Fakten und Fiktion gekonnt verknüpft
Dieser historische Roman beschert uns Einblicke in eine Zeit des Umbruchs und gleichzeitig in das Leben der 1901, als Johanna Maria Magdalena Behrend (zunächst) unehelich geborenen Tochter eines Dienstmädchens. ...
Dieser historische Roman beschert uns Einblicke in eine Zeit des Umbruchs und gleichzeitig in das Leben der 1901, als Johanna Maria Magdalena Behrend (zunächst) unehelich geborenen Tochter eines Dienstmädchens. Als ihre Mutter in zweiter Ehe den jüdischen Kaufmann Richard Friedländer heiratet und der das Mädchen adoptiert, wächst sie in einem bürgerlichen Umfeld auf. 44 Jahre später wird sie im Führerbunker ihre sechs Kinder vergiften und anschließend Selbstmord verüben. Der geneigte Leser wird nun wissen, von wem die Rede ist, nämlich von Magda Goebbels, geschiedene Quandt.
Wir lernen die junge Johanna Maria Magdalena Friedländer kennen, die mit knapp 19 Jahren den verwitweten Industriellen Günther Quandt (und seine Söhne) heiratet und den gemeinsamen Sohn Harald bekommt. Doch recht bald langweilt sie das komfortable Leben und Madame Quandt, wie man sie nennt, betrügt ihren Mann mit wechselnden Liebhabern.
Wenig später, nach der, für sie lukrativen, Scheidung (1929) von Günther Quandt, zieht sie in eine Wohnung am Reichskanzlerplatz und schließt sie sich gänzlich der NSDAP an. Dort erregt sie die Aufmerksamkeit von Joseph Goebbels und Adolf Hitler. Als Ehefrau des Propagandaministers wird sie nun Magda genannt und, nachdem sie in schneller Abfolge, insgesamt sechs weitere Kinder zu Welt bringt, zur Vorzeigemutter des Reiches hochstilisiert.
Als sich Goebbels 1938 in die tschechische Schauspielerin Lida Baarová (1914-2000) verliebt und eine Menage à trois von Magda verlangt, wendet sich Magda an Hitler, der Goebbels eine Scheidung verbietet.
Meine Meinung:
Die Erzählweise ist recht ungewöhnlich gewählt, denn es ist der fiktive, schwule Hans Kesselbach, der als Ich-Erzähler fungiert. Kesselbach ist mit Hellmuth Quandt in dieselbe Klasse gegangen, beide schwärmen für die schöne Madame Quandt, die nur wenige Jahre älter ist. Er beginnt eine Affäre mit ihr, um seine Homosexualität zu vertuschen, die in Deutschland verboten ist .
Immer wieder kreuzen sich die Lebenswege von Hans Kesselbach und Magda Goebbels. Dass Magda Goebbels keinen Finger für vom Regime bedrohte Menschen rührt, ist an jener Stelle zu lesen, als sich völlig ungerührt, ganz nebenbei erzählt, dass ihr Stiefvater Richard Friedländer sei im KZ Buchenwald an einer „Lungenentzündung“ verstorben. Ein jüdischer Stiefvater passt so gar nicht in das Leben der fanatischen Vorzeigemutter.
„Siehst du Hans, es wird niemand bevorzugt, auch wir nicht. Wir essen unseren Eintopf und zahlen unseren Teil.“ (S. 249)
Dieser historische Roman lässt zahlreiche reale Prominente aufmarschieren. Von Auwi, dem Sohn des ehemaligen Kaisers über zahlreiche Größen des NS-Regimes bis hin zu zahlreichen Verfolgten.
Der Roman kommt ohne direkte Rede aus, was mich diesmal eigenartigerweise nicht allzu sehr gestört hat. Geschickt sind die Lebensläufe der realen Personen mit jenen der fiktiven verquickt. Eine Biografie der Magda Goebbels ist dieser historische Roman nicht. Wer eine solche lesen möchte, muss zu anderen Büchern greifen.
Interessant ist, wie sich der fiktive Hans Kesselbach durch die für Homosexuelle höchst bedrohliche Zeit laviert. Dabei kann er deutlich sehen, wie es den gleichgeschlechtlich Liebenden ergeht. Eine pro-Forma-Hochzeit, die für ihn nützlich sein könnte, lehnt er recht lange ab.
Der Schreibstil ist eindringlich und zeichnet ein gelungenes Bild jener Zeit.
Fazit:
Gerne gebe ich diesem historischen Roman 5 Sterne.