Als wir noch Brüder waren
Mit dem Roman "Karolines Töchter", der vom Aufbau Verlag als erster Roman Ronald H. Balsons aus der Reihe rund um den Privatdetektiv Liam Taggert und der Anwältin Catherine Lockhart veröffentlicht wurde, ...
Mit dem Roman "Karolines Töchter", der vom Aufbau Verlag als erster Roman Ronald H. Balsons aus der Reihe rund um den Privatdetektiv Liam Taggert und der Anwältin Catherine Lockhart veröffentlicht wurde, erzielte der Autor auch in Europa eine große Fangemeinde. Ich bin damals doch auf so einige Recherchefehler gestoßen und konnte keine 5 Sterne vergeben.
Mit der Reihenfolge ist es etwas seltsam. Warum der Verlag damals die Fortsetzung zuerst veröffentlicht hat, ist mir ein Rätsel. Im Mai wurde nun "Hannah und ihre Brüder", der erste Band dieser Reihe verlegt. Dies merkt man, denn der Schreibstil ist teilweise noch etwas holprig und Liam und Catherine werden erst zum Team, das sie in "Karolines Töchter" bereits sind.
Aufgebaut ist der Roman ebenfalls genauso wie "Karolines Töchter". Die Rahmenhandlung spielt in der Gegenwart, während der Hauptanteil des Romans von der Vergangenheit handelt und zwar der Vergangenheit von Ben Solomon. Dieser bedroht bei einer Spendengala im Jahre 2004 den angesehen jüdischen Bürger Elliot Rosenzweig mit einer Pistole und behauptet er sei der ehemalige "Schlächter von Zamość", ein SS-Offizier namens Otto Piotnek. Otto wurde in den 1930iger von Ben's jüdischen Eltern in Polen aufgezogen und wurde zum Bruder für ihn und seine kleine Schwester Becca. Jahre später hat er die Familie verraten und wurde ein treuer Nazi. Durch die Anschuldigung droht Ben ein Gerichtsverfahrenren gegen Rosenzweig. Doch er möchte endlich die Wahrhheit ans Licht bringen und engagiert die Anwältin Catherine Lockhart und den Privatermittler Liam Taggert. Gemeinsam versuchen sie der Identität Elliot Rosenzweigs nachzugehen...
Mit den Ermittlungen erfährt der Leser mehr und mehr aus Bens Kindheit in Polen; von Hannah, in die er sich als Teenager verliebte und wie seine geliebte Familie nach und nach Opfer der Nazis wurden. Dieser Abschnitt ist bewegend und spannend geschrieben. Bens Erzählungen klingen glaubwürdig und überzeugen mit der Zeit auch Catherine, die nicht wirklich viel Ahnung vom Holocaust hat. Das bemerkt man auch bei ihrer Vorgehensweise als Anwältin. Viele Ereignisse oder Tatschen, die man hier in Europa über diese schreckliche Zeit weiß, sind für Catherine neu. Sie findet oft nicht die richtigen Ansätze zur Recherche, wie z. Bsp. bei der tätowierten Häftlingsnummer oder dem Umfeld von Rosenzweig.
Durch die wechselnden Perspektiven zwischen Gegenwart und Vergnagenheit entwickelt sich immer mehr Spannung und man fiebert dem Resultat der Verhandlung entgegen, auch wenn sie für mich sehr bald offensichtlich war.
Beim Lesen irritiert hat mich allerdings, dass oftmals mitten in Bens Erzählung der nächste Satz von Catherine erzählt, die sich ein Glas Wasser holt oder eine Pause einberuft. Das warf mich mehrere Male richtig aus der Geschichte.
Die Gegenwart an sich ist hier der große Kritikpunkt meinerseits. Catherine und Liam bleiben sehr blass und ich fand überhaupt keinen Zugang zu ihnen, obwohl ich sie bereits aus "Karolines Töchter" kannte. Es findet keine wirkliche Charakterentwickling statt bzw. wirkt diese unglaubwürdig. Zu der Arbeit als Anwalt in den USA kann ich nicht viel sagen, weil ich dazu einfach zu wenig weiß.
Viele Figuren sind nicht nur in der Gegenwarts, sondern auch im Vergangenheitsstrang sehr schwarz-weiß gezeichnet. Oftmals fühlte ich mich in der Geschichte mehr als Beobachter am Rande, als mitten drinnen zu sein.
Den deutschen Titel finde ich ebenfalls nicht gut gewählt. Der Originaltitel "Once we were brothers" ist perfekt und ich finde es schade, dass er nicht so übersetzt wurde.
Schreibstil:
Ob es an der Übersetzung oder an Ronald H. Balsons Schreibstil liegt...ich weiß es nicht, aber auch diesmal kam ich nicht sofort in die Geschichte. Ich fand sie Sätze oft sehr holprig. Die Sätze sind kurz und wirken oftmals emotionslos. Mit der Zeit fällt das nicht mehr auf und mich konnte vorallem Bens Erzählung aus Polen doch noch überzeugen. Die Recherchearbeit dürfte dem Autor hier besser gelungen sein, als bei "Karolines Töchter".
Fazit:
Ronald H. Balsons erster Roman über den Holocaust konnte mich leider nicht ganz abholen. Während mich der Vergangenheitsstrang um die Judenverfolgung in Polen großteils überzeugen konnte, fand ich die Rahmenhandlung in der Gegenwart oberflächlich und teilweise unglaubwürdig.