ein außergewöhnlicher Erzählstil, aber mich konnte die Geschichte nicht berühren
Der Roman „Ausser sich“ von Sasha Marianna Salzmann hatte mein Interesse geweckt aufgrund des interessant klingenden Klappentextes und seiner Nominierung zum Deutschen Buchpreis. Im Verlauf der Lektüre ...
Der Roman „Ausser sich“ von Sasha Marianna Salzmann hatte mein Interesse geweckt aufgrund des interessant klingenden Klappentextes und seiner Nominierung zum Deutschen Buchpreis. Im Verlauf der Lektüre wurde ich jedoch zunehmend enttäuscht, zu aneinander gestückelt wirken die einzelnen Kapitel, die Figuren zu blass, die Erzählung konnte mich nicht berühren.
Dabei bietet Geschichte viel, die Hauptfigur Alissa stammt aus einer jüdisch russischen Familie mit einigen charismatischen Vorfahren, Alissa selbst ist mit ihren Eltern, ihrem Großvater und ihrem Zwillingsbruder Anton Mitte der 90er Jahre von Moskau nach Deutschland umgesiedelt. Mit Mitte 20 verlässt Anton die Familie und verschwindet zunächst spurlos. Eine Postkarte aus Istanbul lässt Ali ihrem Bruder nachreisen, doch nachdem auch sie schon zuhause viele Brücken in ihrem Leben abgebrochen hatte, gerät die Suche nach Anton schnell in den Hintergrund, sie verfällt den Reizen der Stadt Istanbul und lässt sich Treiben, mehr auf der Suche nach sich selbst.
Insbesondere der Teil um Alis und Antons Aufenthalte in Istanbul ist mir zu gewollt kunstvoll angelegt, die Sprache ist teils überspitzt bildhaft, so dass Ali als Figur sehr nebulös bleibt, dann wieder extrem vulgär und abstoßend, was eine sehr große Distanz zu den Figuren schafft, so dass mir ihr Schicksal beim Lesen zunehmend egal war.
Die angesprochenen Themen wie Migration, Identität nicht nur im Sinne von einer Heimat-Zugehörigkeit sondern auch von Geschlechtsidentität sind tiefgreifende und aktuelle Themen, die hier darunter leiden, dass das Buch ungeordnet wirkt und zu vieles in den nebulösen wie in einem Drogenwahn aufgelösten Gedanken Alis unter geht.
Am interessantesten habe ich noch die Rückblenden in die Familiengeschichte empfunden, die einen Bogen spannt vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die sowjetische Nachkriegszeit und die ebenso von Unterdrückung wie von mythisch anmutendem Heldentum erzählt. Die Rückblenden erfolgen nicht chronologisch und wirken meist zufällig und zusammenhangslos eingestreut, was das Lesen und Verstehen ebenso erschwert, wie die verschiedenen Namen, mit denen die einzelnen Personen benannt werden. Die Schicksale der Familienmitglieder sind geprägt von dem Eindruck, dass sie alle überwiegend in Unglück gelebt haben, Liebe, Unbeschwertheit und die Erfüllung von Träumen haben kaum Platz. Aber auch diese negatives Stimmungen erklären nicht, weshalb Ali und Anton ihr Leben und ihre Freunde aufgeben, um in einem fremden Land ihr eigenes Selbst derart herabwürdigen und ausnutzen zu lassen.
Ich kann den Hype um dieses Buch nicht nachvollziehen, mir fehlt hier die klare Aussage. Das Buch ist offenbar mit Absicht so angelegt, ich bin ein zu rational denkender Mensch, als dass mich das ansprechen könnte.