(Zu)Treffend
Was hatte mich die poetische und doch bildgewaltige Sprache vor Schultes in ihrem Debüt „Junge mit schwarzem Hahn“ doch bereits begeistert und mich glauben lassen, sie könne mir die ödeste Geschichte der ...
Was hatte mich die poetische und doch bildgewaltige Sprache vor Schultes in ihrem Debüt „Junge mit schwarzem Hahn“ doch bereits begeistert und mich glauben lassen, sie könne mir die ödeste Geschichte der Welt präsentieren und ich würde mich ob ihres Ausdrucks dennoch von der ersten bis zur letzten Seite an jener erfreuen. Mit ihrem zweiten Buch verfestigte die Autorin nun diesen Eindruck; noch zwei Bücher mehr und ich werde einfach jedem von meiner neuen, liebsten zeitgenössischen deutschen Autorin vorschwärmen.
„Schlangen im Garten“ wirkt im Gegensatz zum Debüt nicht wie ein mystisches Märchen, sondern viel mehr wie eine kalte Dystopie, in der Emotionen nüchtern begegnet werden soll, die aber konträr zu dieser Erwartungshaltung von Impulsivität und Individualität geprägt sind: Erzählt wird von einer Familie, die kürzlich die Mutter bzw. Ehefrau verloren hat, und deren Mitglieder allesamt anders mit ihrer Trauer umgehen und sich, in den Augen Außenstehender, viel zu sehr darin verlieren, weswegen sich das „Traueramt“ einschaltet, das auf schnellere Akzeptanz drängt, und prüfen will, ob die Familie überhaupt „richtig“ trauert.
Wie ich schon sagte, fehlt „Schlangen im Garten“ zwar die durchgängige märchenhafte Mystik des Debüts der Autorin, beinhaltet aber doch ein gewisses Maß an Fantastik und auch die Bildsprache muss hier vielfach noch gedeutet und interpretiert werden. Es ist kein einfaches Buch, das nicht noch ein Mit- oder Nachdenken erfordern würde. Trotz solcher Elemente wie dem Traueramt habe ich diesen Roman nun doch auch sehr zeitgenössisch, und gar nicht als in irgendeiner Zukunftsvision oder zumindest in einer alternativen Gegenwart angesiedelt, empfunden, wozu sicherlich vor Allem beigetragen hat, dass diese Thematik der Trauer gegenwärtig ist. Es wird vermutlich keine Lesende dieses Buchs geben, die nicht bereits selbst einmal einen geliebten Mensch verloren haben; wir alle kennen wohl diese Sprüche in Richtung „So langsam muss er aber mal drüber hinwegkommen, Mama ist schon zwei Jahre tot.“ oder „Was? Sie hat jetzt einen Neuen? Schon? Ist ihr Mann nicht grad erst zwei Jahre tot?“ oder „Der hat sich auf der Geburtstagsfeier prächtig amüsiert; ich selbst hab den da einmal lachen sehen!; obwohl seine Frau vor fünf Monaten erst beerdigt worden ist.“ oder oder oder.
„Schlangen im Garten“ konzentriert sich sehr auf die Gefühlswelt der einzelnen Figuren; abseits der Trauer passiert hier nix; und ich fand es wunderbar, wie und dass die Charaktere hier so unterschiedlich gezeichnet wurden und man merkte, dass es da einfach kein richtig und kein falsch, geschweige denn diese eine bestimmende, Verhaltensweise gab.
Hier dürfte es immer die eine Person geben, mit deren Verhalten man sich identifizieren kann, und die Anderen eignen sich, die eigene Meinung und eventuelle Vorurteile zu reflektieren; mir hat es zumindest geholfen, bestimmte Auftretensweisen innert einer Trauerphase mal anders betrachten zu können. Bei einem akuten Todesfall im persönlichen Umfeld würde ich definitiv nicht zu diesem Roman greifen, aber zum Abschluss einer Trauerphase könnte ich es mir durchaus als tröstlich und „verstehend“ vorstellen; generell würde ich „Schlangen im Garten“ aber eher in einer nachdenklichen und eventuell sentimentalen Phasen des Lebens, die völlig losgelöst von jeglichen (erwartbaren) Todesfällen sind, zu lesen vorziehen. Es rührt doch schon sehr an.