Seit der Hochzeit mit Ax ist für Frederike nichts mehr wie zuvor, denn Ax hat Tuberkulose und hält sich in einem Schweizer Sanatorium auf, während sie sich der Herausforderung gegenüber sieht, das Gut Sobotka ganz allein leiten zu müssen. Sie hat darin keinerlei Erfahrung, zudem machen es ihr die Angestellten schwer, denn Freddy wird als Hausherrin nicht akzeptiert. Erst als ihr Stiefvater Erik und ihre Tante Edel ihr unter die Arme greifen, bessert sich die Situation für alle auf dem Gut merklich, vor allem für Frederike. Während die Ehe mit Ax fast nur noch auf dem Papier besteht, was vor allem daran liegt, dass Ax keinerlei Interesse an Freddy und am Gut zeigt, vermisst diese die Nähe und Wärme, die eine enge Beziehung zwischen Eheleuten normalerweise aufweisen sollte. Durch ihre Freundin Thea lernt Frederike deren Schwager Gebhard zu Mansfeld kennen und schnell wird klar: die beiden ergänzen sich hervorragend. Als Ax plötzlich stirbt, ist für Frederike der Weg frei, eine neue Ehe einzugehen. Sie verlässt Sobotka, heiratet Gebhard und gründet mit ihm endlich eine Familie. Währenddessen wird die politische Situation immer schwieriger, denn die Nazis kämpfen sich immer mehr an die Macht – der Krieg steht unmittelbar bevor. Wie werden sie alle diese Zeit überstehen?
Ulrike Renk hat mit ihrem Buch „Die Jahre der Schwalben“ den zweiten Band ihrer Ostpreußen-Saga vorgelegt, welches dem Vorgänger „Die Jahre der Schwalben“ in nichts nachsteht. Wer das erste Buch nicht kennt, kann diesen Roman trotzdem lesen, denn alle wichtigen Informationen werden innerhalb der Handlung gegeben, so dass man sich gleich wohl fühlt. Der Schreibstil ist so wunderbar flüssig, warmherzig, fesselnd und bildhaft gemischt mit den dazugehörigen lokalen Dialekten, dass der Leser sofort wieder eintaucht und Teil der Familien auf Fennhusen und Sobotka wird, aber vor allem als heimlicher fürsorglicher Freund für Frederike, deren Schicksal hier im Vordergrund steht. Die Beschreibungen der einzelnen Güter sowie die Reisen sind so farbenfroh, dass man sich alles bis ins Detail vorstellen kann und das Gefühl hat, sich während der Lektüre in der Vergangenheit wiederzufinden, aus der es sehr schwer fällt, wieder aufzutauchen, so lebhaft und real wirkt alles. Die Autorin hat hervorragend recherchiert, was neben dem geschichtlichen Hintergrund in Bezug auf den Zerfall der Weimarer Republik und den rasanten Aufstieg der Nazis als auch die Familiendetails von Zeitzeugen betrifft und lässt den Leser teilhaben an einem gekonnten Mix aus Fiktion und wahren Begebenheiten.
Die Charaktere sind wunderbar und individuell ausgestaltet, sie wirken so real und authentisch, dass sie fast greifbar sind. Der Leser hat das Gefühl, sie persönlich zu kennen und Teil ihres Lebens zu sein. Frederike ist inzwischen eine sympathische erwachsene Frau, der sehr schnell viel Verantwortung auf die Schultern gelegt wird. Doch sie scheut sich dieser Aufgabe nicht und kümmert sich um alles und jeden auf ihrem Gut. Gleichzeitig träumt sie von einem harmonischen Familienleben mit eigenen Kindern, doch dieser Wunsch wird ihr lange nicht erfüllt. Die Entwicklung von Freddy ist in diesem Roman besonders zu spüren, sie wird vor den Augen des Lesers erwachsen und zu einer wirklichen Persönlichkeit. Gebhard ist ein sehr netter Mann, der ebenfalls viel Verantwortung für seine ihm anvertrauten Güter und Familien trägt. Dabei ist er ein eher zurückhaltender Mann, der erst langsam auftaut, dann aber umso sympathischer wird, je mehr man ihn kennenlernt. Freddys Stiefvater Erik ist ihr eine wirkliche Stütze und hilft ihr, wo er kann. Das Verhältnis zwischen Freddy und Thea kühlt in diesem Band merklich ab, die beiden Frauen driften immer mehr auseinander. Ebenso entwickelt sich Freddys Mutter Stefanie immer mehr zu einem Ekel, sie ist selbstsüchtig, bevormundend und hartherzig. Aber auch die anderen Protagonisten wie z.B. die Köchin Schneider, Schwiegermutter Heide, Schwager Caspar oder auch Tante Edel bereichern die Handlung mit ihrem Tun und machen die Geschichte absolut rund.
„Die Jahre der Schwalben“ ist ein hervorragend gelungener Folgeband der Saga und lässt beim Leser in Sachen Historie und Familienroman keinerlei Wünsche offen. Man ist mit Einstieg in das Buch nicht nur Teil der Geschichte, sondern auch Teil der Familie und möchte sich gar nicht von ihnen verabschieden. Ein kleiner Trost ist die Tatsache, dass es noch einen dritten Band geben wird, auf den man nach dieser Lektüre geradezu sehnsüchtig wartet. Absolute Leseempfehlung für ein wirkliches Highlight!