Cover-Bild Dieses ganze Leben
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 28.10.2020
  • ISBN: 9783257071443
Raffaella Romagnolo

Dieses ganze Leben

Maja Pflug (Übersetzer)

Paola passt nicht in diese Welt, findet sie. Wo Glanz und Erfolg das Maß vorgeben, hält sie sich lieber an ihren Bruder, der im Rollstuhl sitzt, gerne Schach spielt und auf Likes pfeift. Auf täglichen Spaziergängen mit ihrem Bruder gelingt es Paola, Gegenden zu erkunden, wo sie das wahre Leben vermutet – das so ganz anders ist, als sie dachte.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.11.2020

Atemlose Coming of Age Geschichte

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Von wegen, mit 16 Jahren ist das Leben so herrlich. Paola jedenfalls ist mit sich und der Welt nicht im Reinen, dabei hat die Protagonistin in Raffaela Romangnolos Coming of Age-Roman "Dieses ganze Leben" ...

Von wegen, mit 16 Jahren ist das Leben so herrlich. Paola jedenfalls ist mit sich und der Welt nicht im Reinen, dabei hat die Protagonistin in Raffaela Romangnolos Coming of Age-Roman "Dieses ganze Leben" zumindest materiell alles, was andere sich so wünschen. Die Unternehmertochter wohnt in einer Villa mit Pool, stets gibt es das neuest Tablet- und Handymodell. Aber abgesehen davon, dass die gefühlte emotionale Abwesenheit der Eltern die besten Voraussetzungen für Wohlstandsverwahrlosung bietet, kann Paola weder sich selbst akzeptieren, noch hat sie das Gefühl, von anderen jemals akzeptiert oder gar geliebt werden zu können: Zu groß, zu dickt, schlechter Teint, in der Schule gemobbt.

Das Mädchen, dass sich gerne in die Welt seiner Bücher flüchtet scheint auch zu Hause ganz im Schatten ihres jüngeren Bruders Ricchi zu stehen. Der ist schwerbehindert, seine Pflege, Therapie usw stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit, die Mutter scheint Paola nur mit Diät und Fitness-tipps zu beachten. Dass sowohl die Mutter als auch die Oma überaus attraktiv sind, macht das Heranwachsen für Paola nicht gerade leichter.

Der einzige, bei dem sie sich verstanden fühlt, ist Antonio, in der Schule ein paar Klassen über ihr und buchstäblich "from the wrong side of the tracks", wohnt er doch in einer Sozialsiedlung, die die Baufirma von Paolas Familie gebaut hat. Diese Siedlung unweit der Villa auf der "schlechten" Seite der Straße ist Paolas Mutter verhasst - ein Grund mehr für Paola und Ricchi, dort abzuhängen, wenn sie angeblich Richtung Golfklub spazieren. Zu ihrem heimlichen Protestverhalten gehört auch, sich auf der Tankstelle mit Junkfood zu versorgen.

Das könnte nun leicht in Richtung Teenager-Kitschromanze gehen, aber zum Glück findet die Autorin einen ganz anderen Dreh, wenn Paola in ihrem aufgeregten, hastigen innerem Monolog über sich, das Leben und das Schweigen in der Familie reflektiert. An ihre imaginäre Freundin Carmen gewandt lässt sie den Frust ihres Alltags ab, die Wut über die vielen unbeantworteten Fragen. Denn die heile Welt in der Villa bekommt Risse: Carabinieri stehen vor der Tür, der Vater schreddert Dokumente. Immer drängender stellt Paola Fragen, will sich mit dem Schweigen nicht abfinden.

"Alle glücklichen Familien ähneln einander. jede unglückliche Familie ist auf ihre Art unglücklich, und unsere Art ist das Schweigen", paraphrasiert sie einmal "Anna Karenina". Es ist, so könnte man sagen, ein buchstäblich vergiftetes Schweigen, und erst, als es gebrochen wird, ist das nicht nur ein Befreiungsschlag für Paola, sondern für alle Frauen der Familie mit ihren verborgenen Geheimnissen, ihren alten Narben und verdrängten Sehnsüchtigen. So sprunghaft die Gedankenwelt Paolas in den ersten Kapiteln ist, so reift sie an den Herausforderungen. Das Leben mit 16 mag ganz schön kompliziert sein, doch am Ende ist nicht nur Paola ein ganzes Stück erwachsener geworden. Ein Buch voller Atemlosigkeit, das den Gefühlswirrwarr, die Emotionalität und Unbedingtheit junger Menschen auch den älter gewordenen Lesern wieder in Erinnerung ruft.

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Veröffentlicht am 24.11.2020

Berührende Geschichte

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Werden die Dinge, die dir heute passieren, morgen weh tun? (S. 216)

Die 16-jährige Paola passt nicht in diese Welt – findet sie. Nicht in das große Haus, nicht in dieses Leben, das ihre Mutter ihr versucht, ...

Werden die Dinge, die dir heute passieren, morgen weh tun? (S. 216)

Die 16-jährige Paola passt nicht in diese Welt – findet sie. Nicht in das große Haus, nicht in dieses Leben, das ihre Mutter ihr versucht, aufzudrängen, wo tadellos auszusehen hat, erfolgreich und beliebt sein soll. Freunde hat sie keine, verbringt viel lieber die Zeit mit ihrem Bruder Richi, der im Rollstuhl sitzt. Damit sie nicht dick wird, fordert ihre Mutter von ihr, täglich mit ihrem Bruder spazieren zu gehen – und so findet sie sich jenseits der schicken Einfamilienhäuser wieder. Gemeinsam erkunden sie die Fabrikhallen und die Sozialwohnsiedlung, wo Paola das wahre, lebenswerte Leben vermutet und Antonia, einen Jungen aus ihrer Schule trifft. Hier erfährt sie schließlich mehr, als ihr lieb ist: über sich selbst und über ihre Familie.

Aus der Sicht von Paola erzählt Raffaella Romagnolo empathisch und mit jungen Gedanken und Worten, wie sie „dieses ganze Leben“ wahrnimmt. Sie schreibt aufmüpfig, keck, und spiegelt so unfassbar gut wieder, dass sie ganz anders ist als die Anderen. Häufig wirft sie popkulturelle Referenzen ein, die teils wirklich drollig sind, aber manchmal auch fehl am Platz erscheinen. Die Detailliertheit der Erzählung spricht für die wache Auffassungsgabe des Mädchens und dass sie nicht so naiv ist, wie die Erwachsenen um sie rum es vermuten würden. Ich konnte mich sehr gut in Paolas Charakter einfinden und ihre Handlungen nachvollziehen, war ich selbst ja auch in der Pubertät. Leider zogen sich manche Passagen sehr und die Erzählung schweifte oft von der eigentlichen Handlung ab. Doch das kann eigentlich nicht als Kritik angesehen werden, denn ihre Erlebnisse hat Paola für eine imaginäre Freundin aufgeschrieben, und sagt selbst von sich, dass sie beim Erzählen und Schreiben gerne abschweift; daher ist es so gesehen ein stilistisches Mittel. Insgesamt fand ich den Roman sehr unterhaltsam, wenn auch manchmal sehr anstrengend zu lesen, fordert er doch volle Konzentration der Handlung folgen zu können, den roten Faden zu bewahren.

Vielen Dank an den @diogenesverlag für das Rezensionsexemplar!

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Veröffentlicht am 16.11.2020

Auf dem Weg ins Erwachsenensein

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"𝚅𝚒𝚎𝚕𝚕𝚎𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚑𝚊𝚝 𝚎𝚜 𝚍𝚊𝚖𝚒𝚝 𝚣𝚞 𝚝𝚞𝚗, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚋𝚎𝚒 𝚞𝚗𝚜 𝚍𝚊𝚑𝚎𝚒𝚖 𝚜𝚌𝚑𝚘𝚗 𝚎𝚒𝚗𝚒𝚐𝚎𝚜 𝚖𝚎𝚛𝚔𝚠ü𝚛𝚍𝚒𝚐 𝚠𝚊𝚛. 𝚅𝚒𝚎𝚕𝚕𝚎𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚔𝚊𝚗𝚗 𝚓𝚎𝚍𝚎𝚛 𝚒𝚗 𝚜𝚎𝚒𝚗𝚎𝚖 𝙻𝚎𝚋𝚎𝚗 𝚗𝚞𝚛 𝚎𝚒𝚗𝚎 𝚐𝚎𝚠𝚒𝚜𝚜𝚎 𝙼𝚎𝚗𝚐𝚎 𝚍𝚊𝚟𝚘𝚗 𝚟𝚎𝚛𝚝𝚛𝚊𝚐𝚎𝚗....." 𝚂𝚎𝚒𝚝𝚎 53

Es brauchte ein bisschen, ...

"𝚅𝚒𝚎𝚕𝚕𝚎𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚑𝚊𝚝 𝚎𝚜 𝚍𝚊𝚖𝚒𝚝 𝚣𝚞 𝚝𝚞𝚗, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚋𝚎𝚒 𝚞𝚗𝚜 𝚍𝚊𝚑𝚎𝚒𝚖 𝚜𝚌𝚑𝚘𝚗 𝚎𝚒𝚗𝚒𝚐𝚎𝚜 𝚖𝚎𝚛𝚔𝚠ü𝚛𝚍𝚒𝚐 𝚠𝚊𝚛. 𝚅𝚒𝚎𝚕𝚕𝚎𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚔𝚊𝚗𝚗 𝚓𝚎𝚍𝚎𝚛 𝚒𝚗 𝚜𝚎𝚒𝚗𝚎𝚖 𝙻𝚎𝚋𝚎𝚗 𝚗𝚞𝚛 𝚎𝚒𝚗𝚎 𝚐𝚎𝚠𝚒𝚜𝚜𝚎 𝙼𝚎𝚗𝚐𝚎 𝚍𝚊𝚟𝚘𝚗 𝚟𝚎𝚛𝚝𝚛𝚊𝚐𝚎𝚗....." 𝚂𝚎𝚒𝚝𝚎 53

Es brauchte ein bisschen, aber dann hat es mich gepackt und dann so richtig gefesselt und begeistert: die Sprache und der Erzählstil von Raffaella Romagnolo und vor allem die Geschichte von Paola.

Es ist der Umbruch zum Erwachsensein bzw. das Erwachsenwerden. Es geht um Anders sein, als alle anderen, auf sich gestellt, isoliert, aber dennoch, immer einnen Hoffnungsschimmer zu sehen. Es geht um das Verliebtsein und Enttäuscht werden. Um ein MIteinander und ein Leben aneinander vorbei. Um Schein und Sein. Um Lug und Trug. Und um das richtige im Leben, mit allen Konsequenzen.


Paola ist 16 Jahre, kommt aus reichen Elternhaus, materiell fehlt ihr nichts, aber sie ist einsam, mit ihrem Aussehen unzufrieden und fühlt sich in ihrem emotional kühlen Elternhaus ungeliebt. Zum Glück ist da noch Ricci, ihr jüngerer Bruder, der im Rollstuhl sitzt. Mit ihm bricht sie aus dem starren Alltag, mit dem Schweigen, den Ermahnungen und Verhaltensregeln aus, indem sie ihre Spaziergänge mit ihm in das Sozialviertel der Stadt macht. Dort trifft sie auf den zwei Jahre älteren Antonio. Aus Selbstgesprächen mit einer imaginären Freundin werden reale Gespräche. Doch Selbstzweifel und falsche Verdächtigungen zerstören die feinen Bande. Und dann kommt alles noch schlimmer, das elterliche Kartenhaus bricht auseinander.

"....𝙼𝚊𝚖𝚊𝚜 𝙶𝚎𝚜𝚒𝚌𝚑𝚝, 𝚊𝚕𝚜 𝚒𝚌𝚑 𝚍𝚒𝚎𝚜𝚎 𝚜𝚌𝚑𝚛𝚎𝚌𝚔𝚕𝚒𝚌𝚑𝚎𝚗 𝚂𝚊𝚌𝚑𝚎𝚗 𝚐𝚎𝚜𝚊𝚐𝚝 𝚑𝚊𝚋𝚎. 𝙳𝚎𝚗𝚗 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚜𝚒𝚎 𝚠𝚊𝚑𝚛 𝚜𝚒𝚗𝚍, 𝚋𝚎𝚍𝚎𝚞𝚝𝚎𝚝 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚜𝚒𝚎 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚜𝚌𝚑𝚛𝚎𝚌𝚔𝚕𝚒𝚌𝚑 𝚜𝚒𝚗𝚍, 𝚞𝚗𝚍 𝚍𝚒𝚎 𝚃𝚊𝚝𝚜𝚊𝚌𝚑𝚎, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚠𝚒𝚛 𝚎𝚒𝚗𝚊𝚗𝚍𝚎𝚛 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚜𝚊𝚐𝚎𝚗 𝚔ö𝚗𝚗𝚎𝚗, 𝚠𝚊𝚜 𝚠𝚒𝚛𝚔𝚕𝚒𝚌𝚑 𝚕𝚘𝚜 𝚒𝚜𝚝, 𝚖𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚜𝚒𝚎 𝚗𝚘𝚌𝚑 𝚜𝚌𝚑𝚛𝚎𝚌𝚔𝚕𝚒𝚌𝚑𝚎𝚛" 𝚂𝚎𝚒𝚝𝚎 115


Die Autorin hat eine fein gewebte Geschichte gesponnen und die junge, verletzliche, unsichere und dennoch kluge und gefühlvolle Protagonistin sehr authentisch zum Leben erweckt. Paolas Gedanken (abschweifend und ausufernd ), vor allem ihre Gefühle und Einschätzungen über das wahre Leben, über das, was hinter Fassaden stattfindet, über das, was sie selbst und die Menschen um sie herum antreibt und bewegt, hat Raffala Romagnolo in eine fesselnde und nachdenklich machende Geschichte gepackt, die sich nach und nach in ihrer Gänze enthüllt, mit überraschenden Wendungen und spannendem Schluss.

"𝙸𝚛𝚐𝚎𝚗𝚍𝚠𝚊𝚗𝚗....𝚠𝚎𝚛𝚍𝚎𝚗 𝚠𝚒𝚛 𝚞𝚗𝚜 𝚍𝚊𝚛ü𝚋𝚎𝚛 𝚊𝚞𝚜𝚝𝚊𝚞𝚜𝚌𝚑𝚎𝚗, 𝚠𝚒𝚎 𝚎𝚜 𝚜𝚒𝚌𝚑 𝚊𝚗𝚏ü𝚑𝚕𝚝, 𝚠𝚎𝚗𝚗 𝚖𝚊𝚗 𝚎𝚛𝚔𝚎𝚗𝚗𝚝, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚍𝚊𝚜, 𝚠𝚊𝚜 𝚖𝚊𝚗 𝚑𝚊𝚝, 𝚠𝚊𝚜 𝚖𝚊𝚗 𝚒𝚜𝚝 𝚘𝚍𝚎𝚛 𝚣𝚞 𝚜𝚎𝚒𝚗 𝚐𝚕𝚊𝚞𝚋𝚝𝚎, 𝚊𝚞𝚏 𝙻ü𝚐𝚎 𝚋𝚎𝚛𝚞𝚑𝚝. " 𝚂𝚎𝚒𝚝𝚎 229.

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Veröffentlicht am 12.12.2020

Berührende Coming of Age-Geschichte

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INHALT
Paola passt nicht in diese Welt, findet sie. Wo Glanz und Erfolg das Maß vorgeben, hält sie sich lieber an ihren Bruder, der im Rollstuhl sitzt, gerne Schach spielt und auf Likes pfeift. Auf Verordnung ...

INHALT
Paola passt nicht in diese Welt, findet sie. Wo Glanz und Erfolg das Maß vorgeben, hält sie sich lieber an ihren Bruder, der im Rollstuhl sitzt, gerne Schach spielt und auf Likes pfeift. Auf Verordnung ihrer Mutter muss Paola täglich mit Richi an die frische Luft. Eine gute Gelegenheit, der Enge der elterlichen Villa zu entfliehen und Gegenden zu erkunden, wo Paola das wahre Leben vermutet – das so ganz anders ist, als sie dachte.
(Quelle: Diogenes)

MEINE MEINUNG
„Dieses ganze Leben" der italienischen Autorin Rafaella Romagnolo ist ein herrlich erfrischender, unterhaltsamer Entwicklungsroman mit einer teils nervigen und teils höchst bewundernswerten jungen Protagonistin. Hierin behandelt die Autorin sehr einfühlsam eine Fülle von typischen Pubertätsthemen, die mit der schwierigen Herausforderung des Erwachsenwerden einhergehen - Selbstfindung, dem Gefühlschaos der Ersten Liebe, problembehaftete Freundschaften aber auch Mobbing, fragwürdige Schönheitsideale und Essstörungen. Obwohl uns die Autorin in ihrem Roman eine eigentlich nur allzu bekannte Coming of Age-Geschichte präsentiert, hat sie mich doch mit ihren warmherzig gezeichneten Figuren und ihrer lebendiger Interaktion untereinander berühren können. Mit dem sehr eindrücklich gezeichneten Psychogramm einer zerrütteten Familie, ihren facettenreichen Hintergrundgeschichten sowie der Aufdeckung von Familiengeheimnissen und unbequemen Wahrheiten konnte mich Romagnolo sehr fesseln.
Im Mittelpunkt des tiefgründigen, nachdenklich stimmenden Romans steht die 16-jährige, in einer norditalienischen Stadt lebende Paola, die uns als Hauptfigur und Ich-Erzählerin sehr unmittelbar an ihrem turbulenten, keineswegs normalen Alltag und dysfunktionalen Familienleben teilhaben lässt. Sie ist ein Teenager mitten in der Pubertät, der eigentlich alles hat, wovon andere träumen – aus reichem, angesehenem Elternhaus, in einer luxuriösen Villa mit Angestellten lebend, und doch ist sie todunglücklich und genervt von ihrem Leben, wird als Außenseiterin in der Schule gemobbt, hat keine Freunde, ein geringes Selbstwertgefühl und hat sich einen dicken Panzer zugelegt, um all die Verletzungen und die emotionale Vernachlässigung zu sehr nicht an sich heranzulassen.
In ihren etwas chaotischen, abschweifenden und wenig chronologischen Schilderungen lässt Paola uns recht ungefiltert an ihrem Denken und Fühlen teilhaben. Diese sehr lebendige, recht sprunghafte Erzählweise ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, passt aber hervorragend zu der jungen Protagonistin, die oftmals von Frustration, Wut und Kummer überwältigt wird und gegen die Erwartungshaltung der Erwachsenen rebelliert. Paolas frecher Unterton und ihre bisweilen scharfzüngigen, witzigen bis äußerst zynischen Kommentare lassen ihre Figur „als professionelle Hasserin“ sehr authentisch wirken. Die Autorin hat mit Paola eine sehr vielschichtige und lebendige Figur geschaffen, die mich mit ihrer starken Persönlichkeit, scharfen Beobachtungsgabe und großen Sensibilität sehr beeindruckt und mit ihrer großen Verletzlichkeit berührt hat. Zugleich erhalten wir einen sehr interessanten, authentischen Einblick in die oft zu Extremen neigende Gefühlswelt Jugendlicher während der Pubertät.
Sehr gelungen sind auch die faszinierenden Nebenfiguren wie die extravagante Großmutter, die in den Gärtner verliebt ist, oder die patente, herzensgute rumänische Kinderfrau Nina, die sich immer auf die Seite der Kinder schlägt. Sie sind entsprechend ihrer Rolle in der Erzählung vielschichtig ausgearbeitet und wirken sehr lebensnah, natürlich und glaubwürdig.
Sehr einfühlsam und differenziert beleuchtet die Autorin in ihrem Roman auch die Thematik der Andersartigkeit, insbesondere den unterschiedlichen Umgang mit der Behinderung von Riccardo, Paolas 4 Jahre jüngeren, sehr cleveren an den Rollstuhl gefesselten Bruder.
Sehr fesselnd ist es mit zu verfolgen, wie es Paola gelingt, sich immer mehr Freiheiten zu nehmen, mit Hartnäckigkeit und ihrer beachtlichen inneren Stärke schließlich die heile Welt ihrer Familie zum Einsturz zu bringen und schrittweise die Wahrheit zutage zu befördern. Eine reinigende und zugleich heilende Wirkung hat die Enthüllung des erschreckenden, über allem schwelenden Familiengeheimnisses, das einen mit seiner ungeheuerlichen Tragweite sehr nachdenklich stimmt.
Die Autorin lässt ihren Roman mit einer stimmungsvollen, versöhnlich stimmenden Episode sehr offen enden und entlässt eine gereifte, sehr bemerkenswerte Protagonistin ins Erwachsenenleben.
FAZIT
Eine berührende Coming of Age-Geschichte mit einer liebenswerten, aber manchmal anstrengenden Protagonistin - amüsant, unterhaltsam und nachdenklich stimmend!

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Veröffentlicht am 23.11.2020

Authentisch und Anders

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Die Autorin versteht es, die unschönen Dinge, in schöne Worte zu fassen. Die Protagonistin, die sich durch den ganzen Roman von ihren Gedanken leiten lässt, wirkt absolut authentisch. Das Augenmerk liegt ...

Die Autorin versteht es, die unschönen Dinge, in schöne Worte zu fassen. Die Protagonistin, die sich durch den ganzen Roman von ihren Gedanken leiten lässt, wirkt absolut authentisch. Das Augenmerk liegt nicht auf dem, was um sie herum passiert, sondern darauf, was das Geschehene in ihr auslöst. Mit dieser ungewöhnlichen Perspektive schafft es der Roman, den Fokus auf das zu legen, was wirklich wichtig ist.

Persönlich finde ich allerdings, dass die zahlreichen Erwähnungen und Erklärungen aus der Popkultur der Geschichte nicht unbedingt zuträglich waren.

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