Fantastischer Krimi
Für mich war dieses Buch der Einstieg in die Reihe um den Privatdetektiv Kosuke Kindaichi, und es hat mich sehr gefreut, dass keinerlei Vorwissen notwendig war, um diesen Fall zu verstehen. Obwohl immer ...
Für mich war dieses Buch der Einstieg in die Reihe um den Privatdetektiv Kosuke Kindaichi, und es hat mich sehr gefreut, dass keinerlei Vorwissen notwendig war, um diesen Fall zu verstehen. Obwohl immer wieder Anspielungen auf seinen großen Ermittlungserfolg gemacht werden, ist der Fall auf der Insel Gokumon ganz auf sich selbst begrenzt.
Der Autor dieses Buches ist ’81 gestorben und hat seine Romane hauptsächlich in den 70er Jahren verfasst. Das merkt man der Geschichte zwischenzeitlich an. Es gibt viel unreflektierte Diskriminierung gegen so ziemlich jede Minderheitengruppe, am auffälligsten dabei psychisch Kranke, die wiederholt nur als verrückt bezeichnet werden und in einer Zelle eingesperrt bleiben. Man muss sich darauf einlassen können, dass dieses Buch in der Hinsicht ein Produkt seiner Zeit ist, gerade weil es auch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg spielt und damit das historische Setting zusätzlich betont werden soll. Wenn man darüber hinwegsehen kann, ist so ziemlich jeder andere Aspekt hier grandios.
Wir kommen mit Kosuke Kindaichi auf die Insel, eine ominöse Botschaft im Gepäck, und erfahren sehr schnell über die familiären und politischen Verwicklungen. Noch bevor wir richtig angekommen sind, geschehen die titelgebenden Morde. Hier zeigt der Roman seine größte Stärke: Es ist ein klassischer whodunnit Krimi, wie man ihn von Agatha Christie kennt. Wir bekommen ein klares Bild vom Tagesablauf um die Morde, welche Personen wann wo waren, was sie getan haben, wo es Lücken im Alibi gibt und wo nicht. Wir sehen alles, was der Ermittler auch sieht und haben so die Chance, mit ihm zusammen zu raten. Ich persönlich tappte so wie er bis zum Schluss im Dunkeln, und konnte das letzte Puzzelteil nicht zuordnen, so dass ich die Aufklärung präsentiert bekommen musste, um sie zu verstehen. Aber immerhin war ich auf der richtigen Fährte und fühlte mich klug. Das ist es, was ich an Krimis liebe und was hier großartig umgesetzt wurde.
Als ehemalige Japanologie-Studentin muss ich auch ein Wort zur Übersetzung verlieren. Man merkt hier, dass die Übersetzerin viel Liebe in den Text gesteckt hat. Sie hat es auf einzigartige Weise geschafft, das Gefühl, den Eindruck der japanischen Sprache zu behalten, und es gleichzeitig in formvollendetes Deutsch zu gießen. Auch die Art, wie die Personen miteinander sprechen, welche Höflichkeitsformen und welche Art der Sprache genutzt wird, kam rüber, obwohl wir da im Deutschen wesentlich eingeschränkter sind als die Japaner. Neben einem guten Krimi bietet dieses Buch also auch höchsten Lesegenuss aufgrund des Texts selbst.
Fazit
Der zweite Band um den Ermittler Kosuke Kindaich von Seishi Yokomizo ist ein brilliant konstruierter Krimi, der handwerklich alles richtig macht. An der Seite des Privatdetektivs verfolgen wir das Geschehen, ermitteln mit und haben immer die Chance, richtige Schlüsse zu ziehen. Das Ende ist überraschend, aber lösbar, und wundervoll emotional geschrieben. Einen kleinen Punktabzug gibt es, weil das Buch eben doch deutlich Produkt seiner Zeit ist und nicht immer feinfühlig gegenüber Minderheiten ist. Wer nach einem guten Krimi im Stile Agatha Christies ist, findet hier auf jeden Fall ein Juwel.