KI in alten Gemäuern
KI ist in aller Munde, sie bietet unendlich viele Möglichkeiten im Guten wie im Schlechten. Gerne lasse ich mir Zeitungsartikel vorlesen, denen man aber die stellenweise doch etwas holprige Sprache noch ...
KI ist in aller Munde, sie bietet unendlich viele Möglichkeiten im Guten wie im Schlechten. Gerne lasse ich mir Zeitungsartikel vorlesen, denen man aber die stellenweise doch etwas holprige Sprache noch anmerkt. Diesen Service nehme ich gerne an, was mich aber erschreckt, sind die täuschend echt gemachten Fake-Videos. Ich verfolge die Technik und natürlich hat mich „Die Burg“, der neue KI-Thriller von Ursula Poznanski, unheimlich gereizt. Das Hörbuch bietet sich direkt an, um nicht nur die Story zu verfolgen, sondern auch den ganz besonderen Horror hautnah mitzuerleben. Und diesen Horror, dieses Grauen, Frösteln, ja dieses Angstgefühl hat Rainer Strecker, der Sprecher, bestens vermittelt.
Die halbverfallene Burg, die sich der Milliardär Nevio gönnt, lässt er mit neuester Technik ausrüsten - ihm schwebt eine Escape-Welt vor, gesteuert durch Künstliche Intelligenz, die alles zu bieten hat, was das verwöhnte Spielerherz begehrt. Egal ob Vampirschloss oder Fantasywelt oder was auch immer, jede noch so abgehobene Location ist möglich. Nun steht der erste Testlauf an, dafür lädt Nevio ausgewählte Experten ein, unter ihnen auch Maxim, der selbst Escape-Rooms anbietet, einen Vergleich mit denen von Nevio halten seine Spielewelten jedoch in keinster Weise stand.
Das Spiel beginnt, die Teilnehmer sind begeistert und je weiter sie kommen, desto schwieriger wird es für sie. Irgendwann kommt der Punkt, an dem alles stockt. Die KI führt ein Eigenleben, sie scheint Freude an den zunehmenden Ängsten zu haben. Das Safeword ist falsch, von außen lässt sich die Technik nicht mehr steuern, um sie herum ist es teilweise zappenduster, auch läuft ihnen die Zeit davon. Das Szenario wird zunehmend beklemmend und unheimlich. Spätestens dann, wenn man realisiert, dass es keinen Weg nach draußen gibt, verdammt man seine Gier auf Neues, seine unbändige Spielsucht. Kismet nennt sich ihr Gegenspieler, der seine helle Freude an ihrem Grauen hat. Nüchtern betrachtet ist diese KI durchaus gelungen, unterscheidet sie sich doch lediglich durch fehlende Empathie von einem echten Menschen. Auch überlistet KI den Gamemaster, der im Notfall eingreifen sollte.
Ursula Poznanski hat ein sehr aktuelles Thema aufgegriffen. KI kann immer mehr, keiner weiß, wohin dies führen mag. Auf der Burg ist alles aus dem Ruder gelaufen, KI ist nicht mehr zu beherrschen – ein durchaus realistischer Ansatz, auch wenn diese Technik noch am Anfang dessen steht, was alles möglich wäre, es noch gar nicht sichtbar ist, inwieweit sich KI verselbständigt.
Die durchweg düstere Atmosphäre hilft meiner Vorstellungskraft, um in diese virtuelle Welt abzutauchen. Die Charaktere passen in ihrer für mich etwas abgehobenen, eher unsympathischen Art gut dazu, der flüssige Schreibstil tut ein Übriges. Nach dem spannenden Anfang war irgendwann dann die Luft raus, die Story hatte einige Längen, ein Dranbleiben wird dann schon mit einem für mich passenden Ende belohnt. Bis auf einige zu ausgedehnte Seqenzen war “Die Burg“ ein durchweg kurzweiliger, nervenaufreibender Horrortrip in die Welt der Künstlichen Intelligenz, mit der wir immer mehr konfrontiert werden.