Worum geht's?
Die Geschichte von Verena und Tom klingt nach einem wahr gewordenen Märchen: Sie kennen sich seit klein auf, wohnen nebeneinander, sind ein Paar, seit sie sich mit 13 Jahren zum ersten Mal geküsst haben. Sie sind wie Pech und Schwefel, sind füreinander geschaffen, gehören zusammen. Für immer. Aber dann kommen Verena Zweifel, zwischen Abistress und Studium, zwischen jugendlichem Leichtsinn und erwachsener Vernunft: Wenn sie noch nie einen anderen Jungen küsst hat, woher soll sie wissen, dass Tom der Richtige für sie ist? Dass es nicht anders, besser sein kann? Gemeinsam beschließen sie, sich auszuprobieren. Eine offene Beziehung für 3 Monate. Doch keiner von beiden hat die Konsequenzen bedacht …
Meine Meinung:
Sabine Both ist keine Unbekannte. Unter ihrem Pseudonym Franziska Moll hat sie „Was ich dich träumen lasse“ und „Egal wohin“ geschrieben, die auf diversen Blogs mit Lobeshymnen überhäuft wurden. Mit ihrem neuen Roman „Ein Sommer ohne uns“ erzählt Sabine Both eine intensive Contemporary-Geschichte, die sich an ein Thema wagt, auf das ich im Jugendbuch noch nicht gestoßen bin: offene Beziehungen. Es ist die Geschichte eines jungen Pärchens, das sich seit Kindertagen kennt, seit der Pubertät liebt und nun an der Schwelle zum Erwachsenwerden ins Zweifeln gerät. Nicht darüber, ob ihre Gefühle füreinander echt sind – das steht für Verena und Tom völlig außer Frage. Aber die Neugierde, wie es mit anderen sein könnte, die Frage, ob sie es später nicht bereuen könnten, nie jemand anderen geküsst und berührt zu haben, spukt beiden im Kopf herum. Ob das gut gehen kann?
Mit dem Einstieg in die Geschichte hatte ich meine Probleme. Es ist mein erstes Buch der Autorin und ihr Schreibstil hat mich sehr überrascht. In kurzen, fast schon abgehackten Sätzen schreibt Sabine Both über Verena und Tom, ihre Liebe, ihre Beziehung. Ihre Worte wirkten zunächst viel zu harsch und hart auf mich, sorgten schon zu Beginn für eine angespannte Atmosphäre, die mich alles andere als unbekümmert durch die Seiten trieb. „Gut“ fühlte ich mich nicht, dabei war zu Beginn der Geschichte doch noch alles in Ordnung.
Mit jeder umgeschlagenen Seite wusste ich den knappen Stil der Autorin jedoch besser zu schätzen. Was auf mich einen so hektischen Eindruck machte, ist Sabine Boths geballte Wortkraft. Sie schafft es mit wenigen Worten das zu beschreiben, wofür andere ganze Seiten brauchen, und so viele Emotionen zu vermitteln, wie es manch einer in ganzen Romanen nicht vermag. Nach einer kleinen Eingewöhnung, der Bereitschaft, sich auf Boths Stil einzulassen, gab es für mich aus diesem atmosphärisch dichten Gefühlsfeuerwerk kein Entrinnen mehr. „Ein Sommer ohne uns“ hat mich mit Haut und Haar zwischen seine Seiten gezogen und schlussendlich sowohl sprach- als auch atemlos zurückgelassen.
Sabine Both ist eine grandiose Autorin, die ihr Handwerk versteht und es mit Herzblut auslebt. Sie hat einen Blick fürs Detail und ein feinfühliges Gespür dafür, welche Themen man mit knallharten Worten zur Sprache bringt und welche man durch kleine, aber bedeutungsschwere Gesten zwischen den Zeilen versteckt. Mit jedem gedruckten Wort hat sie die Gedanken und Gefühle ihrer Figuren auf den Punkt und die eines jeden jungen Erwachsenen im Kern getroffen. „Ein Sommer ohne uns“ hat mich emotional völlig mitgerissen, teilweise sogar aus der Bahn geworfen, vor allem aber berührt und bewegt.
Dass „Ein Sommer ohne uns“ so eine intensive Sogwirkung auf mich gehabt hat, liegt zum Großteil aber auch an den unfassbar authentischen Figuren der Geschichte. Als Protagonisten, die auch abwechselnd die Erzählerrollen einnehmen, stehen Verena und Tom natürlich im Fokus. Obwohl ich sie in ihren Entscheidungen nicht immer unterstützt habe, konnte ich ihre Gedanken und Beweggründe immer nachvollziehen. Sabine Both hat mit ihnen Charaktere geschaffen, die ehrlicher, natürlicher und lebendiger nicht sein könnten. Sie alle wirken so echt, dass es mich nicht wundern würde, einem von ihnen morgen auf der Straße zu begegnen.
Fazit:
„Ein Sommer ohne uns“ von Sabine Both ist ein außergewöhnlicher Jugendroman – und das nicht nur dank des speziellen Themas. Mit ihrem intensiven, punktgenauen Schreibstil hat mich die Autorin mit Haut und Haar in ihre Geschichte gezogen. Sprach- und atemlos, dafür voller unbändiger Gefühle, übte die Geschichte um Verena und Tom einen Sog auf mich aus, dem ich mich weder entziehen konnte noch wollte. Ein aufwühlender, sehr ehrlicher Roman mit authentischen Charakteren, die man so schnell nicht mehr vergisst. Hochemotional! Für „Ein Sommer ohne uns“ vergebe ich sehr gute 4 Lurche.