Susan Ee konnte mich mit dem Auftakt zu dieser Reihe schwer begeistern und ich konnte es kaum abwarten, bis es endlich auf Deutsch weitergeht und der Heyne Verlag nachlegt. Wenn ich mir so die Rezension zu Angelfall – Nacht ohne Morgen ansehe, komme ich direkt wieder in dieses Feeling von permantenter Achtsamkeit und möchte meinen Blick, ähnlich wie Penryn, immer hoch in den Himmel werfen, um nachzusehen, ob nicht wieder irgendwelche überstarken Engel mich in Stücke reißen wollen. Ich habe direkt wieder Lust in diese apokalyptische Welt einzutauchen, die düster und gefährlich und brutal ist. Ich möchte die Dialoge zwischen Raffe und Penryn lesen und den irren Aktionen von Penryns Mutter mit einem Schmunzeln begegnen.
Dieses Problem mit so einem geilen Auftakt ist bekannt. Vor allem, wenn es eine Reihe ist. Und ich habe es sicher schon einmal erwähnt, ich erwarte mittlerweile von den zweiten Bänden von Trilogien, dass sie etwas abkacken. Die Erfahrung hat mich selten eines Besseren belehrt. Ist leider so.
An dem Punkt hat mich Angelfall – Tage der Dunkelheit tatsächlich nochmal überrascht. Denn als ich die letzten Seiten gelesen habe, musste ich kurz innehalten. Ich hatte das Buch in der Hand. Sah es mir so an, von allen Seiten und habe die Geschichte und die Ereignisse nicht direkt loslassen können. Wie schon beim ersten Band! Das ist super, oder? Und doch war da keine schiere Begeisterung, wie beim letzten Mal. Eher war es ein „Woah-Effekt“. Nicht zu verwechseln mit dem „Wow-Effekt“.
Ich fand Angelfall – Tage der Dunkelheit von Susan Ee wieder wirklich gut. Obwohl ich zu Beginn leichte Startschwierigkeiten hatte und schon das Schlimmste befürchtete. Trotz der raffiniert eingebundenen Rückblenden für den Leser, um nochmal die wichtigsten Ereignisse aus dem ersten Band Revue passieren zu lassen und daran anknüpfen zu können. Ich hatte trotzdem Probleme die Connection zu Penryn wiederzufinden, ich habe indirekt wieder auf diese Schlagabtäusche zwischen Raffe und Penryn gewartet und einfach mehr. Mehr von allem! Ich wollte, dass die Autorin mich wieder mindestens genauso schnell begeistert, wie beim ersten Mal. Ich wollte mehr Action, mehr Drama, mehr und mehr und mehr. Und das vermisste ich etwa die ersten 100 bis 150 Seiten lang. Dann wurde es besser.
Ob das wieder an diesem rasanten und fesselnden Schreibstil von der Autorin lag oder ich diese Seiten brauchte, um mich speziell auf den zweiten Band einzugrooven, kann ich gar nicht wirklich sagen. Allerdings hat Susan Ee in diesem Buch wieder großartige Arbeit geleistet, was die Details, auch sehr unschöne und unappetitliche, angeht. Wie ich bereits in meiner Rezension zu Angelfall – Nacht ohne Morgen erwähnt habe, hat sie eine sehr bildliche Schreibweise. Und auch in diesem Fall empfehle ich zarten Gemütern das Buch nicht. Denn es ist weiterhin roh. Es ist nackt und unschön und ich find das geil!
Manchmal habe ich mich gefragt, ob dieses Buch eine einzige Freakshow ist. Was da an Gestalten rumlaufen und was da alles rumexperimentiert wird. Ich habe bei diesem Buch nie nebenbei etwas gefuttert. Das geht einfach nicht. Was da passiert und beschrieben wird hat mich jetzt nicht unendlich verstört, aber Appetit auf Gummibärchen oder Schoki habe ich dabei auch nicht bekommen. Das Buch ist also kein Buch zum nebenbei snacken. Sorry.
Insgesamt fand ich diesen Band wesentlich bedrückender, gefährlicher und düsterer als den ersten Band. Was sicher daran lag, dass Raffe sehr lange nur passiver Teil der Geschichte ist und dieser passive Teil, sehr klein ausfiel. Das bedeutetete auch, dass Penryn größtenteils allein unterwegs war. Klar, sie hatte Abschnitte, wo sie andere Menschen an ihrer Seite hatte, z. B. ihre Mutter, aber auch das waren eher kurze Episoden. Und so kam es mir vor, dass wir, das Schwert von Raffe und Penryn allein auf Streifzug durch Amerika waren, um Paige mal wieder zu befreien.
Während dieses Streifzugs lernen wir Penryn genauer kennen. Und das äußert sich auf besondere, und wie ich finde, sehr reife und reflektierte Art. So schwierig die Familienbande durch die Veränderung an Paige und die Verrücktheit ihrer Mutter geworden sind, ist da diese Fürsorge, und ja, auch ein Pflichtgefühl seitens Penryn. Erstmals wird sehr unübersehbar, wie kräftezerrend all das für Penryn ist, als einzige „Normale“ die Verantwortung zu tragen. Sich immer um die anderen beiden aus ihrer Familie zu kümmern und auch, entgegen ihres Bestrebens, Seiten an sich zu entdecken, die ihrer Mutter nicht ganz unähnlich sind. Und diese nicht von sich zu weisen, sondern zu schätzen, liebevoll als Verbundenheit zu betrachten und irgendwie auch Frieden mit sich und ihrer Rolle in der Familie zu schließen.
Nichtsdestotrotz brodelt da etwas in Penryn, wo ich schon sehr gespannt bin, was passiert, wenn das alles an die Oberfläche kommt. So wie ich die Autorin einschätze, wird das ein Fest. Für mich zum Lesen, für Gegner und Feinde im Buch wahrscheinlich nicht so sehr.
Fazit
Angelfall – Tage der Dunkelheit von Susan Ee hat mich überzeugt. Auf ganz andere und eigene Weise. Es mag vielleicht das gleiche Plotkonzept wie beim ersten Band vorweisen, allerdings fand ich es da schon mega. Also kann ich das der Autorin nicht wirklich ankreiden. Insgesamt ist das Buch wieder auf verrückte Art und Weise besonders, bleibt im Kopf und hat mit seinen Pageturner-Qualitäten definitiv einen Platz in jedem Regal und bei einem jeden Leser verdient, welches und welcher mit dieser Art von Buch klarkommt. Ganz zu Schweigen davon, dass wenn man Band 1 schon mochte, hier etwas zeitverzögert, aber trotzdem, auf seine Kosten kommt.