Gedanken in der Einsamkeit
Eine Frau in New York, ein Papagei und ein ungebetener Mitbewohner…
Corona greift um sich. Es ist der erste Lockdown. Eine Frau erklärt sich bereit den Papagei einer Freundin, welche bei ihren Eltern festsitzt, ...
Eine Frau in New York, ein Papagei und ein ungebetener Mitbewohner…
Corona greift um sich. Es ist der erste Lockdown. Eine Frau erklärt sich bereit den Papagei einer Freundin, welche bei ihren Eltern festsitzt, zu betreuen. Sie überlässt einer Ärtzin, die dringend gebraucht wird, ihre Wohnung und zieht bei dem Papagei ein. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: auch ein junger Mann, der gerade mit seinen Eltern ein nicht allzu harmonisches Verhältnis hat, wird bald als Gast in der Wohnung sein und ihre Geduld mehr als einmal auf die Probe stellen.
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Handlungstechnisch passiert in diesem Roman nicht besonders viel. Es ist Lockdown, alles liegt auf Eis, der Beruf der Protagonistin ist nicht systemrelevant und somit sitzt sie in der Wohnung fest. Bis auf vereinzelte Spaziergänge, verlässt sie diese nicht. Sie hat viel Zeit zum Nachdenken und nimmt die Lesenden genau in diese Gedankenwelt mit.
Es ist ein Ausflug in die Welt der Literatur, in die Vergangenheit, in Einsamkeit und Angst. Sigrid Nunenz reflektiert eine Zeit, die sicher für uns alle schwierig war. Gerade in der Anfangszeit von Corona, war Angst ein vorherrschendes Gefühl. Es gab so viele Infizierte, so viele Tote… beim Verlassen der eigenen vier Wände wurde plötzlich jeder andere Mensch zu einem potenziellen Risiko.
Praktisch über Nacht hat sich unser aller Leben geändert und es wurde zu einer Zeit die jeder Person mal mehr, mal weniger abverlangt hat. Dies hat die Autorin sehr schön eingefangen.
Die Rolle des Papageien in dem Ganzen fand ich beeindruckend. Zum einen symbolisiert er die Wichtigkeit einer Aufgabe in Zeiten, in denen man sonst nicht zu tun hat. Sich um ein Lebewesen zu kümmern, dass auf einen angewiesen ist, kann nachweislich dazu beitragen, sich selbst aus tiefen Gräben heraus zu holen. Durch sein buntes Gefieder bringt er außerdem etwas Farbe in den trostlosen Alltag.
Durch das ungewollte Zusammenleben mit dem jungen Mann, wird überdies die Notwenigkeit von sozialen Kontakten und das Zwischenmenschliche thematisiert.
Wie anfangs schon erwähnt, passiert auf der Handlungsebene fast nichts. Dahingehend ist sicher der Klappentext etwas irreführend. Zumindest mir suggeriert er eine wesentlich eingängigere Erzählung.
„Die Verletzlichen“ ist ein leiser Roman. Es passiert hier sehr viel zwischen den Zeilen und man muss gewillt sein, sich darauf einzulassen. Wenn man dies tut, wird man mit einer literarisch hochwertigen und sprachlich wunderschönen Betrachtung von Individuen in Krisenzeiten belohnt.