Vom großen und vom kleinen Kurt
„Wir sitzen noch eine Weile nebeneinander, sehen auf unsere Füße, um nicht die geballte Macht des Zimmers ertragen zu müssen, und denken auf unseren Gedanken rum.“
Inhalt
Lena ist mit ihrem Freund Kurt ...
„Wir sitzen noch eine Weile nebeneinander, sehen auf unsere Füße, um nicht die geballte Macht des Zimmers ertragen zu müssen, und denken auf unseren Gedanken rum.“
Inhalt
Lena ist mit ihrem Freund Kurt in ein Haus gezogen, im schönen Brandenburg, im Grünen, mit Garten und dem ganz besonderen Charme eines eigenen Zuhauses. Dort müssen sich die beiden noch einrichten, die Umzugskisten leerräumen und für Kurts Sohn aus erster Beziehung ein heimeliges Plätzchen schaffen. Denn der Kleine, der genauso wie sein Vater heißt, wohnt abwechselnd bei seiner Mutter und dem großen Kurt. Doch während Lena langsam Gefallen an ihrer Rolle als die neue Freundin des Vaters findet und sich mit dem Patchwork-Familienleben anfreundet, passiert ein großes Unglück. Kurt Junior verunglückt – einfach so, im zarten Alter eines Erstklässlers, der gerade die Milchzähne verliert. Die Lücke die er hinterlässt, scheint unüberbrückbar und Lena verliert immer mehr den mentalen Zugang zu den Gedanken ihres Freundes. Plötzlich ist ihr Leben als potentielle Stiefmutter ausgehebelt und sie fragt sich, ob ihre Paarbeziehung diese Belastungsprobe überstehen wird …
Meinung
Dies war mein erster Roman der Autorin, die mit ihren Büchern anscheinend existentielle Themen aufgreift und diese eher direkt und einfühlsam bespricht, förmlich wie aus dem Leben gegriffen. Wahrscheinlich hat sie damit auch großen Erfolg, denn „KURT“ habe ich mir zugelegt, weil mich so viele positive Lesermeinungen angefixt haben und ich unbedingt wissen wollte, ob das Thema wirklich so traurigschön, wie versprochen umgesetzt wurde. Allerdings wird schon nach wenigen Seiten klar, dass mich die alltägliche, fast flapsige Auseinandersetzung mit den Ereignissen in der Familie Horstmann/ Rieß, nicht begeistert. Gerade der erste Teil, in dem der kleine Kurt noch putzmunter ist, liest sich für mich wie ein seichter Frauenroman, ein ganz alltäglicher, kaum beachtenswerter Inhalt.
Leider ändert sich der Erzählton auch im folgenden Text, der durch den Unglücksfall wesentlich mehr Innerlichkeit besitzen müsste, nur geringfügig. Und spätestens da verfehlt diese literarische Umsetzung meinen Lesegeschmack. Das mag daran liegen, dass ich eine komplett andere Erwartungshaltung an dieses Buch hatte (obwohl ich zahlreiche Meinungen wahrgenommen habe, die den Text als mitreißend und emotional beschrieben haben). Ganz klar, die Thematik Trauerbewältigung kann und muss mich nicht nur im Alltäglichen ansprechen, nein sie muss mich zum Nachdenken animieren, sie muss mein Herz erreichen und meine Gedanken – sehr gern sitze ich dann mit Taschentuch da und leide mit den Protagonisten. Und all das, war hier nicht drin, weil sich der Tod eines Kindes irgendwie am Rande abspielt, weil die Gartengestaltung, die Wohnungseinrichtung und das konkrete Leben wesentlich mehr Augenmerk bekommen als das verlorene Kind.
Vielleicht hätte mir eine andere Erzählperspektive besser gefallen, denn die Hauptprotagonistin ist sich selbst nicht sicher, welche Rolle sie im Leben des kleinen Kurt gespielt hat und welche Rolle sie nun bekommt. Auch die Paarbeziehung leidet, wie erwartet, dennoch bleibt auch dieses Miteinander blass. Jeder sitzt irgendwo und betrachtet die Lücke und pflanzt bestenfalls einen Baum, oder vergräbt eine Schaufel oder findet sich mit der Zeit in einem Leben wieder, in dem die Hoffnung über die Trauer siegt.
Fazit
Ich vergebe nur 2 Lesesterne für diesen Roman, der mein Herz nicht erreichen konnte. Viel zu oberflächlich wird der Tod und das Fehlen eines geliebten Menschen greifbar, viel zu einfach sind die Handlungen, viel zu unbedeutend die Ausführung. Wenn ich etwas über den Verlust lernen möchte, etwas über Endlichkeit des Lebens und die Liebe zu Familienangehörigen, muss ich hier mühsam suchen ohne direkt fündig zu werden. Der lockere Schreibstil passt nicht zum Thema, er macht es irgendwie unbedeutend und die Geschichte verliert dadurch ihren Glanz. Gerade eben denke ich an einen kürzlich gelesenen Familienroman mit einer ähnlichen Dramatik (Rhiannon Navin – Alles still auf einmal), der ganz im Gegensatz dazu wirklich emotional und traurig gestaltet ist. Literatur über das Sterben muss für mich traurig sein und nicht so unbestimmt bleiben. Alle die etwas Ähnliches wie ich suchen, sollten sich überlegen, ob sie „Kurt“ entdecken möchten, sicherlich empfiehlt sich eine Leseprobe als Entscheidungshilfe.