;)
Wen ich einfach nur genial fand, ist Damien. Er nimmt leider nur eine recht kleine Nebenrolle ein. Fand ich irgendwie ein bisschen schade, er ist so witzig! Jedermanns Geschmack wird sein Humor nicht sein, aber mir hat er gefallen, ich musste so über Damien lachen. :D
Fazit: Insgesamt hat mir „Zusammen sind wir unendlich“ echt gut gefallen. Ein paar kleine Schwächen hat das Buch zwar für mich, aber allzu sehr gestört haben sie mich eigentlich nicht. Die Liebesgeschichte, die hier erzählt wird, ist einfach so erfrischend anders und außergewöhnlich. Sie ist ernst, zugleich aber auch humorvoll. Die Charaktere sind einzigartig und durch ihre Ecken und Kanten so herrlich authentisch. In meinen Augen ist „Zusammen sind wir unendlich“ ein wundervoller Roman über das Anderssein, Liebe und Freundschaft. Ich kann das Buch wärmstens empfehlen und vergebe 4 von 5 Sternen!