Rae ist schwer krank und bekommt eines Tages das Angebot, in die Rolle der Schurkin ihres Lieblingsbuches zu schlüpfen, um ihr Leben zu retten. Als Lady Rahela umringt sie sich mit Verbündeten, um die Blume zu finden, die sie auf der Erde wieder gesund werden lässt. Doch sie sind nicht die Helden der Geschichte und irgendwann muss sie sich eingestehen, dass die Geschichte echter ist als sie dachte.
„Endlich gewinnt das Böse, MyLady“ - Key
Als ich den Klappentext gelesen habe, musste ich mir das Buch direkt aneignen, weil es sich wirklich interessant angehört hat. Alles rund um Isekai hat einen besonderen Reiz und tritt immer mehr in den Vordergrund, wenn auch eher in Animes und Mangas als in Büchern. Deshalb habe ich das Buch gelesen und bin mehr als zufrieden mit meiner Entscheidung. Die Gegenwart, in der Rae todkrank ist, wurde wunderbar beschrieben und es war von der ersten Seite an emotional. Man merkt, dass die Autorin ihre eigene Krebserkrankung verarbeitet und es war ein super Start, um mit unserer Protagonistin zu fühlen und die ersten bösen Gedanken zu erkennen. Das Worldbuilding danach ist gewaltig und ich wusste gar nicht wo ich hinsehen sollte. Die Kapitel wurden sehr detailliert und umschweifend geschrieben, sodass mit vielen Worten ausgedrückt wurde, wofür die Hälfte ausgereicht hätte. Viele stört es beim Lesen, aber mir hat gerade das gefallen, weil ich mir die Geschichte des Buches im Buch besser vorstellen konnte. Die Ausschnitte aus dem realen Buch am Anfang von jedem Kapitel waren auch eine schöne Ergänzung, weil man so wunderbar den Kontrast zwischen dem Buch und Raes Story bekommt.
Für die Charaktere hat sich die Autorin viel Zeit genommen und das hat man auf jeder Seite gespürt. Sowohl unsere Protagonistin, als auch ihre Verbündeten Key, Emer und die Kobra haben viel Charaktertiefe bekommen und durch eigene POVs wurde es nur noch besser. Das gleiche gilt für Marius und auf andere Art auch für die Nebenfiguren. Es werden zwar viele Namen schnell hintereinander genannt und Personen und Orte vorgestellt, was kompliziert ist, vor allem, wenn eine Person mehrere Namen bekommt und mal der eine und dann der andere genannt wird, aber für einen komplexeren Roman reichen keine fünf Stück aus, von daher wurde meiner Meinung nach alles richtig gemacht. Nebenbei gesagt, ist auch die Karte ein schönes Extra und ebenso das Cover.
Rae & Key - Rae ist eine wunderbare Person, auch wenn sie viele Fehler gemacht hat, als sie nur helfen wollte. Sie bleibt sich treu und ihr einzigartiger Sprachstil und wie sie ihre Macht einsetzt, wurde gut benutzt. Zwischendurch hat sie keinen Sinn gemacht und man könnte sie auch als egoistisch beschreiben, aber sie hat eine deutliche Charakterentwicklung hinter sich und gefällt mir am Ende noch besser. Es war abwechselnd witzig und abenteuerlich und dass sie sich selbst als die Schurkin ernannt hat, war das Beste, denn sie kümmert sich nicht um normale Rollen. Key ist wohl unser aller Lieblingsbösewicht und er kann gut töten, was ihn zum perfekten Partner in Crime macht. Man muss seine Art einfach lieben, insbesondere auch hier am Ende. Die Beziehung zwischen den beiden entwickelt sich zwar langsam, aber es hat unglaublich viel Spaß gemacht, ihnen zuzuschauen, selbst nach Verrat, Lügen und Intrigen.
Emer (& Lia) - Emer konnte ich bis zum Schluss nicht leiden, sie meckert zu viel und hat immer was auszusetzen. Lia ist die perfekte Heldin, in die sich alle verlieben, doch will eigentlich selbstbewusst uns stark sein. Sie ist einfach süß und hier erwarte ich mehr im zweiten Band.
Eric & Marius - Diese Beziehung hat wohl genauso viel Aufmerksamkeit bekommen, als die Protagonisten und mir hat es zeitweise mehr gefallen, über sie zu lesen. Es war spannend, Geheimnisse wurden aufgedeckt und das Ende kam überraschend und passt zu ihnen. Die Kobra ist genau wie Rae, nur dass sie an die anderen Figuren glaubt und ihnen richtig und wirklich hilft. Ich mag ihn und was er aufgebaut hat, denn er ist eine ganz eigene Persönlichkeit und ziemlich wichtig. Man muss ihn ins Herz schließen. Marius hingegen war ja bis zum Schluss auf der Gegenseite der Protagonisten, was ihn zum Feind macht und sein Gelaber von Ehre und keinen Emotionen wurde irgendwann langweilig. Dennoch hat auch er eine Charakterentwicklung hinter sich und auch hier erwarte ich vieles im zweiten Buch.
Der Rest - Die eigentlichen Helden in der Originalstory, wie der König, kamen einem überhaupt nicht heldenhaft vor und man merkt, dass die Grenze zwischen Held und Schurke verschwimmt und man im Laufe des Buche die Rollen tauschen könnte. Der König nervt nur und ich bin immer wieder froh gewesen, wenn er in seine Schranken verwiesen wurde.
Die Story an sich war eher langatmig und wurde praktisch nur durch einzelne Schlüsselszenen weitergebracht, und dennoch habe ich das Buch verschlungen. Der rote Faden wurde nach einem Drittel deutlich und ich habe mit Rae mitgefiebert, weil Schurken eigentlich am Ende sterben und bei einer solchen Story kann man nichts hervorsehen. So war der Plottwist am Ende nahezu perfekt und die Spannung, die nach und nach aufgebaut wurde, kam zu einem finalen Höhepunkt. Man merkt auf jeden Fall, dass die Autorin exzellent schreiben kann, weil sowohl die Kampfszenen, als auch die emotionalen Szenen ergreifend waren. Ich bin begeistert, wie meisterhaft die Figuren in Szene gesetzt wurden und es wurde schön blutig. Zugegebenermaßen waren die Dialoge wie aus der Luft gegriffen und hatten manchmal keinen Zusammenhang, insbesondere wenn moderne Worte verwendet wurden, aber genau das hat das Buch unter anderem ausgemacht.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Thematik des Bösen Vs. Die Helden eingehen, die am Anfang so gepriesen wurde. Es bilden sich die Vipern, eine schurkenhafte Gruppe, die ohne Moral gegen das Gute vorgeht, und dann sind da die eigentlich klischeehaften Guten, alias der König und Lia und Marius. Das verschwimmt aber alles, sodass Raes u d Erics Taten teilweise als heldenhaft gesehen werden können und der König ja gar nichts gutes beiträgt. Man könnte sich darüber beschweren, weil zumindest meiner Meinung nach die Werbung für das Buch irreführend war, aber ich finde, dass genau diese grauen Grenzen super aufgezeigt wurden und die Einzigartigkeit des Buches unterstützen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich mir mehr schurkenhaftiges gewünscht hätte.
Insgesamt ist der Fantasy-Roman empfehlenswert, wenn auch nur für diejenigen, die nach einem Drittel ohne Zweifel weiterlesen können, denn der Roman ist doch gewöhnungsbedürftig.