Sex sells ... oder so
Vorweg möchte ich ein paar Worte verlieren: ich habe mich bei dieser Rezension ein bisschen in Rage geschrieben. Ich möchte mit diesen Worten niemanden verletzen. Ich kann mir vorstellen, dass einige Leser*innen ...
Vorweg möchte ich ein paar Worte verlieren: ich habe mich bei dieser Rezension ein bisschen in Rage geschrieben. Ich möchte mit diesen Worten niemanden verletzen. Ich kann mir vorstellen, dass einige Leser*innen auf den Seiten dieses Buches genau den Inhalt finden, den sie brauchen, und die Botschaften darin willkommen heißen. Meine Rezension begründet sich hauptsächlich auf Erwartungen, die durch die Art der Vermarktung des Buches hervorgerufen und nicht erfüllt wurden.
Inhalt:
In diesem Buch geht es um April und Markus. Sie ist Fan der Serie "God of the Gates", er einer der Hauptdarsteller. April postet ein Foto von sich im Cosplay eines Seriencharakters und bekommt einiges an Hate für ihr starkes Übergewicht. Schockiert von diesen Reaktionen im Internet bittet Marcus sie öffentlich um ein Date. Die beiden treffen sich und April durchschaut schnell, dass Marcus nicht der eitle Dummkopf ist, den er öffentlich zu sein vorgibt. Und Markus merkt ziemlich schnell, dass er April bereits lange kennt. Nämlich von einem Fan-Forum, in dem er unter geheimer Identität Fanfictions zu seiner eigenen Serie schreibt. Die beiden sind online richtig gut befreundet, allerdings kennt sie nicht seine wahre Identität.
Meine Meinung:
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht am besten bei meinen Erwartungen an das Buch. Es wird beworben mit "hinreißend komisch", "zutiefst romantisch" und damit, dass es um das Thema "Fankultur" gehen soll. Ich habe also eine süße flauschige Romanze voller Fangirl-Momente erwartet. Bekommen habe ich zu Beginn vier richtig gute Kapitel, dann ganz viel Sex, Sex und ... nochmal Sex. Das Thema "Fankultur" habe ich bis auf das Fanfiction-Schreiben der Protagonisten nicht mitbekommen, humorvoll fand ich hier nichts (ich habe eine Ahnung, was als "hinreißend komisch" bezeichnet wird, fand das aber einfach nur albern) und romantisch war hier schon mal überhaupt nichts (für mich).
Wie gesagt, die ersten vier Kapitel fand ich richtig gut. Ich war extrem begeistert von der Fanfiction-Idee, ich mochte die Zwischenkapitel, in denen wir entweder Chatverläufe von Aprils und Markus' (geheimer) Fanfiction-Identität verfolgen oder der im vorangehenden Kapitel erwähnten Fanfictions lesen konnten. Gleichzeitig sind wir dabei, wie sich Marcus und April im echten Leben kennen lernen. Zugegeben, das erste Date ist nicht besonders aufregend, aber ich mochte den Schreibstil und ich mochte es, die Charaktere etwas näher kennen zu lernen. Vor allem Aprils Beruf als Geologin ist ja doch ziemlich ungewöhnlich für New Adult. Ich mochte es, dass dieses Buch einfach ein bisschen anders ist. Und auch das zweite Date in einem Museum hatte was. Ich mein, ein Date im Museum. Wenn dass nicht auf fluffige Romanze hindeutet, was denn dann?
Doch dann ging es los. Ich bekam nicht nur ein Kapitel voller Sex, sondern gleich zwei. Hintereinander. Und versteht mich nicht falsch, Sex in Büchern ist für mich okay. Aber ich habe es bei der Aufmachung des Buches und dem Marketing nicht in diesem Ausmaß erwartet. Ich habe nicht erwartet, dass die beiden Charaktere auf der Straße vor den Paparazzi beinahe übereinander herfallen. Ich habe bei einem Liebesroman, in dem Worte wie Fluff vorkommen, nicht seitenweise expliziten Sex mit durchaus vulgärer Sprache erwartet.
Ehrlich, mit dieser Masse an Sex und dem extremen Fokus darauf, komme ich immer noch nicht klar. Hätte ich das gewusst, hätte ich das Buch nicht gelesen. Denn wie gesagt, ich habe eine kuschelige Fangirl-Romanze erwartet. Natürlich war mir klar, dass es auch um Bodypositivity gehen wird. Denn damit wird ja auch geworben und die Protagonistin ist nun einmal übergewichtig. Es ist klar, dass das Thema Inhalt des Buches sein wird. Aber im Prinzip hatte das Buch nur eine Botschaft: Dicke Frauen können begehrenswert sein und heißen Sex haben. Und diese Botschaft ist super, Botschaften in Büchern sind wichtig. Ich hätte es nur lieber, wenn man mir die Botschaft nicht mit der Faust ins Gesicht schlägt. Ich mag das lieber unterschwellig. Wahrnehmbar, aber unterschwellig.
Denn durch das über allem stehende Dicke Frauen können heißen Sex haben kam das, was ich mir von dem Buch erhofft habe ("Fankultur" wir erinnern uns) einfach viel zu kurz. Denn die Botschaft wurde nicht nur mit den bereits erwähnten zwei Kapiteln voller Sex vermittelt. Es folgte noch jeeeede Menge weiterer Sex.
Und es ist ja nicht nur die Fankultur, die mir dadurch sehr gefehlt hat. Die Charakterentwicklung kam ebenfalls zu kurz. Denn wenn die Charaktere ständig heißen Sex haben müssen, können sie sich nicht mit ihren toxischen Eltern auseinandersetzen. Das muss dann in den letzten 20 Seiten hastig abgearbeitet werden, damit die Charaktere im Epilog wieder Sex haben können. Natürlich ist das jetzt sehr überspitzt dargestellt. Aber Tatsache ist: Marcus und April haben beide toxische Verhältnisse zu ihren Eltern, denen sie nie schlank genug oder klug genug sind. Ob ein Liebesroman zweimal den gleichen Konflikt braucht, ist eine andere Frage, aber Fakt ist, dass die Aufarbeitung der Elternbeziehungen beider Charaktere einfach viel, viel zu kurz kommt. Und ich habe den Kontakt zu einem toxischen Familienmitglied abgebrochen, ich weiß wovon ich spreche. Es ist verdammt schwer. Und bräuchte deshalb deutlich mehr Raum. Aber schon klar, das hat keinen Platz, wir brauchen ja die Botschaft mit dem heißen Sex (Ironie off).
Leider haben die Charaktere nicht unbedingt dafür gesorgt, dass das Buch besser in Erinnerung bleiben wird. Marcus empfand ich nämlich als ziemlich langweilig für einen Love Interest und zu April hatte ich so viel Distanz, dass ich von ihr fast gar keinen Eindruck habe. Meiner Meinung nach wurde das Buch eher über Markus erzählt als über April. Aber vielleicht macht sie auch einfach nur aus, dass sie übergewichtig ist und trotzdem heißen Sex haben kann.
Sorry, ich bin einfach wütend darüber, wie viel Potenzial das Buch hatte und wie viel davon verschenkt wurde. Ich könnte nämlich noch viel mehr schreiben, aber ich will den Rahmen nicht sprengen.
Ich habe inhaltlich halt viel, viel mehr erwartet als seitenweise Sex. Weil durch den vielen Sex so vieles zu kurz kam, hätte das Buch eigentlich sogar nur einen Stern verdient. Zwei sind es geworden, weil ich zumindest die ersten vier und dann auch wieder die letzten paar Kapitel richtig gut fand. Der Mittelteil ist aber leider für die Tonne.