Ein absolutes Lesehighlight
„Als wir uns das erste Mal in der Höhle begegnet sind, sprachen wir über den Tempel. Erinnerst du dich? Du hast mich gefragt, ob Gott dort wohnt oder in den Menschen.“
„Und du hast geantwortet: kann er ...
„Als wir uns das erste Mal in der Höhle begegnet sind, sprachen wir über den Tempel. Erinnerst du dich? Du hast mich gefragt, ob Gott dort wohnt oder in den Menschen.“
„Und du hast geantwortet: kann er nicht in beiden wohnen?“
„Und du sagtest: Kann Gott denn nicht überall wohnen? Lassen wir ihn frei.“ Das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich dich lieben würde, Ana. Da wusste ich es. (Auszug S. 239/240)
Anas Geschichte beginnt 16 n.Chr.: Sie wächst in einer priviligierten Familie auf; ihr Vater arbeitet im Palast des Herodes Antipas, ihr Mutter hat keinerlei Gefühle für ihre Tochter. Diese erlernt das Schreiben und macht sich auf, die vergessenenen Geschichte der Frauen in der Heiligen Schrift aufzuschreiben – sie wünscht sich, deren Stimme zu sein.
Und sie gibt nicht nur anderen Frauen eine Stimme, sondern lebt auch selbst im Kampf gegen Herrscher, Familienzwänge und Rituale, die Frauen einerseits unsichtbar halten, andererseits ausnutzen. Nach schicksalhaften Ereignissen lernt sie den jungen Handwerker Jesus kennen, heiratet ihn und kehrt ihrer wohlhabenden Familie den Rücken, um mit ihrem Ehemann in dessen bäuerlichen Umgebung in Nazareth zu leben... Die weitere Geschichte Jesus ist ja hinlänglich jedem Christen bekannt ;)
Aber die fiktive Figur Ana gibt der Gründungsgeschichte ein weiteres Gesicht, welches aufgrund akribischer Recherchen der amerikanischen Autorin wirklich gelungen ist. Sie zeichnet ein authentisches Bild der Frauen von damals und zeigt, daß es immer schon weibliche Rebellion gegen festgefahrene Strukturen gab. Sie bewegt sich abseits des kirchlichen Schubladendenkens, ohne es dabei aber an der nötigen Ehrerbietung fehlen zu lassen. Ihre historischen, kulturellen, politischen und religiösen Recherchen erschaffen eine außergewöhnliche Geschichte, die Fakten und Fiktives gekonnt miteinander verbindet.
Dabei ist das umfassende Buch sicherlich nicht immer einfach zu lesen, was aber mehr am Inhalt als am Schreibstil liegt. Ich fand den Stil sehr interessant und mitreißend, konnte mich gut in das Gelesene hineinversetzen und fühlte mich mitgenommen – eine wirklich gelungene Übersetzung!
Man kann das Buch als Gesamtkunstwerk betrachten, denn auch die Einarbeitung diverser Auszüge aus historischen Schriften – optisch ansprechend abgesetzt – und die Gestaltung des Umschlags nebst ausführlicher Karten auf den Innenseiten machen das Druckwerk „rund“.
Für mich ist „Das Buch Ana“ ein absolutes Jahres-Highlight, welches ich jedem empfehle, der gerne anspruchsvolle Romane rund um starke Frauengestalten in der Historie liest. Mir ist die Geschichte des „Kleinen Donners“ noch lange im Gedächtnis geblieben.... ein Zeichen, daß mich das Buch sehr bewegt hat. Daumen hoch!