Auf dem Weg zur Gleichberechtigung im islamisierten Norden
WintermaidLhan ist die Wintermaid. „Die Jungfrau, die alle zehn Winter ausgesandt wurde, um den Bergen zu zeigen, wer die wahren Herrscher im Gebirge waren. Nicht die Schneestürme, Lawinen, Steinschläge oder Eisgeister. ...
Lhan ist die Wintermaid. „Die Jungfrau, die alle zehn Winter ausgesandt wurde, um den Bergen zu zeigen, wer die wahren Herrscher im Gebirge waren. Nicht die Schneestürme, Lawinen, Steinschläge oder Eisgeister. Nein, die Menschen waren es. Denn selbst ein schwaches Mädchen konnte es mit dem Winter in den Bergen aufnehmen und ihn bezwingen.“ (S.19)
Deswegen sitzt Lhan mit einem verletzten Knöchel und einem sterbenden Widder in einer Höhle und lauscht den Schreien eines Eisgeistes. Sie hat Angst. Sie hat so viel über Eisgeister gehört: „Jedes Kind wusste was mit Menschen geschah, die von einem Eisgeist gebissen wurden. Sie verwandelten sich selbst in Eisgeister, dazu verdammt im Gebirge zu hausen und des Nachts in die Häuser einzudringen, um Säuglinge im Schlaf zu ersticken oder Menschen bei lebendigem Leibe aufzufressen.“ (S. 26)
Ihr gesamtes Wissen über Eisgeister hat sie vom Zeremonienmeister gelehrt bekommen. Zwei Jahre lang wurde sie darauf vorbereitet die Wintermaid zu sein. In ihrem Dorf herrschen die Männer. Frauen gehören den Männern und dürfen ohne männliche Begleitung das Haus nicht verlassen. Deswegen ist es eine große Ehre als Wintermaid in die Berge zu ziehen. „Als gäbe es eine Frau, die über ausreichend Verstand verfügte, ein Volk zu regieren. […] Jedes Kind wusste, dass nur Männer geborene Anführer waren. Frauen zählten lediglich zum Besitz eines Mannes. Im Grunde waren sie nicht einmal richtige Menschen.“ (S. 40) „Bei einem Brand bestanden die Männer im Dorf darauf, dass ihre Frauen eher verbrannten, als das sie von anderen Männern auf offener Straße angeschaut werden konnten.“ (S.91)
In den Bergen trifft sie auf einen Eisgeist, betäubt ihn und schafft ihn in ihr Dorf zurück. Auf dem Weg dahin, plappert der Eisgeist viel unsinniges Zeug und Lhan ist bemüht sich nicht davon durcheinander bringen zu lassen. „Sie wollen, dass du hier oben stirbst“, fuhr der Eisgeist fort. „Du bist ein Opfer für die grausamen Götter der Berge. Dein Tod soll sie besänftigen. Dabei gibt es gar keine Götter in den Bergen, nur die Kräfte der Natur. Erosion, Tektonik, Feuer speiende Berge, Lufstströme ...“ „Schweig!“ […] „Eisgeister sind wie die Kirschvögel, […]. Sie reden nicht, sie plappern nur wirres Zeug.“ (S. 36)
Sie kann dem Eisgeist nicht glauben, obwohl sich im Dorf schnell zeigt, dass er mit seiner Aussage recht hat.
Der Dorfalltag, in dem Frauen nichts dürfen, nichts können und schon gar nichts sind, ist überspitzt dargestellt. Viele Verhaltensweisen, Ansichten und Regeln sind überzogen, wie oben im Zitat von S.91 gezeigt. Der Vergleich mit dem Islam drängt sich förmlich auf.
Die gleichberechtigte Gesellschaft der Eisgeister steht dazu im starken Kontrast . Sie werden von einer Königin regiert, teilen ihr Wissen mit allen und sind von Grund auf friedliche Wesen.
Die Wintermaid Lhan ist das beste Beispiel dafür, wie sehr die Frauen unterdrückt und dumm gehalten werden: sie wiederholt alles über die Eisgeister, was sie vom Zeremonienmeister gelernt hat, obwohl ihre Beobachtungen dem widersprechen, wie im Zitat oben von S. 26. Als sie ins Dorf zurück kehrt, wird ihr offenbart, dass sie an einen Mann verkauft wurde und akzeptiert dies nur widerwillig. „Ihr Ehemann würde stolz auf sie sein. […] Aber wenn sie dem alten Horg eine ergebene Ehefrau wäre, dann könnte sie es vielleicht wagen, ihn um Geld für ihre Mutter zu bitten.“ (S.58-59) Die Sitten sind barbarisch: „Ich habe den Beschneider einbestellt. Morgen Nacht […] macht er aus dir eine richtige Frau. Das ist mein Hochzeitsgeschenk für dich.“ (S.75)
In Wintermaid gibt es zwei zentrale Themen: Lhans Abenteuer in den Bergen und die Rolle der Frauen in ihrem Dorf. Im Anhang findet sich „Eine unsortierte Faktensammlung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt“ (S.189) mit einigen Fakten und ihren Quellen bezüglich der Unterdrückung der Frau in der heutigen Zeit.
Es bleibt zu hoffen, dass Lhan sich nicht in eine männerhassende Feministin wandelt, die das generische Maskulinum ablehnt und in ihrem Hang zur Gleichberechtigung den Gender* überstrapaziert. Dahingehend habe ich hohe Erwartungen an die Fortsetzung, die von der Autorin schon angekündig wurde.