1919 Berlin. Endlich ist der Erste Weltkrieg vorbei, doch die Dehmels haben nicht nur Paulas Tod zu verkraften, sondern müssen sich, wie viele andere auch, mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen. Als Heinrich Dehmel endlich aus dem Krieg zurückkehrt, ist die junge Künstlerin Ursula Stolte froh, ihre große Liebe endlich wieder in die Arme schließen zu können und mit ihm gemeinsam den Tod seiner Mutter zu verarbeiten, denn Paula war ihr immer ein großes Vorbild. Ulla nimmt Heinrichs Heiratsantrag an, um mit ihm eine eigene Familie zu gründen, doch ihre Eigenständigkeit als Künstlerin möchte sie deshalb nicht aufgeben. Aber Heinrich macht es ihr nicht leicht, denn er fällt als Ernährer der Familie aus, da ihm nach seiner Approbation als Arzt ein weiteres Studium wichtiger ist. Mit der Geburt der gemeinsamen Tochter Fine sollte das Glück eigentlich perfekt sein, doch bleibt es vor allem Ursula, Spitzname Ulla, vorbehalten, sich um Haushalt, Kind und das Wohl der Familie zu kümmern. Dabei will sie auch ihre künstlerischen Tätigkeiten weiterverfolgen. Ob ihr das gelingen wird? Und auch bei den anderen Mitgliedern der Familie Dehmel bahnen sich Probleme an…
Ulrike Renk hat mit „Ulla und die Wege der Liebe“ den dritten Teil ihrer historischen Dehmel-Familiensaga vorgelegt, der den Leser erneut in der Zeit zurückreisen lässt, um dort die Geschicke der einzelnen Protagonisten mitzuverfolgen, während er gleichzeitig den geschichtlichen Hintergrund der damaligen Zeit hautnah miterlebt. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil erlaubt dem Leser den Zutritt zum engsten Familien- und Freundeskreis. Der Zeitrahmen erstreckt sich über einen Zeitraum von 1919 bis 1924, den die Autorin ihre Handlung aus realen und fiktiven Komponenten sehr gekonnt gewebt hat, so dass der Leser einmal mehr fasziniert das Leben der belegten Berliner Familie eintauchen kann. Paula Dehmel ist inzwischen verstorben, sie war die Seele und der Mittelpunkt der Dehmels, die alle miteinander verbunden und die Familie zusammengehalten hat. Mit ihrer Heirat wird Ulla Stolte ebenfalls eine Dehmel, auf die einige Herausforderungen zukommen, denn zu jener Zeit sind es immer noch die Männer, die in fast allen Dingen den Ton angeben und Entscheidungen treffen, die die Frauen zu akzeptieren haben. In Freundin Vera hat sie einen Fels in der Brandung an ihrer Seite, obwohl diese in dem Künstler Tetjus einen Ehemann an der Seite hat, der in seiner Lebensweise nur zu sehr ihrem Vater Richard Dehmel ähnelt und seine eigenen Bedürfnisse im Blick hat. Durch die sehr akribische Recherche der Autorin nimmt der Leser nicht nur regen Anteil am Familiengeschehen, sondern erlebt auch die Folgen des Krieges mit, die sich auf die Bevölkerung niederschlagen. So muss diese nicht nur unter der Inflation leiden, auch die Anzeichen von Judenfeindlichkeit mehren sich.
Die Charaktere wurden liebevoll und glaubwürdig weiterentwickelt, der Leser fühlt sich sofort wohl in ihrer Mitte und fühlt sich als Teil der Familie. Ulla ist eine liebenswerte Frau, die mit ihrem ruhigen und ausgeglichenen Wesen so mancher Familienzwistigkeit den Wind aus den Segeln nimmt und für einen Lösungsweg sorgt. Vera ist mit ihrer Extrovertiertheit Ullas perfektes Gegenstück. Tetjus und Heinrich wirken beide auf ihre Weise egoistisch in der Art, wie sie ihr Leben gestalten wollen, wobei sie keine Rücksicht auf ihre Frauen nehmen, von diesen aber alles erwarten. Aber auch Ida sorgt für einigen Wirbel nach Richards Tod, was sie nicht gerade zur Sympathieträgerin macht.
„Ulla und die Wege der Liebe“ ist nicht nur eine unterhaltsame Fortsetzung der Familiensaga, sondern besticht durch den gelungenen Mix aus historischem Hintergrund, Liebe, Freundschaft und einigen Schicksalsschlägen, die gemeistert werden wollen. Absolute Leseempfehlung für ein Abtauchen in alte Zeiten und in eine interessante Familie, die es wirklich gegeben hat. Einfach wunderbar!