Emotional schwer, aber auch schön
Während ich bei Rebecca Yarros' Fantasyreihe rund um die Drachenreiter noch zurückhänge, habe ich ihre Liebesromane, die nun nach und nach für den deutschen Buchmarkt übersetzt worden sind, immer sehr ...
Während ich bei Rebecca Yarros' Fantasyreihe rund um die Drachenreiter noch zurückhänge, habe ich ihre Liebesromane, die nun nach und nach für den deutschen Buchmarkt übersetzt worden sind, immer sehr zeitnah verschlungen. Sie haben für sie als Soldatenehefrau viele Parallelen, weil ich durchaus verstehen kann, dass dieses Leben den Blick auf die Liebe noch einmal anders schärft, aber auch wenn ich es selbst so nicht kenne, kann ich mich doch gut darin fallen lassen. „Alles, was ich geben kann“ ist ein Roman von Yarros aus 2019, der nun erschienen ist. Und auch wenn das nun schon deutlich zurückliegt, so habe ich bislang festgestellt, dass das nichts darüber aussagt, dass Yarros sich zum damaligen Zeitpunkt noch in den Anfängen befand.
Deswegen gelang für mich auch der Einstieg in „Alles, was ich geben kann“ sehr schnell. Da der englische Untertitel „The Last Letter“ lautet, passt es gut, dass es gleich mit einem Brief losgeht, der das Leben von Ella und Beckett für immer verändert. Die Briefe behalten den ganzen Rest über eine große Bedeutung und sind immer zu Kapitelanfang gesetzt. Was ich manchmal etwas irritierend fand, das ist eindeutig, dass die Briefe nicht in ihrer geschickten Reihenfolge platziert wurden. Mir ist klar, dass Yarros versucht hat, die Informationen aus den Briefen zu möglicherweise passenden Kapiteln zu packen, aber ich fand die Verbindungen nicht immer so offensichtlich, weswegen ich die Taktik nicht als gelungen bezeichnen würde. Auch wenn Raute plus Briefnummer ein wichtiger Hinweis waren und ich mich auch über den Inhalt dann einfinden konnte, aber es wäre einfacher gewesen, es stringent zu liefern, weil die beiden Protagonisten schließlich aufeinander reagieren und sie nicht aus einem Zeitkontinuum herausgelöst sind.
Letztlich habe ich noch einen Kritikpunkt, bevor ich dann aber begeisternd werde. Das Buch ist thematisch und damit emotional schon sehr schwer. Mir ist bewusst, dass es wirklich Menschen gibt, denen so viel Leid passiert, dass es für zehn weitere mitreicht und das ist auch wirklich schlimm. Es aber konkret zu lesen, puh, das hat was mit mir gemacht. So ganz nah am Ende dann nochmal ein Ereignis dieses Ausmaßes zu haben, woah, das musste ich nach dem Lesen erstmal abschütteln. Mir war es also wirklich etwas zu viel, gerade für das Genre. Dennoch muss ich umgekehrt loben, dass Yarros es geschafft hat, auch den sehr melancholischen und auch depressiven Phasen etwas mitzugeben, was einem reichenden Arm glich, was einen über Wasser hält. Zudem hat sie sich mit dem gesamten Buch mit dem Thema Schicksal auseinandergesetzt und ich konnte viele Ansichten sehr teilen. Deswegen habe ich verstanden, warum Yarros sich auch für so viel Leid entschieden hat, denn aus einem so tiefen Tal auf eine gewisse Weise auf Vorherbestimmung zu schauen, steht für mich für große Stärke. Denn in der Euphorie und inmitten der Glückssträhne an Schicksal zu glauben, das ist einfach, umgekehrt stellt es aber den eigentlichen Sinn dar.
Auch wenn das Buch mit gewissen Missverständnissen arbeitet, die nicht hätten sein müssen, aber ich musste beim Lesen doch manches Mal auch an die Netflix-Produktion „Love is Blind“ denken, denn die Briefe haben es nach und nach gezeigt, ja, man kann sich nur in die Charaktereigenschaften von jemandem verlieben und deswegen war auch gut nachzuvollziehen, warum Beckett und Ella so schnell schon richtig füreinander wirkten. Auch wenn sie nicht dasselbe Wissen hat, aber unterbewusst war da auch was. Aber diese beiden fangen nicht bei Null ein. Um sie herum sind dann weitere tolle Figuren geschrieben, vor allem natürlich Havoc und die Zwillinge Maisie und Colt. Ich fand es wirklich herzallerliebst, dass Yarros es auch außerhalb der Liebesgeschichte geschafft hat, sehr liebevolle Beziehungen zu zeichnen, die mich alle berührt haben. Die Zwillinge untereinander, aber auch Beckett mit seinem Hund und dann jeweils mit den Kindern. Es fühlte sich dadurch sehr schnell an, als sei ich ein Teil des Ganzen. Das hat natürlich das Erlebte in vielen Punkten auch noch schwerer gemacht, weil ich emotional investiert war.
Lustigerweise hatte ich in einigen Punkten manchmal noch mehr Drama vor Augen als das, wofür sich die Autorin letztlich entschieden hat. Faktor Jeff und seine Eltern als Beispiel. Dementsprechend muss ich auch sagen, dass Yarros sich oft auch für gemütliche und lustige Szenen entschieden hat, während sie manches einfacher gelöst hat. Dadurch ist die Balance auf eine gewisse Weise da. Letztlich mag ich auch große Teile des Handlungsverlaufs echt gerne, denn es war eine gute Mischung aus Auf und Ab, was an die Seiten gebunden hat. Demnach komme ich wieder da aus, dass Yarros für mich Liebesgeschichten schreibt, die mich alle berühren. Sie haben Kitsch, sie haben Drama, aber sie haben auch sehr echte Wurzeln.
Fazit: „Alles, was ich geben kann“ ist ein hochdramatischer Liebesroman, der schon einiges an emotionaler Schwere mit sich bringt. Eine locker-leichte Sommerlektüre ist es wahrlich nicht. Aber das Thema Vorherbestimmung/Schicksal, die süßen Beziehungen, die Briefe und all das, das hat für mich einen sehr runden Roman gebildet, der mich emotional sehr oft zu berühren wusste.